Playboy-Musik-News: Warum Musik immer simpler wird – und was die Antilopen Gang dagegen tut

Die Antilopen Gang beim Konzert 2018 in Würzburg
Credit: IMAGO / HMB-Media

Die Songs werden kürzer, die Texte simple, sagt jetzt (auch) die Wissenschaft. Dass es anders geht, hat die Antilopen Gang letzte Woche mit einem Lied gegen Antisemitismus gezeigt. Warum selbst die Ärzte da nicht mithalten können …

Im Jahr 2016 erhielt Bob Dylan – als erster Musiker überhaupt – den Liternaturnobelpreis. Dylan, dessen Lieder gerne auch mal die Zehn-Minuten-Marke überschreiten, enthielten „poetischen Neuschöpfungen in der großen Amerikanischen Songtradition“, wie es im Zuge der Preisverleihung hieß.

Ein Meilenstein, der in naher Zukunft von keinem anderen Musiker erreicht werden dürfte. Nicht nur, weil Dylans Werk sich bis heute über sieben Jahrzehnte spannt, sondern auch, weil heutige Musik – und insbesondere Songtexte – immer simpler werden.

Playboy-Musik-News: Popmusik wird zunehmend einfacher und leichter verständlich

Das soll nun eine Studie zeigen, für die ein Forscherteam kürzlich mehr als 350.000 englischsprachige Songtexte analysierte. Dafür untersuchten sie 12.000 Lieder aus den Genres Rock, Rap, Country, R&B und Pop mittels aufwendiger Computeranalyse. Mit dem Ergebnis, dass die Popmusik über die letzten 50 Jahre kürzer, simpler und die Texte zunehmend repetitiver würden.

„Wir haben herausgefunden, dass die Texte der Popmusik über die Zeit einfacher und leichter verständlich geworden sind“, lautet das Fazit der Studienleiter. Außerdem fanden sie heraus, „dass die in den Texten beschriebene Emotionalität in den vergangenen fünf Jahrzehnten negativer und persönlicher geworden ist.“ Falls Sie sich also zunehmend über seichte Popsongs oder wehleidigen Gesang beschwerten, haben Sie jetzt eine wissenschaftliche Grundlage für ihre Kritik. 

Natürlich gab es genreübergreifend schon immer Kompositionen mit mehr und weniger komplexen Ideen. Und der Punk etwa lebt von seiner Kürze, Simplizität und Direktheit. Aber in Zeiten, in denen Lieder mit dem Spotify-Algorithmus im Kopf geschrieben werden, scheint die Simplifizierung zuzunehmen. „Das Musikstück muss in den ersten zehn bis 20 Sekunden überzeugen, sonst wird zum nächsten Lied gewechselt“, so die Erklärung der Studienleiterin. Für die Gründe gibt es aber weitere Vermutungen. So diene Musik heute mehr als Hintergrundbeschallung, für die weniger auffällige Musik sich besser eignete. Zudem verwiesen die Autoren der Studie auf eine weitere Untersuchung Arizona State University, wonach neue Lieder immer dann einfacher würden, wenn die Konkurrenz am Musikmarkt besonders hoch sei.

Playboy-Musik-News: Die Antilopen Gang setzt mit „Oktober in Europa“ ein Zeichen gegen Antisemitismus in den eigenen Reihen

Dass aktuelle Musik nicht simpel sein muss, um Beachtung zu finden, bewies vergangene Woche die Antilopen Gang mit ihrem neuen Song „Oktober in Europa“.

Im Lied kritisieren die Musiker schonungslos Antisemitismus innerhalb des linken politischen Spektrums, der in Folge der Terrorangriffe der Hamas am 7. Oktober 2023 in Deutschland sichtbar wurde. „Heute sind die größten Antisemiten alle Antirassisten, gegen Hass und für Frieden“, heißt es in „Oktober in Europa“ und „ Im September hab' ich vor der roten Flora noch Klavier gespielt – siebentausend Antifas machen ein'n auf Wir-Gefühl – Trän'n fließen bei dem Lied ‚Mein Vater wird gesucht‘ Und ein'n Monat später waren alle seltsam ruhig.“

Damit darf das Lied als Abrechnung mit Teilen der eigenen Fans und der kulturellen Linken, denen sich die Antilopen Gang eigentlich selbst zugehörig zugeordnet wird, gesehen werden.

Wenig verwunderlich also, dass der Song eine Debatte nach sich zog. Vor allem auch deshalb, weil die „Bild“ – traditionell eher Feindbild der Linken – das Lied wohlwollend aufnahm. Selbst Lob aus dem Kanzleramt kam für „Oktober in Europa“ und das trotz der Zeile „Und der Kanzler hört sich so bestürzt an. Danach trinkt er Tee mit den Mördern.“ Die Antilopen Gang kritisiert mit dem Lied die eigene Szene von innen – und das kann nur wehtun.

Wie schwierig es ist „Musik mit Message“ zu machen, zeigt eine weitere Single, die ebenfalls letzte Woche veröffentlicht wurde. In „Demokratie (Our bass player hates this song)“ besingen Die Ärzte die Wichtigkeit zur Wahl zu gehen. Auch dieser Song sorgte für Diskussionsstoff, allerdings bereits innerhalb der Band, wie der Titel vermuten lässt. Arno Frank, Kulturjournalist des Spiegel, verglich den Song in einem Kommentar beim Sender Radio Eins mit „Oktober in Europa“ und kritisierte das Lied, das niemandem wehtue und so klänge „als wäre es eine Auftragsarbeit für die Bundeszentrale für politische Bildung“.

Ursprünglich hatten die Ärzte gar nicht vor, eine weitere Single aus ihrem letzten Album „Dunkel“ auszukoppeln. Wegen der im Juni stattfindenden Europawahl und den hohen Umfragewerten der AfD, entschied sich die Band nun doch dazu, den Song zu veröffentlichen. Dass sich Musik und Demokratie manchmal gleichen, zeigt die neue Ärzte-Single dann aber doch in einer Textstelle: „Sie ist das Beste, was wir haben, aber längst noch nicht perfekt“

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