DRIVE – Der Playboy Mobility-Guide 2022
Magazin
Drive – Der PLAYBOY Mobility-Guide 2022

Inhalt

EINSTIEG

Zehn Menschen, die uns bewegen: Von der jungen Rennfahrerin, die ihre Karriere selbst finanziert, bis zur ersten deutschen Astronautin im All   

News & Essentials: Große und kleine Spielzeuge für Automobil-Fans

COVER-STORY

Elon Musk – Retter oder Egomane? Noch nie stieg ein Unternehmer zu solchem Superstar- Status auf wie der SpaceX- und Tesla-Boss, der die Welt rätseln lässt: Will er der Menschheit dienen oder sich?

TRENDS

Testfahrt in die Motorsport-Zukunft: Das 10-Millionen-Euro-Unikat Porsche Mission R macht Lust auf Vollstrom auf der Rennstrecke 

Schlagabtausch – Sprit vs. Strom: Ein Petrolhead und Porsche-Fahrer aus Leidenschaft tritt gegen einen umweltbewussten Tesla-Piloten an

Opel Rocks-E – ein Moped mit vier Rädern: Unterwegs mit acht PS im neuesten Teenie-Mobil

Ganz große Klasse – sieben Super-SUVs: Immer mehr Hersteller setzen auf sportliche Gelände- wagen. Wir präsentieren Ihnen einfach die besten

Das schnellste Auto der Welt: Der Bugatti Chiron Super Sport bringt es auf über 490 km/h – wir drehten eine Runde um Molsheim

Rollende Festung: Der Mercedes S 680 Guard schützt Kaiser und Kanzler. Unterwegs im Nummer-sicher-Wagen

MENSCHEN

Mann unter Strom: Der 34-jährige Unternehmer Mate Rimac baut Elektro-Hypercars und hilft großen Marken wie Bugatti bei der Elektrifizierung. Wie macht er das? 

Auto-Gestalter Peter Schreyer: Der Formgeber des Audi TT und des VW New Beetle erklärt das Kia-Markengesicht und was ihn inspiriert

Great Britain’s grösster Designer: Paul Smith über Mode- und Mobilitäts-Trends und was er mit seinem elektrifizierten Mini bewirken will   

Der Herr der Ringe: Die Formel 1 boomt wie nie zuvor – wie hat ihr Chef Stefano Domenicali das hingekriegt? Ein Porträt

REISE & ABENTEUER

Luxus-Reisen im Zug: Es muss nicht immer die Freiheit der Straße sein. Tipps für höchste Urlaubs-Genüsse auf der Schiene

Gadgets für unterwegs: Stylishe Begleiter für Ihren nächsten Trip

Mit dem Land Rover über Land und Wasser: Der Kanadier Jeff Willner will mit seinem Defender von London nach New York fahren. Und schwimmen ...

LIFESTYLE & EROTIK

Auto-Uhren: Die coolsten Zeitmesser mit Rennsport-Gen und Chronometer-Funktion

Auto-Erotik: Der Fotograf Camilo Rios alias Riocam inszeniert am liebsten edle Autos mit schönen Frauen. Und zeigt uns auch genau, warum

Modell-Sammler: „Modellfahrzeug“-Chefredakteur Andreas A. Berse über die vielleicht männlichste aller Leidenschaften

Mit über 490 km/h Spitzengeschwindigkeit gilt der Bugatti Chiron Super Sport derzeit als schnellster Serienwagen. Wie sich das 1600-PS-Monster auf der Straße anfühlt, haben wir rund um Molsheim ausprobiert.

„Eine Wahnsinnsgeschwindigkeit! Eigentlich unvorstellbar, dass ein Auto das schafft!“, staunt Andy Wallace noch heute. Am 2. August 2019 trieb der Le-Mans-Sieger einen Prototyp des Bugatti Chiron Super Sport auf sagenhafte 490,48 km/h. Weltrekord! Bis heute. Wallace glaubt sogar, dass es noch schneller ginge. Bis es so weit ist, legt Bugatti jedoch erst einmal einen straßenzugelassenen Chiron Super Sport auf Basis des Rekordfahrzeugs auf.

Der einstige Volkswagen-Patriarch und Reanimateur der Marke, Ferdinand Piëch, hätte seine Freude daran. Er, der Bugatti 1998 für den Volkswagenkonzern kaufte, um Straßenfahrzeuge der Superlative zu entwickeln, die er trocken als „Ausnahmesportwagen“ bezeichnete, begleitete jeden noch so kleinen Entwicklungsschritt persönlich. Alle Zielvorgaben der bisherigen Baureihen Veyron und Chiron gehen auf ihn zurück. Dass er noch zu Lebzeiten die Rekordgeschwindigkeit des Chiron Super Sport jenseits von 483 km/h (also genau 300 mph) vorgegeben hatte, ist anzunehmen. Er verstarb 23 Tage nach Andy Wallaces Rekordfahrt.

Bugatti Chiron Super Sport: Wer ihn fährt, braucht einen stabilen Kreislauf, äußerste Konzentration und Disziplin

Heute fahren wir das erste Serienauto auf Basis des Prototyps, und Andy Wallace hat ausnahmsweise auf dem Beifahrersitz Platz genommen. Er weiht mich ein in die Finessen des 1600 PS starken Zweisitzers. Und natürlich wacht er auch darüber, dass ich mich nicht in einem Rausch der Selbstüberschätzung verliere. Denn 1600 Nm Drehmoment schon ab 2250 U/min abzurufen verlangt neben einem stabilen Kreislauf, äußerster Konzentration und Reaktionsschnelligkeit auch enorm viel Disziplin. Vorweggeschickt sei allerdings: Ein Rennbolide ist dieser Chiron Super Sport keineswegs. Und darin liegt seine einzigartige Faszination. Doch der Reihe nach.

Auf den meisten Straßen rund um das Werk im französischen Molsheim gilt ein Tempolimit von 80 km/h - nicht einmal ein fünftel der Höchstgeschwindigkeit des Bugatti Chiron Super Sport
Credit: Bugatti

Bugatti Chiron Super Sport: Willkommen in der analogen Welt der Superreichen

Nur wenige Zentimeter überm Asphalt machen wir es uns in einer edel belederten Sitzschale vor dem Multifunktionslenkrad aus Sichtcarbon, Aluminium und Leder bequem. Abgesehen von der Schale des Gurtschlosses ist kein Kunststoff verbaut. Wir sehen Rundinstrumente auf verschiedenen Ebenen, es gibt Zeiger und wenige Digitalanzeigen. Zwischen Andy und mir liegt eine vertikal erhabene Drehschalter-Leiste aus Carbon. Am unteren Ende nimmt sie den Schalthebel auf. Willkommen in der analogen Welt der Superreichen, die eine intuitive Bedienung mittles haptischer Schalter aus Aluminium einer Steuerung über berührungssensitive Displays vorziehen. Ein Tablet ließe sich auch gar nicht installieren, weil die elektronische Plattform dafür fehlt. Das schnellste Auto der Welt beruht auf einer Architektur, die Anfang 2000 entstand.

Innenraum des Bugatti Chiron Super Sport
Credit: Bugatti

Bugatti Chiron Super Sport: Voll auf Speed

Sobald der Schlüssel im Schacht verschwindet, erweckt ein Druckschalter im Lenkrad das mächtige Herz. Es bollert kurz auf und fällt dann in einen tief grummelnden Leerlauf zurück. Die erste von sieben Stufen des Doppelkupplungsgetriebes rastet klackend ein, der Gasfuß fällt, und das Spektakel nimmt seinen Lauf. Adrenalin und ein wenig Schweiß treiben jetzt auch den eigenen Körper auf Hochtouren. Begleitet vom schlürfenden Einatmen der vier neuen Turbolader, hebt das Triebwerk seine Stimme. Ich fühle mich an das Rauschen der Niagarafälle erinnert. Das Grollen mündet in Getöse, nimmt ein bedrohliches Ausmaß an und dringt als Warnung vor Übermut ins Ohr.

Derweil klammert sich der Pilot ans Lenkrad, versucht, den Kopf aufrecht zu halten. Nur nicht den Blickkontakt zur Straße verlieren! Warum kribbelt’s plötzlich in den Füßen? Weil die Wahnsinnsbeschleunigung das Blut aus den Beinen weichen lässt. Die Konzentration auf die Straße verschlägt einem den Atem, mit jedem Gangwechsel scheint die Straße schmaler zu werden. Der Bugatti Super Sport strebt mit überirdischer Gewalt Richtung Horizont. Nach 2,4 Sekunden ist die 100 km/h-Marke vernascht. Genau dann, wenn der zweite Gang reinknallt. Wie praktisch, das erspart den Blick auf den Tacho. Nach weiteren 3,4 Sekunden sind 200 km/h geknackt. Kurz darauf springt der dritte Gang ein. Wer sich 12,1 Sekunden lang traut, den Fuß nicht vom Gaspedal zu nehmen, erreicht die 300 km/h. Und wem nach 28,6 Sekunden nicht schlichtweg die Straße ausgeht, zeigt der Tacho 400 km/h an.

Erst bei 440 km/h schiebt die Elektronik dem Treiben einen Riegel vor, zuvor springt noch rasch der siebte Gang ein, bei genau 415 km/h. Doch halt: Für Geschwindigkeiten über 380 km/h muss zuvor der „Top Speed“-Modus angewählt und mit einem zweiten Schlüssel links vom Fahrersitz freigeschaltet werden. Daraufhin senkt das adaptive Luftfederfahrwerk die Karosserie vorn auf 80 und hinten auf 89 Millimeter ab. Jetzt passt kaum mehr eine Hand zwischen Unterboden und Straße. Gleichzeitig fährt der Heckspoiler bis auf ein Grad Neigung fast völlig ein. Der 4,77 Meter lange und jetzt 1,13 Meter flache Bugatti macht sich schlank.

Bugatti Chiron Super Sport: Perfektion in jedem Detail

Krönte ab 2016 bereits das Basismodell Bugatti Chiron mit 1500 PS die heute 136 währende Ära von Automobilen mit Verbrennungsmotor, so reizt Bugatti dessen Potenzial mit zahlreichen Sonderserien jetzt noch weiter aus. Etwa mit dem 60-mal gebauten Chiron Pur Sport, der für extreme Querbeschleunigung zum Kurvenfeger verfeinert wurde. Noch seltener zu sehen sein wird aber der neue Chiron Super Sport, dessen Längsdynamik alle weltweit verfügbaren Serienfahrzeuge in den Schatten stellt. Neben der Leistungssteigerung seines aufgeladenen 8,0-l-W16-Mittelmotors um 100 PS und neuen Leichtbauteilen, die den Sportwagen um 23 Kilo auf unter zwei Tonnen Leergewicht abspecken, führen ins- besondere konsequente aerodynamische Maßnahmen zum Ziel. Auffälligstes Merkmal: sein um 25 Zentimeter verlängertes Heck, dessen Zweckes ist, die Laminarströmung bei hohem Tempo so lange wie möglich an der Karosserie zu halten. Gleichzeitig wandert die Abrisskante des vergrößerten Diffusors etwas nach oben. Am Ende ist das gesamte Abrissgebiet 44 Prozent kleiner, was den hier entstehenden bremsenden Sog entsprechend reduziert. Genau wie bei einem Le-Mans-Rennwagen. 

Wie die Entwicklungsingenieure um jede Kleinigkeit rangen, um Luftwiderstände abzubauen, demonstrieren die neu angeordneten vier Endrohre der Titan-Abgasanlage. Sie enden jetzt zu zwei Paaren übereinander gestapelt außen. Der Heckdiffusor bekommt dadurch einen höheren Wirkungsgrad. Vorne gibt es außerdem neue Air Curtains neben den Lufteinlässen, um die Strömungen möglichst eng an der Karosserie zu halten. Hinzu kommen Löcher über jedem Rad, die den Überdruck in den Radhäusern abbauen. Auch auf den Ypsilon-Speichen-Rädern aus Aluminium steht der Super Sport exklusiv. Optional werden die nochmals leichteren Magnesium-Räder as dem Pur Sport verbaut.

Nicht nur die schiere Beschleunigung beim Geradeausfahren mit dem 1600 PS starken Bugatti Chiron Super Sport überzeugte unseren Autor Jürgen Zöllter, sondern auch die gute Querdynamik in den Kurven
Credit: Bugatti

Unterwegs im „Handling“- oder „Autobahn“-Modus gibt es Freiraum für unterhaltsame Fahrmanöver. Beide Fahrprogramme erlauben bis zu 380 km/h. Das sollte im Alltag in der Regel ausreichen – und offenbart gleichzeitig die Leichtigkeit, mit der auch ungeübte Kunden so viel Kraft und hohe Fahrdynamik meistern können. Abgesehen von den gewöhnungsbedürftig breiten Außenmaßen von 2,18 Metern (inklusive Außenspiegel), die im Stadtverkehr und Baustellenbereichen auf der Autobahn immer bedacht werden müssen, fährt man den Chiron Super Sport im Alltagsverkehr wie jeden anderen Gran Turismo. Seinen Reisekomfort erreicht kein anderer Supersportwagen. Das adaptive Luftfahrwerk des vollständig aus Kohlefaser gebauten allradgetriebenen Bugatti überträgt kaum mehr als die Abrollgeräusche der von Michelin exklusiv für den Chiron Super Sport angepassten Reifen (20 Zoll vorn und 21 Zoll hinten) in den Fahrgastraum.

Fahrassistenzprogramme sucht man jedoch vergeblich. Einmal abgesehen von der Sendersuchlauf-Funktion im Entertainmentsystem sind außer ABS und ESP mit integrierter Schlupfregelung lediglich zwei geregelte Differenzialsperren verbaut. Vorn als Längs- und hinten als Quersperre. Für die heute in jeden Mittelklassewagen integrierten Helfer wie Notbrems-, Spurhalte oder gar Einparkassistent fehlt dem Bugatti die geeignete Elektronikplattform. Auch in dieser Hinsicht bleibt der Chiron ein Geselle alter Schule. Seine Faszination versprüht er durch die einzigartige Kombination aus Luxus und problemlosem Handling bei superlativen Fahrleistungen. Und natürlich durch seine Exklusivität. Nur 500 Exemplare sollen insgesamt gebaut werden, und das zu einem Einstiegspreis von 2,8 Millionen Euro. In der Super-Sport-Variante erhöht sich dieser Wert noch einmal um eine Million, wobei die meisten Kunden inklusive aller Extras eher über fünf Millionen zahlen werden.

Credit: Bugatti

Der Anfang vom Ende?

Wer den Bugatti Chiron Super Sport nun als Gipfel der ausklingenden automobilen Verbrenner-Ära sieht, macht die Rechnung ohne den Ehrgeiz der neuen Besitzer. Seit 1. November 2021 liegt das Schicksal von 

Bugatti in den Händen der Bugatti-Rimac-Gruppe mit Sitz im kroatischen Sveta Nedelja. Am Joint Venture hält Porsche 45 Prozent und der Elektromobilspezialist Rimac 55 Prozent. Deshalb darf man erwarten, dass der Nachfolger des Chiron, Entwicklungscode Bugatti BR1, einen batterieelektrischen Antrieb nach dem Vorbild des aktuell fast 2000 PS starken Rimac Nevera bekommt. Bis es so weit ist, kommt circa 2025 erst noch mal der Chiron als Plug-in-Hybrid heraus. Dessen E-Einheit treibt zusammen mit dem W16- Benziner die Hinterachse an, während die Vorderachse ausschließlich bestromt wird. Wir dürfen von einer Leistungssteigerung um mindestens 200 elektrisch er- zeugte Pferdestärken ausgehen, die zu einer nochmals höheren Spitzengeschwindigkeit vielleicht sogar jenseits der 500-km/h-Grenze führen könnte.

Andy Wallace jedenfalls ist überzeugt, dass die technische Struktur des Bugatti Chiron dafür geeignet ist. Er sollte es wissen. Und Ferdinand Piëch wusste es wohl ebenso. Allerdings hätte Piëch die Marke, die er auch zur Motivation für Volkswagen-Ingenieure unterhielt, sicherlich niemals aus der Hand gegeben. Nur die besten Techniker des Konzerns wurden zu Piëchs Zeit Bugatti-Entwickler.

Text: Jürgen Zöllter

Bugatti Chiron Super Sport 

Geschwindigkeit: 440 km/h
Gesamtleistung: 1600 PS
0–100 km/h: 2,4 Sekunden
Gewicht: 1995 kg
Preis: ca. 3,8 Mio. Euro 

Der Autor testete den Wagen auf Einladung des Herstellers.