Es gibt schlimmere Arten, den Serientod zu sterben, als beim Sex mit Robin Wright. Dieser Blick. Traurigkeit liegt darin, aber auch Entschlossenheit. Die Zerrissenheit ihrer Gefühle flackert auf, und dann ist da nur noch: Kälte.
Es ist der Blick, unter dem sich Claire Underwoods Liebhaber im letzten Moment seines Lebens windet. Robin Wright führte Regie in dieser Episode der Netflix-Serie „House of Cards“, der vorletzten der fünften Staffel. Die Minute, in der die zukünftige US-Präsidentin ihren vergifteten Lover zärtlich zu Tode reitet, ist eine Schlüsselszene: Der Moment, in dem sich Claire Underwood endgültig für die Macht und gegen die Menschlichkeit entscheidet. „Ihre Augen sind anders“, wundert sich Kevin Spacey in der letzten Folge vor der großen Pause. Im Nachhinein klingt das wie eine Prophezeiung.
Gute Beliebtheitswerte
Denn natürlich konnte da noch keiner wissen, dass der Oscar-Preisträger wenig später als schmutziger alter Mann zur Persona non grata in Hollywood erklärt werden würde und der Serie die Einstellung drohte. Andererseits hätte es wirklich keiner sexuellen Missbrauchsvorwürfe gegen Kevin Spacey bedurft, um die Machtverhältnisse in „House of Cards“ neu zu mischen.
Robin Wright hatte ihren Partner schon längst in der Zuschauergunst überholt. Die 52-Jährige war sich schon vor zwei Jahren sehr sicher, dass sein Einsatz nicht 80.000 Dollar mehr wert war als ihrer. Als sie die Produzenten auf diese Diskrepanz in der Bezahlung aufmerksam machte, hoben sie schleunigst ihr Gehalt auf eine halbe Million pro Folge an.
Was für eine schauspielerische Leistung Robin Wright als Eiskönigin von Washington vollbringt, kann man noch besser ermessen, wenn sie einem gegenübersitzt. In echt hat sie mehr von Lady Di als von Lady Macbeth. Der scheue Von-unten-Blick, die sanfte Stimme und die fragile Figur. Verrückt, dass es 30 Jahre dauerte, bis sie die Rolle ihres Lebens fand. Denn Robin Wright war schon in ihren Zwanzigern ziemlich gut. Sie hatte, Ex-Model und Ballerina, das Handwerk in der Seifenoper „Santa Barbara“ gelernt. War für drei Emmys nominiert und das Objekt fiebriger Teenager-Träume. Dabei wusste sie damals noch gar nicht, ihr Insrument zu beherrschen. „Mord und Machtgier gut und schön, der eigentliche Thrill in ,House of Cards‘ ist doch Robin Wrights Gesicht“, schrieb gerade wieder eine verzückte Kritikerin.
Keine Lust aufs Cover
Ob die junge Robin Wright ahnte, dass es diesem Gesicht noch an Gravitas fehlte, als sie serienweise Gelegenheiten sausen ließ, für die andere töten würden? Für hübsche Blondinen hatte Hollywood in den Neunzigern nur zwei Kategorien zu bieten: American Sweetheart oder männermordender Vamp. Die Aussicht, als nächste Meg Ryan verheizt zu werden, schien Robin Wright, Tochter einer geschiedenen Kosmetik-vertreterin aus Dallas, wohl weniger reizvoll, als mit Sean Penn im Alter von 24 eine Familie zu gründen.
Ob es seinem Einfluss geschuldet war (Penns Beziehung zur Presse war immer schon kompliziert) oder ihrer natürlichen Zurückhaltung: Den Wendepunkt vom Schätzchen zur Schwierigen markierte 1994 „Forrest Gump“ mit Tom Hanks. Im Oscar-Sog des Films plante das Glamour-Magazin „Vanity Fair“ Robin Wright aufs Cover zu heben. Ein „Vanity Fair“-Titel galt damals als Initiation zum Olymp der Filmgöttinnen. Doch die 27-Jährige sagte Nein. Hatte einfach keine Lust, das Biest zu füttern.
Ihre Prioritäten waren offensichtlich. Sie sagte Nein zu „Robin Hood“ mit Kevin Costner, weil sie mit Tochter Dylan (heute 27) schwanger war. Nein zu „The Firm“ mit Tom Cruise, weil sich das zweite Baby ankündigte (Sohn Hopper, heute 25) und Nein zu „Sabrina“ und „Batman Forever“, weil ihr die Skripts „nicht den Rock hochwehten“. Zudem ließ sie wissen, sie sei nicht Mutter geworden, „um meine Kinder von Nannys großziehen zu lassen“. Sprach’s – und zog mit der Familie in einen stillen Vorort von San Francisco.
Viele Jahre hörte man nur von Robin Wright Penn, wenn sich ihr Mann mal wieder danebenbenahm. Oder sie in Nebenrollen durch Filme irrlichterte, die keine PR-Arbeit von ihr verlangten. Nie hat sie über verpasste Chancen geklagt. Selbst über Sean Penn verlor sie kein schlechtes Wort, als das Paar nach 20 Jahren Beziehung und mehreren gescheiterten Wiedervereinigungsversuchen die Scheidung vollzog. Sie stellt heute nur befriedigt fest: „Ich habe in den letzten Jahren mehr gearbeitet als in meiner gesamten Karriere. Nicht mal für Geld wollte ich noch mal in meinen Zwanzigern sein. So viele Tränen, was für ein Albtraum das war. Es ist so viel besser, älter zu sein.“
Subtiler hätte auch Lady Underwood ihrer Jugendliebe nicht hinterhertreten können. Große Ehrlichkeit in der Eigen-PR ist vielleicht ihre einzige Schwäche. Als sie sich mit 47 in den 14 Jahre jüngeren Schaupielerkollegen Ben Foster verknallte, rutschte ihr in einem ihrer seltenen Interviews heraus: „Ich habe noch nie so viel gelesen, so viel gelacht und so viele Orgasmen gehabt.“
Weniger Text – Mehr Blicke
Robin Wright ist auch deshalb auf dem Höhepunkt ihrer Karriere, weil ihr endlich egal ist, was irgend-jemand über sie denkt: „Vielleicht liegt es am Alter, dass ich keine Angst mehr habe zu versagen. Weil aus Fehlern manchmal schöne Dinge entstehen.“ Sie hat nicht viele Fehler gemacht seit ihrer Rückkehr nach Hollywood, aber einige schöne Dinge. David Fincher erkannte 2013 ihr Potenzial. Er sollte in der neuen Netflix-Produktion um ein skrupelloses Präsidentenpaar Regie führen und musste seiner Traumbesetzung erst erklären, dass Claire Underwood nicht das typische Serienbiest ist. Keine Drama-Queen, sondern eine kühle Marmorbüste, die ungerührt bleibt, während die anderen vor ihr erstarren. Mit dieser Stellenbeschreibung konnte Robin Wright sich identifizieren. Sie erbat sich sogar, ihren Dialog auf ein Minimum zu kürzen. In „House of Cards“ sagt sie mit einem Blick mehr als mit einer Seite Drehbuchtext.
Ob sie in der letzten Staffel als frisch gewählte Präsidentin weiter stillen Terror verbreiten wird oder von Kevin Spacey die Angewohnheit übernimmt, sich direkt an die Zuschauer zu wenden? Verrät sie nicht. Genauso wenig wie ihre wahren Gefühle gegenüber ihrem gefallenen Kollegen. Jeder Mensch verdiene eine zweite Chance, sagte sie gerade in einem Interview. Sicher ist nur: Robin Wright lebt den Traum, dem ihre männlichen Zeitgenossen hinterherjagen. Welcher Schauspieler landet schon mit 50 seinen ersten Actionfilm-Hit?
Als kriegerische Tante von „Wonderwoman“ ist Robin Wright großartig (und muskelstrotzend). Mit 52 heiratete sie einen vermögenden Beau, Clement Giraudet, 34, von Beruf VIP-Manager des Luxus-Labels Saint Laurent. Bei der Hochzeit in der Provence tanzte die Braut barfuß im Hippiekleid – eine geradezu symbolische Befreiung von der Bleistiftrock-zu-Stilettoabsätzen-Rüstung der Claire Underwood. Happy End für alle?
„Es wird operesk.“ Das ist alles, was sie für die sechste und letzte Staffel von „House of Cards“ verspricht. Für sie selbst hat längst ein neues Kapitel begonnen. In Cannes präsentierte sie letztes Jahr einen 10-Minuten-Thriller als Regisseurin. Filmemachen sei ihre wahre Liebe, sagte sie. „Ich habe 30 Jahre lang auf der anderen Seite der Kamera gestanden, das reicht. In Zukunft will ich nur noch Regie führen.“ Das klingt verdammt nach Präsidentin Underwood.
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