„Die Frau hat überhaupt nicht gelernt, den Mann als ein menschliches Wesen zu sehen“

Esther Vilar: Das große Interview aus unserer Premierenausgabe mit der Skandal-Autorin
Credit: Imago
50 Jahre. 50 Cover. Die große Jubiläumsausgabe
Die große Jubiläums-Ausgabe
PLAYBOY 2022/08

Inhalt

WELCOME & GÄSTE

Prominente Gratulanten: Was Playboy-Freunde aus Gesellschaft, Wirtschaft, Politik und Sport uns zum 50. Geburtstag wünschen

First Lady: Ein Wiedersehen mit Gaby Heier, der ersten Frau auf dem deutschen Playboy-Cover

Party-People: Zum Jubiläumsfest lassen wir die Korken knallen und unterhalten uns mit den Schönen und Geistreichen wie Natalia Avelon, Henning Baum, Annemarie Carpendale, Heino Ferch und vielen mehr ...

TITEL-STARS

50 Jahre, 50 Cover: Bewundern Sie die Werke 50 namhafter Künstlerinnen und Künstler, die unsere Jubiläums-Titelseiten gestaltet haben!

PARTY-SPIELE

Das große Playboy-Quiz: Wie gut kennen Sie uns? 50 Fragen aus der Geschichte der deutschen Ausgabe

Streichliste: 50 Dinge, die ein Mann bis zur Lebensmitte getan haben sollte

Kennen Sie die schon? Eine Auswahl der 50 besten Witze aus dem deutschen Playboy

REPORTAGE

Bye-bye, Burn-out: Mit 50 Jahren lebt der Journalist Jens Brambusch den Traum vieler Altersgenossen – er ist ausgestiegen und auf ein Segelboot gezogen

EROTIK

Playmate: Unsere Miss August, Natasha Nesci, wollte schon immer mal im Playboy auftauchen. An der Küste Teneriffas wurde ihr Traum wahr

Heißes Revival: Vor 20 Jahren entzückte Pamela Schneider als Playmate die Leser. Zum Jubiläum trafen wir sie wieder ...

LEBENSART

Cocktail-Legenden: Womit stößt man auf ein halbes Jahrhundert an? Mit echten Klassikern!

Seemann mit Stil: Der deutsche Unternehmer Christopher Sieber besitzt eines der letzten amerikanischen Playboy-Cigarette-Rennboote Timmerberg-Kolumne: Der Zeitgeist und ich

Design von 1972: Aus unserem Geburtsjahr stammen auch andere ikonische Produkte ...

10 Bücher aus 50 Jahren: Welche sollte man gelesen haben? Wir verraten es Ihnen

Männerdüfte für die Ewigkeit: Die meisten Eaux de Toilette verduften schnell. Unsere zehn bleiben

STREITSCHRIFT

Lust der Lebensmitte: Die Midlife-Crisis ist nur ein Mythos. Eine Forscherin erklärt, wie gut es Männern um die 50 in Wahrheit geht

INTERVIEW

Esther Vilar: Dem ersten deutschen Playboy gab die Autorin des Skandalbuchs „Der dressierte Mann“ 1972 das große Interview. Nach 50 Jahren reden wir weiter – über Männer, Frauen, Freiheit und ihre Feindin Alice Schwarzer

Unvergessliche Antworten: Zehn Highlights unserer 50-jährigen Interview-Tradition

Steve Jones: Vor 50 Jahren gründete er die Band, aus der die Sex Pistols hervorgingen. Jetzt schaut er sich an, wie sein Leben verfilmt wird

AKTION

Gewitzte Gewinner: Das sind die Sieger des großen Playboy-Kreativ-Wettbewerbs

Wiesn-Playmate gesucht: Bewirb dich, und werde unsere Miss Oktober 2022!

LUST

Umfrage des Monats: Was sind die Sexwünsche der Frauen im Jahr 2022?

Tagebuch einer Verführerin: Sophie Andresky über heiße Clubnächte einst und mit Anfang 50

STANDARDS
  • Editorial
  • Cartoon
  • Berater (Best of 50 years) 
  • Impressum
  • Bezugsquellen
  • Ausblick

Der Premierenausgabe des deutschen Playboy gab die Schriftstellerin Esther Vilar im Sommer 1972 das große Interview – kurz nachdem ihr Skandal-Bestseller „Der dressierte Mann“ die Welt der Frauenrechtlerinnen wie der Machos gleichermaßen in Aufruhr versetzt hatte. Für unsere Jubiläumsausgabe trafen wir die heute 86-jährige Autorin wieder – und erinnern uns hier an das Gespräch von vor 50 Jahren mit Playboy-Redakteur Heinz van Nouhys. 

Wer mit einer Frau einmal so richtig streiten will, der ist bei Esther Vilar an der richtigen Adresse. Sie kann jeden Gesprächspartner in Weißglut versetzen, weil sie alles, was sie sagt, mit dem Anspruch verkündet, ganz allein im Besitz der Wahrheit zu sein. Große Diskussionen, davon geht Esther Vilar aus, lohnen sich mit ihr überhaupt nicht. Sie spricht aus, was sie zu sagen hat, und diese mit monotoner Stimme vorgetragenen Erkenntnisse sind eben das einzige, was zum Thema zu sagen ist – wer da noch anderer Meinung sein kann, hat eben die Welt nicht begriffen.

Rund zehn Millionen Menschen haben bisher Ihr Buch „Der dressierte Mann“ gelesen. Sind Sie nicht auch der Meinung, dass zumindest der größte Teil dieser zehn Millionen das Opfer eines Missverständnisses geworden ist?

Das würde ich nicht sagen. Vielleicht eines oberflächlichen Verständnisses. Für die meisten Leser bestand die Neuigkeit meines Buches wohl darin, dass die Männer sich den Frauen versklaven. Für mich war das eigentlich keine Neuigkeit. Es war etwas, was ich schon lange wusste. Mich interessiert mehr die Frage, warum sie sich versklaven, warum sie sich dressieren lassen.

Haben Sie mit diesem oberflächlichen Verständnis gerechnet? Waren Sie über die ungewöhnlich heftigen Reaktionen auf Ihr Buch verstört?

Natürlich war die Reaktion der Frauen im ersten Augenblick sehr negativ. Aber ich muss sagen, dass sich das sehr geändert hat. Ich bekomme zu meinem Buch fast nur noch positive Briefe von Frauen. Frauen, die sagen, ja, es war richtig, es war notwendig, das zu schreiben.

Esther Vilar im Playboy-Interview 1972: „Viele Männer wissen, dass sie ausgebeutet werden, viele Frauen wissen, dass sie ihre Männer ausbeuten“

Ist die Reaktion im Ausland anders als in Deutschland?

In jedem neuen Land, in dem das Buch erscheint, kommt die gleiche Reaktion wie am Anfang in Deutschland. Es kommen also zuerst die bösen Briefe. Aber ich habe die Hoffnung, dass sich das auch dort, wenn sich der erste Schock gelegt und man die Sache in Ruhe überdacht hat, etwas ändert, dass die Reaktionen etwas anders werden, abgeklärter. Ich muss natürlich sagen und zugeben, dass mein Buch in einer sehr aggressiven Form geschrieben ist, dass die Reaktionen zum Teil sogar berechtigt sind. Man ist ja eine solche Ausdrucksweise in Bezug auf die Frauen überhaupt nicht gewöhnt. Die Frauen sind etwas Heiliges, etwas Unantastbares, es wird immer in den höchsten Tönen von ihnen gesprochen.

Haben Sie nie den Verdacht gehabt, dass Männer, wenn sie tatsächlich so dressiert wären, wie das in Ihrem Buch steht, sich von alleine schon mal darüber beklagt hätten?

Viele Männer wissen, dass sie ausgebeutet werden, viele Frauen wissen, dass sie ihre Männer ausbeuten. Aber die Frauen hatten keinen Grund, darüber zu reden, denn sie ziehen ja nur Vorteile aus diesem System. Und wenn ein Mann ein solches Buch geschrieben hätte, dann hätte man ihn ausgelacht: Es gilt als unmännlich, sich über Frauen zu beschweren. Man hätte dem Mann vorgeworfen, er habe kein Glück bei den Frauen, und wolle sich auf diese Weise rächen. Es gibt übrigens viele Witze – auch in PLAYBOY – in denen mein ganzes Buch enthalten ist. Witze gelten bekanntlich als Ausdruck des Unbewussten. In solchen Witzen sind die Männer nie die Helden, sie sind immer die Verlierer.

Esther Vilar im Playboy-Interview 1972: „Als Frau konnte ich dem weiblichen Dressursystem viel leichter auf die Spur kommen, als ein Mann es gekonnt hätte. Ich hatte eine fabelhafte Tarnung“

Wie kommt man als Frau dahinter, so genau zu begreifen, was in einem Mann wirklich vorgeht? Wieviel Männer muss man gekannt haben, um sicher zu sein, dass es stimmt, was man über sie sagt?

Ich weiß natürlich nicht, was in den Männern vorgeht, aber ich weiß, wie sie sich verhalten. Ich weiß auch nicht, was in Frauen vorgeht. Doch ich weiß, wie sie sich verhalten. Nicht nur ich weiß das, sondern jeder. Und wer es noch genauer wissen will, kann es in den Statistiken nachlesen. Das Wesentliche ist die Interpretation dieses Verhaltens. Ich habe es auf eine andere – wie ich glaube einfachere und logischere – Weise interpretiert als andere. Eine Theorie ist immer dann besser, wenn sie mehr mit weniger erklärt. Ich war natürlich hier wieder einmal im Vorteil, denn als Frau konnte ich dem weiblichen Dressursystem viel leichter auf die Spur kommen, als ein Mann es gekonnt hätte. Ich hatte eine fabelhafte Tarnung.

Ist Ihnen nie der Verdacht gekommen, dass die Männer sich in dieser Situation wohlfühlen? Mal unterstellt, dass sie stimmt...

Ja, und deshalb meine Bemerkung am Anfang, dass mich eigentlich nur interessiert hat, warum die Männer sich versklaven. Warum die Männer – die doch im allgemeinen viel intelligenter, viel sensibler, viel phantasievoller sind als Frauen – sich trotzdem diesen Frauen unterwerfen. Die Erklärung liegt darin, dass man nicht frei sein will, man sucht die Versklavung. „Der dressierte Mann“ ist ein Buch über die Lust an der Unfreiheit – das soziologische Grundproblem von allem. Es ist darin alles enthalten: der Krieg in Vietnam, die Jesus-People-Bewegung, die Jugendrevolten, das Problem „Mann und Frau“. Erst wenn dieses Problem bis ins letzte ausgelotet ist, kann man andere Probleme angehen oder sie als unlösbar auf die Seite schieben.

„Lust an der Unfreiheit“ der Titel eines Buches, das man seit einigen Monaten in jeder Buchhandlung kaufen kann. Das Buch ist von Ihnen. Nur relativ sehr wenige Leute kaufen es. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Das stimmt nicht ganz, die erste Auflage ist vergriffen, die dritte wird vorbereitet, eine Reihe ausländischer Ausgaben wird vorbereitet. Natürlich kann es kein Bestseller sein, ich habe mich nicht auf Bestseller spezialisiert, nur weil ich einmal einen geschrieben habe und womöglich wieder einen schreiben werde. „Die Lust an der Unfreiheit" ist ein Essay von knapp 76 Seiten, Titel und Untertitel sind absichtlich nicht attraktiv. Es ist allerdings so, dass die „Lust an der Unfreiheit“ mein Generalthema ist – meine Bücher sind sämtlich Beispiele für die Lust an der Unfreiheit, mal auf mehr, mal auf weniger unterhaltsame Weise.

Welches der beiden Bücher ist Ihnen als Autorin das liebste? Der spektakuläre „Dressierte Mann" oder die stille „Lust an der Unfreiheit"? 

Das ist eine schwierige Frage. Sie sind ganz verschieden. Natürlich ist mir „Der dressierte Mann“ auf gewisse Art lieber, dieses Buch ist ganz ich selbst, während „Die Lust an der Unfreiheit" ja ein Essay ist über eine Theorie, die ich zwar vertrete, die aber nicht von mir stammt, sondern von Klaus Wagn, meinem früheren Mann. 

Würden Sie den „Dressierten Mann" heute ganz genauso schreiben, wie Sie ihn vor zwei Jahren angefangen haben zu schreiben?

Ja.

Nicht nur, weil Sie mit diesem Buch mittlerweile einen Riesenerfolg hatten?

„Der dressierte Mann" ist ein rücksichtsloses Buch, ich weiß, aber ich bin trotzdem froh, dass ich es auf diese Art geschrieben habe. Ich wollte das weibliche System der Ausbeutung zerschlagen.

Zerschlagen ist ja heute sehr populär. Was man den Zerschlagungspredigern vorwirft, ist, dass sie keine Alternative haben, dass sie nicht wissen, was sie nun eigentlich aufbauen wollen, nachdem sie alles zerschlagen haben, was ihnen heute nicht gefällt. Wie sähe denn nun Ihre Alternative aus, wenn das weibliche System der männlichen Dressur zerschlagen wäre?

Ich habe keine. Ich bin Schriftstellerin. Ich wollte etwas, was ich sehe, anderen bewusst machen. In meinen Augen ist das die einzige Funktion des Schriftstellers. Ich denke, es ist völlig legitim, wenn ich nicht gleichzeitig Alternativen gebe. Ich bin doch nicht der liebe Gott. Es wäre viel zu gefährlich, bei einem so grundlegenden Problem, wie es das Verhältnis zwischen Mann und Frau ist, irgendwelche Verhaltensmaßregeln zu geben. Wenn man etwas Neues denkt, etwas auf eine andere Weise sieht, dann handelt man ganz automatisch auch anders. Man wird Lösungen suchen und finden, wenn man sie braucht, aber ich möchte, dass diese Lösungen individuelle Lösungen sind und nicht solche, die ich empfehlen könnte. Die Verantwortung wäre zu groß. Ich sage nur: „Es brennt!“ Was andere mit dieser Nachricht anfangen, ist ihre Sache. Vielleicht löscht der eine oder andere, vielleicht lässt er alles abbrennen, vielleicht freut er sich über die Wärme, vielleicht ist er gut versichert, vielleicht ist er auch der Meinung, ich phantasiere. Das ist, wie gesagt, seine Sache.

Also keine Feuerwehr, sondern eine Sirene?

Ja.

Aber so wie die Sirene geheult hat, hat sie Millionen Frauen nicht nur in den Ohren, sondern auch im Kopf und im Herzen weh getan. Fühlen Sie sich nicht ein bisschen als Verräterin an Ihrem eigenen Geschlecht?

Ein solcher Verrat ist ehrenvoll.

Esther Vilar im Playboy-Interview 1972: „Die Frau hat überhaupt nicht gelernt, den Mann als ein menschliches Wesen zu sehen“

Wenn es stimmt, dass die Männer Lust an der Unfreiheit haben, und wenn es stimmt, dass die Frauen Genugtuung dabei empfinden, wie sie ihre Männer oder ihre Geliebten heute behandeln, warum soll man dann überhaupt etwas ändern?

Aber nein, die Frauen empfinden keine Genugtuung dabei. Der Mann ist der Frau überhaupt nicht wichtig genug, damit sie ihn absichtlich ruiniert, damit sie ihn absichtlich schlecht behandelt. Es ist nur so, dass die Frau überhaupt nicht gelernt hat, den Mann als ein menschliches Wesen zu sehen. Sie denkt von ihm in einer ganz anderen Art. Wie von einer Maschine, die materielle Werte produziert. Sie sieht ihn nicht als Mensch. Und deswegen will sie ihn überhaupt nicht quälen. Sie will nur, dass er gut für sie sorgt, dass er ihr alle Sorgen im Leben abnimmt, dass die Maschine funktioniert. Etwas ganz anderes ist die Sache mit der Lust an der Unfreiheit. Die würde natürlich verlorengehen, wenn die Frauen nicht mehr daran interessiert wären, die Männer zu versklaven. Wenn sie keine Forderungen mehr an sie stellen würden. Wenn sie beschließen würden, zum ersten Mal in der Geschichte, fair zu den Männern zu sein.

Was würde sich im Leben der Männer verbessern, wenn die Frauen Ihr Buch so begreifen würden, wie Sie wünschen, dass sie es begreifen?

Es würde sich im Leben eines jeden Mannes etwas anderes verändern. Ich sage verändern, nicht verbessern. Die Lust an der Unfreiheit würde, auf jeden Fall wie gesagt, verloren gehen. Die Männer sind darauf angewiesen, sich den Frauen versklaven zu dürfen, das ist ihre Rolle, darin besteht ihre „Männlichkeit“. Eine faire Frau würde sie in die Freiheit hinausstoßen, vor der sie ständig auf der Flucht sind.

Geht es hier um einen Widerspruch in Ihrer eigenen These? Wenn man davon ausgeht, dass denkende, schreibende Menschen nicht dazu da sein sollten, die Welt schlechter, sondern besser zu machen, die Leute glücklicher und nicht unglücklich zu machen. Wenn der Ansatz der ist, dass man sagt, der Mann fühlt sich nur in der Unfreiheit wohl, er fühlt sich nur in der Unfreiheit glücklich, warum soll man ihm dieses Glück nehmen?

Weil man sonst manipulieren würde. Wenn man jemandem etwas verschweigt, weil man sich sagt, es ist besser für ihn, wenn er das nicht weiß, dann ist das Manipulation. Man erklärt den anderen für unmündig. Außerdem sehe ich die Sache von der Warte der Frauen aus. Ich sehe, wie die Frauen diesen männlichen Hang zur Sklaverei so erbarmungslos ausnützen. Ich hatte nicht das Recht zu sagen: Es ist besser, der Mann bleibt blind und glücklich, als dass man ihm die Augen öffnet. Als Frau bin ich ja auf der Seite der Nutznießer des Systems.

Wie funktioniert in Ihren Augen das „System der Ausbeutung“? Was machen die weiblichen „Nutznießer“ denn wirklich so Böses?

Zunächst haben allein die Frauen die Wahl, ihr Leben einzurichten, wie sie wollen; ob sie lieber eine Karriere machen möchten oder ob sie lieber nichts tun möchten und zu Hause das Leben eines Luxusgeschöpfes führen. Diese Wahl haben die Männer nicht. Und man muss natürlich sagen, dass die meisten Frauen sich dafür entscheiden, das Leben eines Luxusgeschöpfes zu führen, denn das ist viel einfacher, als denken oder gar arbeiten. Sie werden von den Angeboten der Männer ständig korrumpiert. Keine sagt zu einem Mann: Wenn du mich liebst, dann werde ich bis an mein Lebensende für dich sorgen. Die Liebe der Männer wird nicht bezahlt, die der Frauen schon.

Beim Gespräch für unsere Jubiläums-Ausgabe lässt Esther Vilar das Interview von 1972 Revue passieren
Credit: Bernhard Huber

Nimmt die Zahl der Frauen, von denen Sie gesprochen haben, nicht eigentlich in den letzten beiden Jahrzehnten rapide ab?

Das ist, glaube ich, eine ganz falsche Interpretation der Statistik. Natürlich sind heute mehr Frauen berufstätig als früher. Es gibt ja, wie ich in meinem Buch geschrieben habe, die berufstätigen Frauen unter 25, also die, die den Beruf als Übergangslösung sehen. Frauen, die ihren Beruf aufgeben, sobald sie einen Mann gefunden haben, der für sie sorgt. Nicht aufgeben müssen, das möchte ich betonen, sondern ihn aufgeben und das sogar noch als Opfer tarnen, so dass der Mann ihnen das ganze Leben dankbar sein muss. Das andere sind die sogenannten emanzipierten Frauen, das heißt Frauen, die einen berufstätigen Mann haben, aber trotzdem arbeiten. Für diese Frauen ist der Beruf eine Art Amüsement, das sie sich frei aussuchen, und jederzeit wieder aufgeben können. Damit das so bleibt, braucht eine emanzipierte Frau unbedingt einen berufstätigen Mann. Sonst könnte die Arbeit allzu leicht in Zwang und Verantwortung ausarten. Lieber steckt eine Emanzipierte ihren Säugling in eine Kinderkrippe, als dass sie ihrem Mann erlauben würde, zu Hause zu bleiben und ihn zu pflegen.

Aber würden die Männer denn zu Hause bleiben wollen? Wären sie denn glücklich, wenn die Frauen ihnen die Sorgen abnehmen, wenn sie ihnen zum Beispiel nach der Scheidung Alimente zahlten?

Nein, und da sind wir wieder beim Ausgangspunkt. Das Problem ist klar umrissen, aber ich liefere dafür keine Lösungen.

Vieles, was sie eben gesagt haben, deutet darauf hin, dass Frauen Männer zu besseren Menschen machen. Die Männer werden treuer, die Männer arbeiten fleißiger, sie tun auch mehr für sich dadurch, sie finden eine größere Erfüllung in ihrem Leben. Warum soll das falsch sein? Sind denn das bessere Menschen?

Ich denke, die Frauen beuten die Männer aus, das heißt, sie arbeiten mehr, sie versklaven sich mehr, sie verausgaben sich mehr, wenn sie eine Frau haben. Natürlich, vom Standpunkt der Lust an der Unfreiheit aus ist es etwas Gutes für die Männer: Sie wissen, wohin sie gehören. Sie arbeiten sich zu Tode, aber sie aber sie wissen wenigstens, wem das zugute kommt. Denn wenn sie diese Frau und diese Kinder nicht hätten, dann würden sie augenblicklich jede Lust an der Arbeit verlieren, sie würden vielleicht irgendwelche seltsamen Abenteuer unternehmen. Etwas ganz Seltsames, das kaum Geld einbrächte, denn sie müssten ja nur für sich selbst sorgen und brauchten dafür kaum Geld. In meinen Augen rauben die Frauen den Männern alles, was lebenswert ist. Sie lassen ihnen nur die Sklaverei, die reine Sklaverei.  Aber, wie gesagt, die meisten Männer scheinen das vorzuziehen. Ihre Angst vor der Freiheit, ihre Sehnsucht nach Versklavung durch die Frauen ist größer als ihr Verlangen nach einem interessanten Leben. 

Esther Vilar im Playboy-Interview 1972: „Ein Mann, der von einer Frau zur anderen geht, sieht immer in der nächsten Frau die Freiheit. Tatsächlich verlässt er die erste Frau aber nur, wenn er schon den festen Boden der nächsten Liebe unter den Füßen hat“

Sie waren selbst verheiratet. Sie haben ihrem Mann die Lust an der Unfreiheit genommen und ihm die Lust an der Freiheit gegeben. Glauben Sie, dass er heute glücklicher ist?

Die Lust an der Freiheit kann man niemandem geben. Es gibt sie überhaupt nicht. Freiheit gibt es nur in dem Augenblick, wo man ein System verlässt, in dem man vorher engagiert war und zum nächsten geht. Man sieht immer das System, das man gerade verlassen hat, als das unfreie an, das nächste ist die Freiheit. Aber tatsächlich steckt man schon wieder im nächsten System drin. Ein Mann, der von einer Frau zur anderen geht, sieht immer in der nächsten Frau die Freiheit. Aber tatsächlich geht er eben von einer zur anderen, und er verlässt die erste Frau nur, wenn er schon den festen Boden der nächsten Liebe unter den Füßen hat.

Glauben Sie wirklich, dass Männer in jedem Fall nur dann ihrer Frau oder ihrer Geliebten davonlaufen, wenn sie bereits die nächste haben?

Natürlich gibt es andere Möglichkeiten. Jemand, der zum Beispiel sehr stark in einer politischen Idee engagiert ist, oder in einem Beruf, einer Religion oder sonst etwas, der braucht keine Liebe. Der kann es sich leisten, von einer Frau zur anderen zu gehen. Ich denke, dass zum Beispiel ein fanatischer Marxist – solange er ein fanatischer Marxist ist – sich niemals leidenschaftlich in eine Frau verlieben wird. Er mag Liebesaffären haben, aber das wird nie sehr tief gehen, – sein System ist der Marxismus, er braucht kein anderes, denn der Marxismus, oder sagen wir, diese bestimmte Spielart von Marxismus, zu der er sich bekennt – es gibt heute ja eine Menge solcher Spielarten, mit seinen strengen Regeln, bietet enorm viel Lust an der Unfreiheit. Aber im großen und ganzen wird ein Mann, der eine Frau verlässt, sie immer wegen einer anderen Frau verlassen. Denn sonst wäre er ja frei, und das will er auf jeden Fall vermeiden.

Die Hälfte der Menschheit lebt im kommunistischen System. Man kann darüber streiten, ob gern oder ungern. Unzweifelhaft ist die Tatsache, dass Millionen überzeugte Kommunisten sind, dass Millionen überzeugte Marxisten sind. Würden Sie allen diesen Männern ihre Liebesfähigkeit absprechen?

Ich glaube nicht, dass es so wahnsinnig viele ganz fanatisch überzeugte Kommunisten gibt, vor allem nicht im Ostblock. Wenn überhaupt, dann ist es dort meist ein sehr laues politisches Bekenntnis. Die wirklich engagierten Kommunisten sitzen im Westen, denn ein System wird in einer feindlichen Umwelt viel besser bestätigt und in sich gefestigt als in einer Umwelt, die ihm wohlgesonnen ist, und die es ständig fördern möchte. Doch zurück zu Ihrer Frage: Wenn man sich die großen Fanatiker dieses Jahrhunderts ansieht, dann wird man feststellen, dass sie alle keine festen Frauen hatten, angefangen von Hitler über Stalin, Castro, bis zu meinem Landsmann Che Guevara...

Sowohl von Che Guevara wie von Castro weiß man, dass sie eine ganze Reihe von nicht ganz so festen Frauen hatten.

Ja eben, das meine ich ja. Weil sie woanders engagiert waren, ihr System auf einer anderen Linie lag, sind sie in der Liebe, also in ihrem Verhältnis zu Frauen, völlig frei geblieben. Es gibt aber auch andere Möglichkeiten, in der Liebe souverän zu bleiben. Man kann Sex an sich zum System machen. Manche Männer tun das. Sie haben die Regel, dass man Sex möglichst häufig und möglichst selten mit der gleichen Frau konsumieren soll. Ein solcher Mann wird nur dann glücklich sein, wenn er diese Regeln streng befolgt. In einer Liaison, die länger als ein Jahr dauert, fühlt er sich wertlos, sie entspricht nicht den Regeln seines Systems. Auch so etwas bietet Möglichkeiten für Lust an der Unfreiheit – wenn auch relativ bescheidene im Vergleich zum System eines Stadtguerilla oder eines Zeugen Jehovas.

Wer die Unfreiheit verliert, sucht die nächste. Das ist wohl der Kern Ihrer These. Deshalb zurück zu einer etwas früheren Frage: Ihr geschiedener Mann hat das System Vilar verloren. Welches System hat er jetzt gefunden? Ist er Fanatiker geworden?

Das ist eine Frage, die nur er selbst Ihnen beantworten könnte. Was mich betrifft, so war die Scheidung eine Art formelle Angelegenheit. Ich wollte mich von dem System Ehe distanzieren. In der Art wie die Ehe im Augenblick von den Frauen gehandhabt wird, ist sie eine Institution zur maximalen Ausbeutung der männlichen Arbeitskraft. Um es mit einem Beispiel zu sagen: Wenn man eine verheiratete Frau ist, dann ist das so, als ob man in einem Apartmenthaus wohnt, von dem die Öffentlichkeit weiß, dass darin auch eine Gangsterbande residiert. Und man kommt aus diesem Apartmenthaus heraus und möchte allen Leuten sagen: Ja, ich wohne zwar in diesem Haus, aber ich gehöre nicht zu dieser Gangsterbande. So etwa ging es mir als verheiratete Frau, und deshalb zog ich den Ring vom Finger.

Als verheiratete Frau gehört man zu einem Mann. Um bei Ihrem Beispiel zu bleiben: Wenn man den Ring vom Finger zieht, gehört man nicht mehr zu dem Mann. Oder?

Das hat damit nichts zu tun. Wir sprechen vom System Ehe, nicht von der Liebe. Man kann ihm weiterhin gehören, oder auch nicht. Man hat wahnsinniges Glück, wenn man sich der Illusion hingeben kann, jemandem zu gehören, doch gelingt diese Illusion nicht jedem. Ihre Frage steht noch ganz im Zeichen von Großmutters Freiheitsideologie – oder wir lieber, Großvaters Freiheitsideologie, denn die Frauen haben noch nie etwas erfunden. Das Problem besteht heute, wie gesagt, darin, Freiheit abzugeben, nicht akkumulieren. Und Liebe bietet phantastische Möglichkeiten für Lust an der Unfreiheit.

Warum laufen Sie dann gerade eine Institution Sturm, von der wir von Ihnen selbst gehört haben, dass es auf den Partner ankommt, mit welchem Inhalt diese Form gefüllt wird? Wenn Liebe etwas Kostbares ist, wie Sie sagen, warum die Ehe abschaffen, die doch für meisten Leute nicht ein Symbol für Ausbeutung des Mannes, sondern für Liebe ist?

Ich laufe nicht gegen die Ehe. Ich bin weder für ihre Abschaffung noch für ihre Erhaltung. Ich mache keine Regeln für andere Leute. Wenn ich mich scheiden lasse, so ist das kein kategorischer Imperativ.

Fühlen Sie sich Ihrem geschiedenen Mann jetzt ebenso verpflichtet, wie Sie es als Ehefrau gefühlt haben?

Zwischen Wagn und mir besteht eine Partnerschaft, die sich auf diese gemeinsame Arbeit beschränkt, ansonsten jeder sein eigenes Leben.

Und diese gemeinsame Arbeit heißt Arbeit über die Lust an der Unfreiheit?

Bisher war es so. In unserem kleinen Autorenverlag, den wir gemeinsam betreiben, sind bisher ausschließlich Bücher zu diesem Thema erschienen.

Esther Vilar im Playboy-Interview 1972: „Alle sprechen von Freiheit, und kein Mensch überlegt mehr, was das eigentlich bedeutet. Menschen fühlen sich völlig verloren in der Freiheit.“

Versteht man Sie richtig, wenn man sagen würde, die Lust an der Unfreiheit ist ein von Ihnen neu entdeckter Urtrieb der Menschheit?

Ein Urtrieb, der untergegangen dieser Mode von Freiheitsideologien. Alle sprechen von Freiheit, und kein Mensch überlegt mehr, was das eigentlich bedeutet. Kein Mensch überlegt, dass Freiheit überhaupt nicht das Ideal der Menschen ist, dass sie sich völlig verloren fühlen in der Freiheit. Doch das ist nur der oberflächliche Aspekt. Tiefenpsychologisch betrachtet, ist es auch noch so, dass man nicht nur nicht frei sein will, sondern auch nicht frei sein kann. Das hat übrigens nichts mit dem Determinismus zu tun sondern mit der Struktur des Ich. Kurz gesagt: das Ich muss, um überhaupt sein zu können, von anderen definiert werden. Es ist dazu nicht selbst imstande. Das macht es so hoffnungslos abhängig. Sofern es ist, ist es unfrei, von anderen definiert, manipuliert. Ohne diese Definition von außen, die eine erniedrigende Manipulation ist, wäre es frei, – wenn es dann überhaupt sein könnte. Aber es kann nicht. 

Wir sprachen bisher von der Lust an der Unfreiheit des Mannes. Aber die Lust an der Unfreiheit ist ja etwas allgemein Menschliches, wie Sie behaupten. Sind die Frauen in diesem Sinn keine Menschen?

Auch die Frauen brauchen Systeme, selbstverständlich. Und zwar bedient sich die Frau – sofern sie nicht aus ihrer Rolle fällt, die ich nicht müde werde zu beschreiben – die Frau bedient sich des Systems „Weiblichkeit". Sie findet ihre Lust an der Unfreiheit im System des Weiblichen an sich. Die anderen Frauen bestimmen, wie sie sich benehmen soll, sie definieren bis ins Letzte die Rolle der Frau als Mutter, als Ehefrau, sie bestimmen, wie eine Frau sich anzuziehen hat, und so weiter. Die Frauen machen sich ihre Regeln selbst, und das ist ihr gigantischer Triumph: Sie sind vom Mann psychologisch ganz und gar unabhängig, während der Mann ihnen ganz und gar ausgeliefert ist.

Aber könnte man da nicht auch sagen, dass die Männer ihre Lust an der Unfreiheit im System Männlichkeit finden? Auch da gibt es strenge Regeln, denen man sich unterwerfen muss, um von den anderen Männern als Mann anerkannt zu werden.

Ja, aber das System Männlichkeit wird auch von den Frauen gemacht, durch Dressur. Davon handelt mein Buch.

Esther Vilar im Playboy-Interview 1972: „Es genügt, einfach eine Frau zu sein und einigermaßen die sekundären Geschlechtsmerkmale zu betonen“ 

Wir sprachen bisher vom „dressierten Mann" nur im Zusammenhang mit seiner Dressur durch die Frau. Wir sind jetzt bei dem Punkt, wo Ihrer Meinung nach der Mann auch durch den Beruf dressiert wird. Ist das nächste Vilar-Buch vielleicht frei von Anklagen gegen die Frauen, ist es eine Anklage gegen Abteilungsleiter, Generaldirektoren, Aufsichtsräte?

Nein, überhaupt nicht, denn ich denke, dass die berufliche Dressur etwas Sekundäres ist. Eine Firma bekommt ja einen Mann erst dann richtig in die Hand, wenn ihn schon eine Frau richtig in der Hand hat. Also, die Frau ist zuerst da. Und die Firma, die andere Art von Ausbeutung durch das System einer Firma, ist etwas Sekundäres, das dem Mann nur passieren kann, wenn er die Frau zu Hause hat und die Kinder, die er nicht verlassen kann, die er ernähren muss, wenn er der Welt Geiseln gegeben hat.

Die Abhängigkeit eines Mannes von der Frau in diesem Sinn geht Ihnen zu weit?

Die Abhängigkeit nicht, aber die Unverfrorenheit, mit der die Frau diese Abhängigkeit ausnützt.

Ist das nicht schon so, seit die Welt besteht?

Die Männer werden ja auch schon manipuliert, seit die Welt besteht. Natürlich nicht nur mit der Lust anderer Unfreiheit, die Frauen haben ja noch viele andere Hilfsmittel, zum Beispiel den Sex. Die Frau besitzt praktisch das sexuelle Monopol, das heißt: Sie hat gelernt, ihren Sexualtrieb zu konditionieren. Sie kastriert sich selbst, weil sie für Sex all das bekommt, was ihr noch lieber ist als Sex. Und während sie ständig versucht, den Sexualtrieb des Mannes anzustacheln, es so einzurichten, dass sie wie ein Köder auf ihn wirkt, dass er sie ständig begehrt, ist sie ständig in einer besseren Lage als er. Natürlich hat die Frau auch Spaß am Sex. Aber nur, sofern sie nichts Wichtigeres dafür entbehren muss. Beim Mann steht das an erster Stelle. Und deswegen kann sie ihn so gut manipulieren.

Vorausgesetzt, sie gefällt ihm.

Man braucht nicht sehr viel Zeit dafür aufzuwenden, um einem Mann zu gefallen. Es genügt, einfach eine Frau zu sein und einigermaßen die sekundären Geschlechtsmerkmale zu betonen. Diese ganzen Sachen, die die Frauen sonst noch machen: mit den drei Lidschatten, die sie auflegen, oder dem speziellen Puder; dass sie noch einen Konturen-Stift zusätzlich zum Lippenstift gebrauchen, damit die Lippen anders aussehen: diese Kleider, die sie auswählen, diese komplizierten Sachen, diese Hüte und alles, das ist doch nichts für die Männer. Das ist doch alles für die anderen Frauen, um ihnen zu imponieren.

Wenn Frauen sich nicht mehr schön machen, wenn Frauen das System überwinden, von dem Sie sagen, dass es überwunden werden muss, wird da die Welt nicht um eine ganze Portion farbloser, eintöniger?

Das kommt wieder ganz auf den Standpunkt an. Wenn man maskierte Menschen schön findet, dann wird sie allerdings farbloser. Wenn man denkende Menschen schön findet, dann wird sie aufregender.

Wenn es den Frauen seit ihrer Erschaffung, wie Sie festgestellt haben, Spaß macht, Männer zu dressieren, wenn das nach Ihrer Theorie geradezu der Lebensinhalt ist, was sollen die Frauen tun, wenn man ihnen das wegnimmt?

Es ist nicht so sehr der Lebensinhalt, als der Lebensunterhalt der Frauen. Wenn man ihnen das wegnimmt, dann müssen sie natürlich selbst etwas zu diesem Unterhalt beisteuern.

Frauen investieren natürlich auch, Frauen nutzen nicht nur aus, selbst wenn man Ihren Thesen sehr wohlwollend folgt. Frauen investieren die besten Jahre ihres Lebens in eine Gemeinschaft. Sie werden verlassen, wenn ihre Chance – Ihrer These folgend – immer geringer wird, einen Ernährer, einen Auszubeutenden zu finden. Frauen geben auch was. Wie soll man ihnen Gerechtigkeit widerfahren lassen, wenn der Fall eintritt, dass man sie verlässt, wenn man glaubt, ab heute oder in drei Wochen funktioniert unsere Gemeinschaft nicht mehr. Es wäre Heuchelei, es wäre Lüge, sie formal aufrecht zu erhalten, der Inhalt ist weg. Wie bekommt die Frau ihre Investitionen zurück?

Investieren – das ist genau der richtige Ausdruck. Deshalb kommt auch in jedem Ehestreit der Refrain: Ich habe dir die besten Jahre meines Lebens geschenkt! Aber was ist mit dem Mann? Hat er nicht auch die besten Jahre seines Lebens geschenkt? Warum nennt er es nicht Investition?

So lange der Mann weiterhin Geld verdienen kann, findet er sofort eine andere Frau, ein anderes Mädchen, meist eine jüngere, hübschere Frau. Für ihn geht das Leben weiter. Für die Frau ist die Situation ganz anders. Es geht in dieser Frage um die Gerechtigkeit den Frauen gegenüber. Es geht darum, dass man ihnen nicht nur pauschal den Vorwurf machen kann, sie nutzen die Männer aus, sie beuten sie aus, sie seien die Blutsauger, und die Männer sollten sich so schnell wie möglich von diesem System befreien. Ein Mann, der sich von dem System befreit, lässt die Frau, den Schwächeren, zurück. Was gibt man ihr dafür? Wie kann man Frauen Gerechtigkeit widerfahren lassen?

Sie überschätzen einfach den Wert des Mannes für die Frau. Das Leben der Frau hört nicht auf, wenn der Mann sie verlässt. Das sind Märchen, die die Frauen in Umlauf gesetzt haben. Wenn der Mann sie gut versorgt hat – er kann gar nicht anders, denn alle Scheidungsgesetze der Welt zwingen ihn dazu – dann hört das Leben für die Frau nicht auf. Insofern muss man sie vor nichts schützen. Der schlechtere Teil trifft immer den Mann. Denn er geht ja zu der nächsten Frau, die wieder ernährt werden will, die wieder Kinder von ihm haben will, damit die Versorgung gesichert ist. Der Mann kommt vom Regen in die Traufe. Und er merkt es nicht einmal, er denkt, er ist in einer phantastischen Lage, weil er zwei Frauen hat und weil seine Frau nicht zwei Männer hat. Aber das ist eine ganz falsche Rechnung.

Esther Vilar im Playboy-Interview 1972: „Wie groß der biologische Unterschied zwischen Mann und Frau auch sein mag – er ist keinesfalls groß genug, um ein Alibi zu bieten, dass das eine Geschlecht immer intelligenter wird und das andere immer schwachsinniger“

Wo immer in der Welt Wohlstand geherrscht hat, tauchte das Phänomen auf, dass Männer sich mehr als eine Frau gehalten haben – und sie haben sich anscheinend sehr wohl dabei gefühlt.

Solange sie die Frauen ernähren können, solange es ihnen leicht fällt, die Frauen zu ernähren, fühlen sie sich natürlich sehr wohl dabei. Wie gesagt, Sex ist etwas wahnsinnig Wichtiges für die Männer. Und wenn sie wählen können, dann wählen sie natürlich lieber eine junge Frau als eine alte. Aber das ist kein Gegenargument. Wenn Männer gute Ablösungen zahlen, dann sind die Frauen ganz zufrieden. Und die Gesellschaft findet auch nichts dabei, wenn die Frau von einem Mann verlassen wird, der eine gute Ablösung bezahlt. Das Problem beginnt dann, wenn der Mann wenig verdient und wenn er sich trotzdem in eine andere Frau verliebt. Dann endet das häufig in einer Tragödie, weil er einfach zwei Frauen nebst deren Anhang nicht ernähren kann.

Wir sind hier bei einem Punkt angelangt, der in Ihren sonstigen nachlesbaren Äußerungen nicht aufgetaucht ist: der biologische Unterschied zwischen Mann und Frau, der beiden andere Verhaltensweisen von der Biologie, von der Natur her aufzwängt. Glauben Sie nicht, dass das System, über das wir hier reden und das Sie angreifen, sich zum größten Teil zwangsläufig aus dem biologischen Unterschied zwischen Mann und Frau erklärt und überhaupt verwickelt hat?

Es gibt viele Theorien darüber, wie sich diese Sache entwickelt hat. Doch würde ich sagen, wie groß der biologische Unterschied zwischen Mann und Frau auch sein mag – er ist keinesfalls groß genug, um ein Alibi zu bieten, dass man das eine Geschlecht für das andere arbeiten lässt, dass das eine Geschlecht in den Krieg geschickt wird und das andere zu Hause bleibt, dass das eine Geschlecht immer intelligenter wird und das andere immer schwachsinniger.

Sie würden es im Sinne Ihrer Moral nicht für unmoralisch halten, wenn der Mann in der Konsequenz dessen, was Sie eben gesagt haben, zu seinen Lebzeiten auf das Sparbuch, auf die Bankanlage verzichten und sich ein schönes Leben macht?

Die Männer sind so gut abgerichtet, sie sind so gut manipuliert, dass das überhaupt nicht in Frage kommt. Die Frauen würden ihnen einfach alles verweigern, wenn die Männer sie finanziell nicht sichern würden. Sie hätten überhaupt keine Chance, wenn sie versuchen wollten, damit durchzukommen. Ein Mann, der keine Lebensversicherung zahlt, ist unmöglich.

Da Männer offenbar trotz allem ohne Frauen nicht leben können und nicht leben wollen, gibt es also in der konsequenten Verfolgung Ihrer Theorie zwei Möglichkeiten für die Männer: Entweder sie genießen die Lust an der Unfreiheit bei einer einzigen Dame, von der sie tyrannisiert oder – um mit Ihrem Buchtitel zu sprechen – dressiert werden. Das halten Sie für nicht gut, Sie halten es auch nicht gut für Frau und Mann. Die zweite Möglichkeit wäre, da der Mann nun schon mal Frauen braucht, munter – wie ihm gerade der Sinn steht – von einer Dame zur anderen zu gehen und sich statt der Lust an der Unfreiheit die Unlust an der Freiheit einzuhandeln.

Das ist aber nicht einfach. Der Trieb nach der Unfreiheit ist so stark, dass es niemandem gelingen kann, ihn zu überwinden. Man kann aus einer Leidenschaft nicht einfach aussteigen. Man kann nicht sagen, so, jetzt ist Schluss damit und jetzt mach' ich etwas anderes. Diese Frau nützt mich aus, ich suche mir jetzt eine andere. Das kann man nicht so kaltblütig sagen. Das geht nur, wenn dieses System durch ein nächstes unterwandert wird. Bis dahin ist man diesem besonderen System ausgeliefert.

Sollten Frauen toleranter werden in Bezug auf die sexuelle Treue ihrer Männer?

Um Gottes willen – noch toleranter? Sind sie nicht schon so tolerant, dass es zum Himmel schreit? Denn es ist doch einfach so, dass viele Ehefrauen, solange die Versorgung nicht gefährdet ist, sich praktisch für die sexuelle Treue ihrer Männer gar nicht interessieren. Sex ist für sie nebensächlich. Das erklärt auch, weshalb so viele frigide Frauen trotzdem heiraten. An dem sexuellen Aspekt der Ehe, der für Männer die Hauptsache ist, haben sie überhaupt nicht gedacht. Doch das hindert den Mann nicht daran, sich mit der Frigidität der Frau wie mit einer Krankheit zu befassen. Anstatt, dass er eine solch Frau fragt, was sie in seinem Bett überhaupt verloren hat – im Bett eines Mannes, den sie nicht begehrt – schickt er sie zum Psychotherapeuten.

Sehen Sie das als Frau nicht zu egozentrisch, dass sich alles, was ein Mann tut, arbeitet, schafft, an Karriere hinter sich bringt, nur auf die Frau bezieht? Glauben Sie nicht, dass es andere wesentliche Triebmomente in einem Mann gibt, um zu arbeiten? Glauben Sie nicht, dass im Selbstverwirklichungs-Spektrum eines Mannes die Frau darin nur ein Element ist?! Will ein Rennfahrer, der bei einem mörderischen Rennen zwei Stunden lang sein Leben riskiert, wirklich nur einer Frau imponieren oder ihr Geld nach Hause bringen, oder verspürt er nicht auch Ihrer Meinung nach ganz einfach eine männliche Lust daran, eine 400-PS-Maschine zu bändigen, zu beherrschen, zu Höchstleistungen anzutreiben? Hat das mit Frauen überhaupt etwas zu tun? Nächstes Beispiel. Glauben Sie, es hat mit einer Frau etwas zu tun, wenn ein Mann im Management einer großen Firma längst die Gehaltsstufe erreicht hat, wo er seine Frau standesgemäß ernähren kann, längst schon 14 Stunden am Tag arbeitet und trotzdem noch nach einer höheren Position strebt, die ihm gar nicht unbedingt mehr Geld bringt, eigentlich nur mehr Arbeit? Tut er das Ihrer Meinung nach wirklich nur für seine Frau? Tut er das nicht vielmehr, um ein Stück von sich selbst zu verwirklichen?

Ich würde selbstverständlich nie so weit gehen, die natürliche Aggressivität des Mannes ganz zu verleugnen. Aber ich glaube, sie wird überschätzt. Tatsache ist einfach, dass der Mann überhaupt nicht zu einer eigenen Wertskala kommen kann. Er wird schon von ganz klein an, schon als Baby, nach den Wertmaßstäben seiner Mutter abgerichtet, manipuliert. Er kann diese Wertmaßstäbe nie mehr richtig loswerden, er wird sich nur noch dann wohlfühlen, wenn er etwas im Sinne der Frau Wertvolles geleistet hat. Diese Sache ist so tief verwurzelt, dass man eigentlich nicht mehr richtig unterscheiden kann, was er nun aus eigener Initiative macht, oder was er deswegen macht, weil ihm beigebracht worden ist, dass er nur wertvoll ist, wenn er etwas leistet.

Eine Frau kann ihren Säugling durch ihre Brust ernähren, ein Mann kann das nicht. Deswegen die Unmöglichkeit, das System zu ändern, Müttern die Söhne wegzunehmen, die Söhne von dem unheilvollen Einfluss der Mutter zu befreien.

Ich sage ja nicht, dass man das machen soll. Wer es aber machen will, der kann es tatsächlich sehr leicht tun, denn es gibt ja heute künstliche Säuglingsnahrung, und die meisten Babys werden ja schon künstlich ernährt. Man könnte also ohne weiteres sofort, von einem Tag zum anderen, die Rollen vertauschen. Die Mütter gegen die Väter eintauschen. Ich betone: gegen Väter, nicht gegen staatliche Institutionen wie Kinderkrippen und Ganztagsschulen, wie es das höchste Ideal der Frauenrechtlerinnen zu sein scheint.

Wie viele Generationen, glauben Sie, braucht ein Umerziehungsprozess, um statt Kindermädchen eine Generation von Kindermännern – die von ihrem Beruf überzeugt sind – zu etablieren?

Die Sache ist deswegen beinahe unmöglich, weil eben die Männer so wahnsinnig gut manipuliert werden. Sie werden von den Frauen so abgerichtet, dass sie unglücklich sind, wenn sie Frauenarbeit verrichten. Frauenarbeit ist für sie wertlose Arbeit; ein richtiger Mann macht richtige Arbeit auf einer Baustelle, in einem Büro oder in einer Fabrik. Diese Methode, die ich Dressur durch Selbsterniedrigung der Frau nenne, wirkt einfach hundertprozentig.

Sie sind nicht gerade eine Freundin der Frauenbefreiungsbewegung. Nach allem, was man gehört und gelesen hat, beruht dieses Verhältnis auf Gegenseitigkeit. Stimmt das?

Ja, ich denke schon. Aber auch das ist vielleicht im Grunde ein Missverständnis. Nehmen wir einmal an, dass Freiheit ein lohnendes Ziel wäre – ich finde den Gedanken zwar absurd, aber nehmen wir es ruhig einmal an – dann wäre die Befreiung der Frau die Befreiung der Frau von ihren Privilegien. Und das würde automatisch auch die Befreiung des Mannes bedeuten. Die Frauenbefreiungsbewegung kämpft einfach gegen den falschen Feind. Sie kämpft gegen den Mann und müsste in Wirklichkeit gegen die Frau kämpfen.  Doch um ihr System aufrecht zu erhalten, brauchen diese Frauen den Wahn, von Männern verfolgt zu sein. Aber sind sie verfolgt? Welcher Mann ist denn schon Mao und Franco, Wallace und Ted Kennedy – alle sind sie doch für die Befreiung der Frau, oder? Man muss natürlich unterscheiden zwischen der europäischen Frauenfreiheitsbewegung, die ich für eine Imitation halte, und der in den USA. Dort ist die Bewegung zwar genauso kurzsichtig, aber wenigstens echt. Da es der Durchschnittsamerikanerin noch viel besser geht als den Frauen sonst wo, ist auch die Diskrepanz zwischen einer Frau mit Arbeitssklaven und einer, die ihr Brot selbst verdienen muss, viel größer als in anderen Ländern. Eine Frau verzichtet auf viel mehr, wenn sie auf den Mann verzichtet. Das heißt, das gleiche System, das dem größten Teil der amerikanischen Frauen so unendlich viele Vorteile bringt, musste sich notgedrungen gegen eine Minderheit kehren: gegen die nach männlichen Maßstäben unattraktiven Frauen. Und diese Frauen haben sich jetzt gewehrt, oder auch gerächt, wenn sie auch ihre Wut an den Falschen auslassen. 

Es gibt natürlich noch einen Grund, gerade in Amerika eine solche Bewegung anzufangen. Wegen der angespannten Lage auf dem amerikanischen Arbeitsmarkt ist es ja tatsächlich so, dass ein Arbeitgeber eine offene Stelle lieber mit einem Mann als mit einer Frau besetzt. Aber warum? Weil er weiß, dass die Frau, wenn sie heiratet und Kinder bekommt, ihre Stellung in den meisten Fällen aufgeben wird. Der verheiratete Mann gibt seine Stellung nicht auf. Der verheiratete Mann mit Kindern ist der zuverlässigste Angestellte, den man sich überhaupt vorstellen kann. Aber die Entscheidung für den Mann und gegen die Frau ist nicht nur profitabler: Sie ist auch die humanere. Der Mann wird mit seinem Gehalt mehrere Menschen ernähren, die Frau bestenfalls sich selbst. Denn es gibt keine Frau, die dazu bereit wäre, einen gesunden Mann und dessen Kinder bis an sein Lebensende – ich betone: bis an sein Lebensende, nicht vorübergehend – zu versorgen und zu ernähren. Und deswegen kann der Arbeitgeber sich leichter für den Mann entscheiden. Aber soll man den Männern dafür die Schuld geben oder den Frauen?

Eine interessierte Männerwelt verfolgt seit einigen Jahren – zumindest in Europa – eigentlich mehr amüsiert als schockiert die Aktivitäten der Frauenbefreiungsbewegung, die die Frauen von den Männern befreien will. Sind Sie nicht dabei, das Gegenstück dazu zu entwickeln: die Männerbefreiungsbewegung? Glauben Sie nicht, dass Sie damit zwangsläufig Gefahr laufen, dass die betroffenen Frauen diese Thesen ebenso amüsiert zur Kenntnis nehmen werden wie die Männer das ganze Women's-Liberation-Programm?

Man droht mir mit Bomben, man will mir den Schädel einschlagen, man demoliert – wie etwa in Norwegen – das Büro meiner Verleger, man sprengt Podiumsdiskussionen und setzt Buchhändler unter Druck. Da scheint das Amüsement nicht allzu groß zu sein. In England hat man sogar mein Hotel gestürmt.

Esther Vilar im Playboy-Interview 1972: „Die intellektuellen Frauen sind diejenigen, die die Verantwortung an der ganzen verfahrenen Situation tragen“

Vertragen Männer mehr Kritik als Frauen?

Sie können lachen, weil Sie keinen Grund haben, sich betroffen zu fühlen. Die Tatsachen sprechen so gegen alles, was Women's Liberation sagt. In einem Land wie den USA, wo die Männer wirklich so in ihren Beruf gehetzt werden und in dem sie von den Frauen, die zu Hause sind, so wahnsinnig ausgeplündert werden – da kann man einfach nur lachen über eine Bewegung wie Women's Liberation. Ich denke, Women's Liberation ist eine reaktionäre Bewegung – zumindest in Amerika – denn es geht dem Mann nirgendwo auf der Welt schlechter als dort. Solange diese Frauen so laut schreien, kann niemand auf die Idee kommen, dass eigentlich der Mann das Opfer ist, Women's Liberation ist – so gut vielleicht auch die Absicht sein mag – für mich eine zutiefst unmoralische Bewegung.

Es ist hier das erste Mal, dass Sie sich über diese Bewegung äußern – und die Schärfe, mit der Sie es tun, ist überraschend. Können Sie etwas eingehender präzisieren, warum gerade diese Frauen Sie so sehr in Harnisch bringen?

Die intellektuellen Frauen sind diejenigen, die die Verantwortung an der ganzen verfahrenen Situation tragen. Es ist leicht verständlich, da die Männer die falschen Ideen über die Frauen hatten, denn sie sind so manipuliert, da sie denken müssen:

1. Sie hätten die Macht über die Frauen.
2. Sie würden diese Macht dazu missbrauchen, die Frauen zu unterdrücken.

Aber die intellektuellen Frauen hätten nicht auf diese Linie mit einschwenken dürfen, wie sie es getan haben. Statt selbst nachzudenken, haben sie einfach die männliche Idee über die Frau kopiert – wie sie alles kopieren, was die Männer schaffen. Sie haben nicht bedacht, dass die Vorstellungen der Männer über sie das Produkt ihrer Dressur waren, und sie sind so, durch das Imitieren, Opfer ihrer eigenen Manipulation geworden. Es ist ihnen kein Licht aufgegangen, sie haben überhaupt nichts begriffen. Sie haben nicht gesagt, wir sind nicht so wunderbar und so ausgebeutet und so unterdrückt und wunderbarer, als Ihr es euch in euren Männerhirnen vorstellen könnt!

Sie haben einfach diese männliche Idee über die Frauen kopiert und haben sie weiterentwickelt. Sie sind der Frucht ihrer eigenen Manipulation aufgesessen. Zum Beispiel hätte Simone de Beauvoir damals als sie „Das andere Geschlecht" schrieb, die Möglichkeit gehabt, das erste Buch über die Frauen zu schreiben. Sie hat es nicht getan. Statt die Frauen einmal wirklich genau anzusehen, hat sie einfach die Bücher der Männer durchgelesen und natürlich überall Zeichen dafür gefunden, dass die Frauen von den Männern unterdrückt werden, weil es eben die Männer so sehen. Sie hat die Männer kopiert und damit die Frauen zu Objekten männlicher Wohltätigkeit gemacht. Und genauso ging es mit den anderen Schriftstellerinnen, die über die Frauen schrieben, zum Beispiel Betty Friedan, Kate Millett und Germaine Greer. Sie sind einfach der falschen Spur weiter gefolgt und haben nicht noch einmal von vorn alles überprüft. Und so ist es eigentlich bis jetzt geblieben. Die männliche Idee über die Frau wird immer und immer wieder neu aufgerührt, doch über die Frau wird nichts mitgeteilt. 

Women's Lib konnte keinen Erfolg haben, weil die Idee von der unterdrückten Frau eine Fiktion war. Mit einer Fiktion lässt sich nicht gut Revolution machen. Die unterdrückten Frauen, für die sie gekämpft haben, sind nicht aufgestanden. Nachdem die erste Amerikanerin auf einem Telefonmast, die erste Klempnerin, die erste Möbelpackerin fotografiert waren, hat sich die Aufregung gelegt. Es ist schließlich kein reines Vergnügen, Telefonleitungen zu verlegen. Und Frauen können wählen, ob sie sich so abquälen wollen oder nicht. Die Männer haben keine Wahl – das ist der große Unterschied.

Diese für alle Angehörigen der Women's Liberation-Bewegung schmerzhafte Erfahrung auf Sie angewendet: Glauben Sie, Sie bekommen die Gefolgschaft der Männer in diesem Fall?

Ich hoffe es nicht. Das Schlimmste, was mir passieren könnte, wäre eine Gefolgschaft. Aber das kann mir eigentlich nicht passieren, denn ich habe ja, wie gesagt, keine Verhaltensregeln in mein Buch gepackt. Ich kann mir Freunde und Feinde machen, aber keine Jünger. 

Sie wollten also mit Ihrer These vom „dressierten Mann“ die Welt nicht verändern. 

Ich wollte sie nur besser erklären.

Die bewegte Frau
Autorin Esther Vilar verriet uns, dass sie die erste deutsche Playboy-Ausgabe, der sie als 36-Jährige das große Premiereninterview gab, noch immer besitzt
Credit: Bernhard Huber

Esther Vilar, 86, mit unserer ersten Ausgabe von 1972. Damals machte die 1935 als Tochter deutscher Auswanderer in Buenos Aires geborene Ärztin und Schriftstellerin, die in Argentinien Medizin studiert hatte und 1960 nach München gezogen war, mit ihrem ersten Buch, der Streitschrift „Der dressierte Mann“, Furore. Heute blickt sie auf eine große literarische Laufbahn zurück – als Autorin von 21 Theaterstücken, fünf Romanen und 13 Sachbüchern.