Vor ein paar Jahren, kurz vor dem Aufstieg der AfD in die erste Parteien-Liga, bot mir ein namhafter Autor für Playboy einen Essay an: „Grün ist das neue Braun.“ Ihn störte, wie sich Nachbarn heute nazimäßig bespitzeln und das Maul zerreißen, wenn einer seinen Müll in der falschen Tonne entsorgt, mit Plastiktüten heimkommt oder im SUV statt in veganen Schlappen verkehrt. Ich fand die These sympathisch, aber problematisch. Denn erstens drohte Blau das neue Braun zu werden. Und zweitens: So neu ist der mit deutscher Gründlichkeit und religiöser Verve exerzierte grüne Lifestyle gar nicht.
Wer wie ich in der Ära des Waldsterbens und Tschernobyls (die Klimakatastrophe lag rein logisch bereits in der Luft) eine Waldorfschule besucht hat, der kennt das schon lange: die Weltrettungs-Attitüde der mit müffelnder Pflanzenkosmetik eingeölten Eltern, die, beseelt von biodynamischem Aberglauben, ungenießbaren Brottrunk am Klappradlenker aus dem Naturkostladen heimrollen zu ihren ungeimpften Blagen – und jeden Sportwagenfahrer für die Inkarnation Satans halten. Völlig gestrig. Nur mittlerweile extrem verbreitet.
Haben Sie allein mal die Umsatzentwicklung der Schuhfirma Birkenstock angeschaut? Ich hätte bereits in den modisch unterirdischen 80ern jede Wette angenommen, dass sich der Öko-Lifestyle rein aus ästhetischen Gründen nicht fortpflanzen würde. Heute gilt er als chic. Weil Umweltbewusstsein ein Gebot der Vernunft und die Erde in Not ist. Nur war Not noch nie ein guter Stil-Berater. Die Suche nach Alternativen, ob für Deutschland oder den Planeten, führt Biodeutsche beider Coleur oft tief in die Altkleiderkammer. Mental wie modisch.
Ganz anderer Meinung ist hingegen Playboy-Redakteur David Goller. Hier lesen Sie seinen Gegenkommentar.