„Ehrlich gesagt male ich besser, als ich singe“

Pop-Rapper Cro im Interview über zehn Jahre „Raop“ und seine neue Kunstkarriere
Credit: Sonos_Sebastian Schuster

Grenzen? Sind da, um sie zu überschreiten. Das findet zumindest Pop-Rapper Cro, dessen Debüt-Album „Raop“ in diesem Jahr zehntes Jubiläum feiert. Im Interview blickt der Musiker auf seine Anfänge zurück. Er macht klar, warum es wichtig ist, sich selbst nicht zu ernst zu nehmen, was die Insel Bali mit seiner Weiterentwicklung zu tun hat – und wie er als Maler „Carlito“ jetzt in die Kunst-Branche einsteigt. 

Wie kaum ein anderer mischte „der mit der Panda-Maske“ die deutsche Musikszene auf: Mit seinem Debüt-Album „Raop“ brach Cro die Grenzen zwischen Pop und Rap 2012 endgültig auf und hatte auch direkt den idealen Namen für sein neugeschaffenes Genre. In ihm ist Carlo, wie Cro bürgerlich mit Vornamen heißt, bis heute konkurrenzlos und hat sich trotz poppigem Sound Respekt in der Rap-Szene verschafft. Auch der Maskierung blieb er durchgehend treu, sein Gesicht hat er der Öffentlichkeit bisher nicht gezeigt. Besser kennenlernen können ihn seine Fans und Kritiker dafür auf anderen Wegen: Durch seine exklusiv für Sonos kuratierte Radio-Station „Count your blessings“ beispielsweise, für die er seine Lieblingssongs zusammengestellt hat. Oder durch seine Malerei, die gerade richtig Fahrt aufnimmt. Doch starten wir von vorn. Wir erreichen den 32-Jährigen in seinem Haus auf Bali – ohne Maske und in bester Laune.

Carlo, Sie feiern 2022 mit Ihrem Debüt-Album „Raop“ Zehnjähriges. Was ist gleich geblieben am Cro von 2012, was ist anders?

Die Handynummer hat sich verändert und ich hab `nen Bart bekommen (lacht). Nee, es hat sich saumäßig viel getan. Ich hab mich krass weiterentwickelt, Skills an verschiedenen Instrumenten aufgebaut. Drums, Geige, Flöte, egal, was für ein Instrument du mir hinstellst, ich hol irgendwas raus. Das war früher, als ich angefangen hab, noch nicht so. Da hatte ich einen Laptop und ein Mini-Keyboard und hab viel rumgesampelt, weil ich noch nicht wusste, wie ich an Sounds komme. Mittlerweile bin ich eine Maschine, wenn’s ums Studio geht. Und ich finde, es hat sich in der Welt auch viel verändert, die wurde immer verrückter. Früher war die Musik ein freies Feld, da gab‘s nicht viel. Und jetzt ist gefühlt ganz viel los –Reizüberflutung überall, jeden Freitag werden 200 Songs released. Das ist geil, aber auch echt nervig manchmal.

Weil es Druck erzeugt, mehr liefern und regelmäßig nachlegen zu müssen?

Ja, ich hab natürlich meinen Release-Takt auch angepasst. Dabei denke ich mir oft: Du Idiot, eigentlich müsstest du das doch gar nicht.

In einem Interview mit unserem Magazin 2016 haben Sie uns verraten, dass Sie eigentlich nie erfolgreicher Rapper werden wollten. Wie geht man damit um, wenn‘s dann doch passiert – und ein Jahrzehnt bleibt?

Ja, das ist hart. Wenn man berühmt ist und alle einen lieben. Da muss man erst mal mit klarkommen (lacht). Nein, ist doch geil. Es war nie so, dass ich nicht wollte, dass Leute das gut finden. Ich hab das nur nie erwartet. So muss man es eher sagen. „Easy“ haben wir rausgehauen, weil es gerade fertig war. Gedacht, dass das die Bombe wird, hat keiner.

„Easy“ war der Grundstein Ihrer individuellen und ganz neuartigen Verbindung aus Rap und Pop. Wie waren damals die Reaktionen in der Szene, als Easy hier den Deutschrap aufgebrochen hat?

Es stand halt für sich im leeren Raum. Das versuche ich immer wieder herauszukitzeln: Wie weit kann ich gehen? Manchmal geh ich auch zu weit und merke, dass ich ein bisschen übertreibe. Und manchmal bin ich auch ein bisschen sauer auf die Player im Markt.

Wieso?

Sie sagen, ich passe weder in ihre Rap- noch in ihre Pop-Liste. Und dann ärgere ich mich wieder, dass keiner neue Pionier-Musik zulässt. Aber ich würde trotzdem nie aufhören, was anderes zu machen. Ich denk mir immer: Will man Wege gehen, oder will man Wege machen und ein Pionier sein? Ich bin lieber Pionier. Ich feiere auch einfach Leute, die wirklich einen Fick auf andere geben. Helge Schneider zum Beispiel. Helge Schneider gibt ja wirklich einen kompletten Vollfick auf alles. Und das finde ich geil. Das sind die Menschen, die wir brauchen. Die machen es vor: Nimm dich nicht so ernst, mach was du willst und bring mal ein bisschen Spaß in die Bude.

„Ich feiere einfach Leute, die wirklich einen Fick auf andere geben. Helge Schneider zum Beispiel“

Zum Jubiläum bat Sonos Sie als ersten deutschen Künstler eine Radiostation für sie zu kuratieren. Was läuft da so?

Da habe ich alles reingepackt, was mich so begleitet. Genreübergreifend von Jazz zu Deep House über Hip-Hop, wo ich herkomme, Funk, Seventies, Eighties, Fifties. Da sind ganz viele Dinger drin, die ich zum Hoch- und Runterkommen höre. Musik ist schon was echt Krasses. Wie hart es dich mit Momenten verbindet und später Erinnerungen und Gefühle weckt, als wäre man wieder in dem Moment. Wenn man die Playlist hört, merkt man sofort, ob man mit mir auf einer Wellenlänge ist oder nicht.

Für ihr jüngstes Album „trip“ arbeiteten Sie auch mit Deutschrap-Größen wie Shindy oder Capital Bra zusammen. Mussten Sie sich das erarbeiten?

Ich finde Features immer ganz schwer. Man kann nicht einfach irgendjemanden anschreiben, wenn man sich nicht kennt, und dann erwarten, dass da was entsteht. Man muss sich erst mal kennen und fühlen, mal zusammen Mukke gemacht haben oder feiern gewesen sein. Und dann entsteht das harmonisch. Capi zum Beispiel hat bei mir auf Bali gechillt und wir haben uns sofort verliebt.

Auf der indonesischen Insel haben Sie sich inzwischen eingerichtet und verbringen dort einige Monate im Jahr. Was mögen Sie denn so an Bali?

Ehm, ich zeig’s dir. Siehst du? (dreht den Laptop von sich weg, steht auf und läuft durch sein Haus. Zu sehen ist ein Pool so breit wie das Wohnzimmer, das keine Wände hat. Auf der andere Seite vom Pool steht ein kleines Häuschen voller Leinwände und Staffeleien, dahinter jede Menge Bäume) Wenn ich mit dir hier rumlaufe – wir haben den Dschungel, wir haben die Ruhe, ich hab da hinten mein Atelier, da kann ich malen, drüber einen kleinen Basketballplatz. (Er dreht sich um und läuft mit dem Laptop ins Hausinnere, wir stehen im Wohnzimmer) Dann habe ich hier eine kleine Liegewiese und da unten ist das Studio – siehst du? Im Wohnzimmer hab ich noch ein Klavier, das ist verbunden mit dem Studio und mein Motorrad steht hier auch. Diese Freiheit, das ist einfach geil.

Welchen Einfluss hat die Insel auf Ihre Musik?

Das klingt jetzt bisschen spirituell, aber Bali ist ein Energiepunkt dieser Erde, der entspannt und ruhig macht. Du steigst aus dem Flugzeug, gehst über die Insel und merkst sofort, irgendwas passiert mit dir. Der ganze Alltag ist abgestreift, alle Sorgen sind fern und alle sind fröhlich und lachen. Man hat auf einmal ganz viele Tiere um sich rum. Hier ist die Biodiversität noch riesig, hier gibt’s ganz viele Schmetterlinge und ganz viele Käferarten und kleine Ameisen und Vögel, die bunt sind. Und weil alles so schön ist, wird man ruhiger und bewusster und naturbewusster Das macht schon was mit dir. Macht das Sinn, was ich sage?

„Die Maske wird bald lebendig“

Durchaus. 2016 sagten Sie im Playboy-Interview auch, in vier Jahren werde es „Cro, so wie er jetzt ist“, nicht mehr geben. Sechs Jahre später haben Sie nun zwei Masken anstelle Ihrer damaligen Pandamaske. War das die einschneidende Veränderung?

Jeder verändert sich ständig, trägt eine neue Frisur oder was weiß ich. Das mache ich auch, aber das sieht ja kein Mensch. Deswegen musste ich mir was anderes einfallen lassen, um mich weiterzuentwickeln. Ich bin auch schon wieder an einer neuen Maske dran. Die Maske wird bald lebendig.

Welche Vor- und Nachteile bringt die Maske heute noch?

Mein Ego ist gut geschützt und bleibt schön natürlich durch die Maske. Jeder, der mich kennenlernt, merkt, dass ich immer noch eine sehr schöne Natur bin.

Und ohne Maske wäre das nicht so?

Kann ich mir vorstellen, der ganze Quatsch, dass jeder dich überall erkennt, ich glaub, das macht schon was mit dir. Ich war vor Kurzem mit Luciano unterwegs – jedes Mädchen erkennt ihn, jeder Typ, im Restaurant macht jeder Bilder mit ihm. Das habe ich alles nicht. Mich erkennt einmal im Monat jemand am T-Shirt oder am Tattoo oder der Stimme, und dann freue ich mich.

Fehlte Ihnen in der Pandemie-Zeit der direkte Kontakt zu Fans?

Schon. Da fehlt echt ein großer Teil von meinem Leben. Davor war ich mindestens ein, zwei Monate pro Jahr auf Tour, wo man die Response von den Menschen hat und auch wieder im Publikum baden kann. Das, was man in seinem Labor Frankenstein-mäßig erschaffen hat, den Menschen zeigen kann. Was ich da auch immer krass finde: Der Song ist vorbei, alle schreien – dann fang ich an zu reden und auf einmal wird’s mucksmäuschenstill. Und dann stehst du auf der Bühne und weißt, dich gucken gerade 30.000 Menschenaugen an. Und alle sind ruhig und warten auf irgendwas von dir. Und dann kannst du machen was du willst. Das finde ich krass.

„Malen war erst da, ich habe als ganz kleines Kind schon überall hin gekritzelt. Aber das mit der Musik wurde dann halt big und zur Geldquelle“

Neben der Musik haben Sie auch eine zweite Leidenschaft: Sie malen. Was war zuerst da? Die Kunst oder die Musik?

Malen war erst da, ich habe als ganz kleines Kind schon überall hin gekritzelt – auf T-Shirts, Schuhe, Tische, Wände, Straßen, auf Autos und alles bemalt. Meine Hände, meine Körper, andere Körper. Musik kam so mit 13 dazu. Ehrlich gesagt male ich auch besser, als ich singe. Aber das mit der Musik wurde dann halt big und zur Geldquelle.

Kunst machen Sie also nur zum Spaß?

Bisher schon, aber gerade dreht sich das um: Ich habe jetzt meine ersten Bilder verkauft. Ziemlich krass, das erste für 99 Cent, was alle ziemlich gefeiert haben. Und dann gleich die nächsten für einen überdumm hohen Preis, den ich einfach nur hingeschrieben hab, weil ich das Bild wieder zurückhaben wollte. Aber schon einen Tag später wurde es verkauft, noch bevor die Ausstellung war. Und dann noch eins und noch eins. Kürzlich habe ich auch einen Verantwortlichen für eine der größten und bekanntesten Kunstmessen der Welt kennengelernt und er meinte, ich hätte gute Chancen, dieses Jahr auch dort ausstellen zu dürfen. Das wäre krass, weil das alles dann richtig schnell gegangen wäre.

Hilft beim Erfolg in der Kunst, dass Sie schon ein Standing als Musiker haben?

Ja, doch. Ich glaube schon auch. Alles, was ich mir aufgebaut hab, musikalisch, designmäßig, alle verrückten Ideen, Preise, die man gewonnen hat, jedes Zitat, das man raushaut in einem Interview, zahlt darauf ein, dass dein Weg geebnet wird.

Was ist Ihr Plan für 2022?

Ich werde Musik bringen – unter anderem ein Jubiläumsalbum zu zehn Jahren „Raop“. Ich werde kunstmäßig durchdrehen und viele Bilder malen und ausstellen. Im Sommer gibt’s eine neue Fashionkollektion mit About You (deutscher Onlinehändler für Mode, d. Red.), auf Metaverse wird wahrscheinlich was mit Virtual Reality passieren. Und wir planen eine Tour im Sommer. Im Herbst geh ich dann wieder hierher und werde gucken, dass ich chillen kann.