Provinz-Posse um Macht, Moral und die Mafia

Dietmar Späth beim Playboy Gentlemen's Weekend auf Mallorca 2018
Credit: PLAYBOY Deutschland

Dietmar Späth ist Bürgermeister der Gemeinde Muggensturm, Oberbürgermeister-Kandidat für Baden-Baden – und geriet jetzt ins Kreuzfeuer der Medien. Der Tatvorwurf: Der 58-Jährige habe sich im Herbst 2018 bei einem Ausflug unseres „Erotikmagazins“ „leiblichen Genüssen“ hingegeben und sich umgeben von „leichtbekleideten jungen Frauen“ vergnügt. Sappralott! 

Es ist eine Geschichte über Macht, Moral und angebliche mafiöse Strukturen. Und sie spielt in der deutschen Provinz. Genauer gesagt: im beschaulichen Baden-Baden. Im Mittelpunkt der Politik-Posse: ein parteiloser OB-Kandidat, der sich aktuell um das höchste Amt im berühmten Schwarzwälder Kurort bewirbt.

Dietmar Späth ist Ende fünzig, verheiratet und Vater von zwei Jungs. Seit 29 Jahren regiert der studierte Verwaltungsexperte als Bürgermeister die benachbarte 6200-Seelen-Gemeinde Muggensturm. Und das durchaus mit Erfolg. So wurde die badische Kleinststadt in seiner Amtszeit für ihre Bemühungen im Kampf gegen Über-Bürokratisierung gelobt und 2006 für „vorbildlich effektive und unbürokratische Aktivitäten im Bereich der Unternehmensansiedlung sowie Unterstützung durch unternehmensausgerichtete Bauleitplanung“ als eine der besten Behörden Deutschlands ausgezeichnet. 2010 wurde die Gemeinde sogar mit der Goldmedaille für die Entwicklung des Ortes bedacht. Auch wirtschaftlich ist das kleine Muggensturm eine Boomtown. Auf die gut 6000 Einwohner kommen mehr als 2500 Arbeitsplätze – die Gemeinde ist seit Jahren schuldenfrei.

Erst Muggensturm, jetzt Baden-Baden: Dietmar Späth fordert bei der Bürgermeisterwahl 2022 die Amtsinhaberin heraus

Nach bald 30 Jahren Regierungserfahrung in der ländlichen Provinz zieht es Dietmar Späth nun in die fast zehnmal so große Kurstadt Baden-Baden. Bei der Bürgermeisterwahl 2022 forderte der parteilose Lokalpolitiker gerade die Amtsinhaberin heraus. Im ersten Wahlgang konnte Späth die seit acht Jahren regierende Oberbürgermeisterin Margret Mergen (CDU) klar in die Schranken weisen und errang mit rund 40 Prozent aller Stimmen einen deutlichen Sieg. Am kommenden Sonntag soll im zweiten Wahlgang nun der neue OB bestimmt werden.

Mit diesem Bild wirbt Dietmar Späth für sich als Oberbürgermeister für Baden-Baden
Credit: https://www.dietmar-spaeth.de/

Dietmar Späth: Der fußballbegeisterte Bürgermeister ist das, was man einen lebenslustigen Macher nennt

Wer ist dieser Mann, der weder einer Partei angehört noch eine politische Karriere in Baden-Baden vorweisen kann – und die etablierte Lokalpolitik-Prominenz dennoch im ersten Anlauf auf die Plätze verwies? Amtsinhaberin Mergen verblüfft: „Damit habe ich nicht gerechnet! Für mich stellt sich die Frage, ob ich in die zweite Runde gehe oder nicht.“ Inzwischen hat sie darauf eine Antwort gefunden und ihre Kandidatur zurückgezogen.

Dietmar Späth gründete 2008 die Deutsche Fußball-Nationalmannschaft der Bürgermeister. Im selben Jahr traten die kickenden Stadtchefs in Österreich bei der Europameisterschaft an – und holten den Titel. Der fußballbegeisterte Bürgermeister Späth ist das, was man einen lebenslustigen Macher nennt.

Die Deutsche Fußball-Nationalmannschaft der Bürgermeister gewinnen 2008 die Europameisterschaft
Credit: Privat

„Ich weiß, dass ich kein OB von der Stange bin. Ich bin ein wenig extrovertiert, laufe auch mal mit einem bunten Anzug herum, fahre gerne Porsche. Das polarisiert, damit kommen nicht alle zurecht. So bin ich“, sagt Dietmar Späth über sich selbst. Seine Sympathie für kultivierte Sinnesfreuden soll ihm jedoch – wenn es nach dem Willen mancher Mitbewerber geht – jetzt offenbar zum Verhängnis werden.

Kurz vor dem entscheidenden Wahlgang am kommenden Sonntag ist in der Stuttgarter Zeitung ein Artikel erschienen, der mit „Ausflug mit dem Playboy“ überschrieben ist. Was wird Späth zur Last gelegt? Die Regionalzeitung schreibt von „undurchsichtigen Finanzströmen bei Wahlkampfkosten“, ja sogar von angeblich „mafiösen Zuständen“. Gewarnt würde vor „Finanzfilz, wenn Späth tatsächlich ins Rathaus der Kurstadt einzieht“.

„Ich weiß, dass ich kein OB von der Stange bin.“ – Dietmar Späth

In dem Zeitungsartikel vom 22. März ist die Rede von einem vorbestraften Gastronomen, der zu Späths Sponsoren zählen soll – und: von „ominösen Einladungen des Playboy-Verlags“. Tatvorwurf: Der 58-Jährige habe im Herbst 2018 als einer von zwölf Mitreisenden an einem „sogenannten Gentlemen’s Weekend des Playboys auf Mallorca“ teilgenommen. Und sich „bei ausgiebiger Harley-Tour, leiblichen Genüssen wie erlesene Zigarren zum Stückpreis von neun Euro – umgeben von leichtbekleideten jungen Frauen“ vergnügt. Sappralott!

Dieser Artikel erschien vor wenigen Tagen auf den Kanälen der Stuttgarter Zeitung
Credit: stuttgarter-zeitung.de

Was heute als Skandal hochgejazzt wird, war vor 30 Jahren nichts weiter als eine amüsante Randnotiz

Wie am 27. März die Wahl zum neuen Rathauschef von Baden-Baden ausgehen wird, müssen jetzt die wahlberechtigten Bürger des berühmten Schwarzwald-Städtchens entscheiden. Dass aber PLAYBOY hierbei eine wahlentscheidende Rolle spielen könnte, liegt möglicherweise weniger an der vermeintlichen Anrüchigkeit der von der „Stuttgarter Zeitung“ als „Erotikmagazin“ titulierten Zeitschriftenmarke als vielmehr an der zunehmenden Biedermeier-Mentalität in diesem Land. Was heute als Skandal hochgejazzt wird, war vor 30 Jahren nichts weiter als eine amüsante Randnotiz:

Bundespräsident Weizsäcker mit Bunnies
Credit: PLAYBOY Deutschland