Frau Ulmen-Fernandes, lassen Sie uns direkt in die Klischeekerbe schlagen. Wie gut können Sie einparken?
Ich würde mittlerweile sagen: besser als mein Mann (lacht).
Mittlerweile? Haben Sie geübt?
Nee, eher es bemerkt. Beim Ein parken gibt’s ja die Annahme, Frauen könnten das nicht. Das ist interessant, denn dazu, was es mit einem macht, wenn man gewissen Klischeebildern ausgesetzt ist, gibt’s zahlreiche Studien. Eine belegt etwa: Wird man vor einer Aufgabe mit einem Stereotyp konfrontiert, erfüllt man das Bild mehr oder weniger automatisch, weil man es sich selbst nicht zutraut. So war das hier auch. Irgendwann habe ich gemerkt: Moment mal, ich bin ja eigentlich total gut im Einparken. Manche Rollenbilder muss man geraderücken.
Welche noch?
Dass Frauen weniger kompetent seien als Männer. Ich weiß noch, als ich frisch mit Christian zusammenkam, haben wir gemeinsam eine Preisverleihung moderiert. Alle Texte wurden von einem Autor geschrieben, die Moderationskarten haben wir dann selbst hälftig unter uns aufgeteilt. Später sagten die Leute, dass seine Wortwahl ja deutlich eloquenter gewesen sei. Dabei war alles aus einem Guss! Aber was er sagt, muss ja schlauer sein. In einer Doku, die ich zu dem Thema moderiert habe, sagte ein Junge: Frauen sind schön, Männer sind Chefs.
Das war im ZDFneo-Format „No More Boys and Girls“, bei dem Sie mit Grundschülern über Geschlechterrollen sprechen.
Genau. Geschlechterbilder reproduzieren sich. Hört man oft: Frauen sind so und Männer sind so, Frauen können dieses und jenes nicht, erfüllt man dieses Bild irgendwann automatisch. Ich kämpfe an vielen Fronten, was das Thema angeht. Dort, wo ich das Gefühl habe, es gibt noch Hoffnung, kämpfe ich dagegen an.
„Als ‚Frau Doktor‘ auf dem Traumschiff muss ich mir einiges an schlüpfrigen Bemerkungen anhören.“
Wo ist nichts mehr zu machen?
Ich habe viel mit älteren männlichen Schauspielern gedreht. Die hauen manchmal Dinger raus, da denkt man sich: Wie kann Me Too so an dir vorbeigegangen sein? An sich geht das bei mir aber hier rein und da raus. In der Summe ist es dennoch problematisch, was, glaube ich, vielen nicht bewusst ist. Eine Bemerkung kann man überhören. Als „Frau Doktor“ auf dem Traumschiff muss ich mir einiges an schlüpfrigen Bemerkungen anhören. An sich ist die Rolle aber ein Positivbeispiel. Bei vielen anderen Formaten wäre die Figur sicherlich ein Arzt, keine Ärztin.
Wie kam die Rolle an?
Es gab wohl ein paar Leute, die meinten, Modedesignerin passe besser zu mir als Ärztin. Auch das ist wieder so ein gelerntes Bild. Vor Kurzem habe ich dann eine spannende Serienrolle als Modedesignerin angeboten bekommen, habe aber abgelehnt.
Um das Bild nicht zu bedienen?
Genau. Wenn man im TV immer nur den alten weißen Mann als Arzt und die junge Frau als Modedesignerin sieht, kann man es sich andersherum nicht vorstellen. Die fiktionale Welt ist weit stereotyper als die Realität. Eine Analyse hat ergeben, dass 80 Prozent der Frau en in der Fiktion als Hausfrauen inszeniert werden, nur 20 Prozent gehen arbeiten, und nur ein Prozent davon hat einen akademischen Grad, ist also Ärztin oder Wissenschaftlerin. Deswegen sage ich auch meinem Mann immer: „Du musst wissen, vor welchen Klischeebildern Frauen stehen, um etwas verändern zu können.“ In der aktuellen Staffel von „jerks.“ habe ich sehr dafür gekämpft.
„Frauen sitzen durchaus an der Bar und reden darüber, ob jemand geil ist!“
Inwiefern?
Es gibt ein Buch, das erst sehr klassisch erzählt war: Männer sitzen an der Bar und reden darüber, wie geil die Frauen sind. Da habe ich gesagt: Dreht das doch einfach um. Gebt den Frauen die Gespräche, die die Männer haben, und umgekehrt. Alle haben sich erst gewehrt und meinten, Frauen würden so nicht reden. Aber Frauen sitzen durchaus an der Bar und reden darüber, ob jemand geil ist!
Warum auch nicht.
Das ist mit eurem Magazin dasselbe: Ich finde es gar nicht verwerflich, wenn sich eine Frau auszieht – aber es ist schade, dass es nur in die eine Richtung geht. Mit anderen Worten: Ich wünsche mir mehr nackte Männer (lacht).
Apropos nackte Männer: In der vierten Staffel von „jerks.“ sieht man Sie mit Ihrem Mann im Bett. Sie spielen sich beide in der Comedy-Serie selbst – bisher allerdings in geschieden.
Das war definitiv einfacher.
Wieso?
Als echtes Paar – und das war auch der Grund, warum ich das erst nicht wollte – peinliche Paar-Situationen spielen zu müssen ist natürlich wesentlich intimer. Vor allem die Nach-Sex-Szenen im Bett waren hart.
Das müssen Sie uns erklären.
Mit uns liegen ja sämtliche Kameramänner im Bett, um unsere Close-ups zu bekommen. Und natürlich kichern die dann ständig: Ah, so ist das bei euch zu Hause.“ Wir liegen privat eigentlich völlig anders miteinander im Bett, aber alle denken, dass das jetzt so echt sei.
Schämt man sich als Paar am Set noch mehr füreinander, wenn man auch eins spielt?
Na ja, ich kenne Christian halt sehr gut und spüre, was in ihm vorgeht. Wenn er zu einem Schauspieler sagt: „Hey, das war jetzt eine echt gute Szene“, dann merke ich, wenn er das eigentlich doof fand. Dadurch hat man immer auch was sehr Privates am Set.
„Es macht mir nichts aus anzuecken, aber vor allem früher wollte man das nicht bei mir.“
„jerks.“ ist für viele der Heilige Gral des Humors. Sie selbst würden auch mehr Witze reißen, oft werden die Ihnen aber aus den Moderationen gestrichen, wie Sie einmal beklagt haben.
Ja, weil sie scheinbar „Männerhumor“ sind. Keine Ahnung, was das sein soll. Es macht mir nichts aus anzuecken, aber vor allem früher wollte man das nicht bei mir. Ich bin so klein und zierlich, das hat wohl nicht ins Bild gepasst. Weiblicher Humor scheint süß und niedlich und blumig zu sein – und so ist meiner halt null. Mittlerweile darf ich derber sein, das habe ich mir erkämpft.
Was ist für Sie guter Humor?
Guter Humor hat für mich immer etwas mit Innovation und Überraschung zu tun. Vergleiche, mit denen ich nicht rechne, Gags, die eine unvorhergesehene Kurve nehmen. Über die meisten Stand-ups kann ich gar nicht lachen. Vor Christian war ich mit einem Gag-Autor zusammen, das heißt, ich kenne die Gag-Strukturen und ahne die Pointe. Das meiste langweilt mich daher.
Sind Sie eigentlich witziger als Christian?
Die Frage ist: Wie witzig ist er? (Lacht) Es ist nicht so, dass er zu Hause die ganze Zeit Slapstick-Comedy macht und ich am Boden liege vor Lachen. Ich kann das nicht beurteilen.
Was sagen Freunde, wenn sie mit Ihnen beiden unterwegs sind?
Jetzt, wo ich drüber nachdenke, stelle ich fest, dass wir nie mit Freunden unterwegs sind. Ich würde sogar unterschreiben, dass wir zu zweit als Paar noch nie mit anderen Menschen unterwegs waren. Wir sind da wohl eigen.
Beim Start der dritten „Jerks“-Staffel wurden Sie von uns mit Ihrem Mann zusammen interviewt. Damals sagte er, dass er ein sehr zorniger alter Mann beim Autofahren wäre ...
... was danach ganz oft mir in den Mund gelegt wurde! Dabei hat er das über sich selbst gesagt.
Wie würden Sie sich selbst beim Autofahren beschreiben?
Auf jeden Fall habe ich nicht den Fahrstil einer alten Frau. Ein bisschen zornig bin ich auch, aber wer ist das nicht? Vor allem wenn jemand schlecht Auto fährt – und das sind meiner Beobachtung nach, auch ein Klischee, oft eher die älteren Mitmenschen (lacht).
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