Ich selbst habe „50 Shades of Grey“ nicht gelesen. Ich habe den ersten Teil im Kino sehen müssen. Jetzt wird der Dritte auf Leinwände der ganzen Welt projiziert und belegt in den USA sogar Platz Eins der Kino-Charts. Warum? Weil Frauen noch immer nur schwer in der Öffentlichkeit zu ihrem Sexualtrieb stehen können, ohne um ihren Ruf fürchten zu müssen. Diese Bücher und Filme sind ein seltener und deshalb bereitwillig genutzter Freiraum. Das ist eine Katastrophe.
Frauen, steht zu Eurer Sexualität!
„50 Shades of Grey“ hat eine Diskussion angestoßen, die man als Playboy-Autor auf gar keinen Fall schlecht finden kann. Frauen, steht zu Eurer Sexualität! Das geht leider nicht von heute auf morgen. Und so muss auch die „Shades of Grey“-Reihe als weiterer Schritt im Sex-Marathon verstanden werden. Das ist gut. Aber es gibt Neil-Armstrong-Schritte und es gibt die eines Felix-Baumgärtners. Der eine erschließt unentdecktes Terrain, der andere stürzt zurück ins altbekannte.
Wie bereits erwähnt ich habe die Bücher nicht gelesen. Also Wikipedia geöffnet und Handlung nachgelesen. Die Handlung des ersten Buches: vier Zeilen. Der erste „Harry Potter“-Band hat einen eigenen Eintrag. Selbst der erste „Twighlight“-Band verfügt über mehrere Absätze. „50 Shades of Grey“ also nur vier Zeilen.
Die Kurzfassung von der Kurzfassung: Normales schüchternes Mädchen trifft attraktiven und dominanten Milliardär mit Hang zu BDSM-Praktiken und beide verlieben sich wider Willen. Trennen sich, kommen zusammen und haben Sex mit Peitschen und Schmerzen. Es ist schade, dass viele Frauen sich an diese unfassbar flache Story klammern müssen, um offen zu ihrer Sexualität stehen zu können. In dieser Hinsicht müssen auch wir Männer helfen ein offeneres, sex-positiveres Klima zu etablieren. Wir müssen helfen, aber wir können und dürfen es auf keinen Fall alleine tun.
BDSM? Das muss an der Kindheit liegen
Genau das ist der Punkt in der "Shades of Grey"-Handlung. Die Frau braucht wieder erst den Mann, der ihr zeigt, wo der sexuelle Hammer hängt. Dazu ist er natürlich noch Milliardär und kann so über sie verfügen, dass jeder männliche „Mad Men“-Charakter gelb vor Eifersucht werden müsste. Ach ja, sein Hang zu Schlägen, Peitschen und Herabwürdigung anderer rührt natürlich von seinen Misshandlungen in der Kindheit. Wie soll es auch anders sein? So eine kranke Scheisse, kann man ja nur mit Kindheitstraumata geil finden.
Sex abseits der Norm wird also in gewisser Hinsicht pathologisiert und ist nur mit Milliarden auf dem Konto und im stillen Kämmerchen erlaubt. Genau das ist das Problem. Die Dramaturgie ist so billig, wie ich sie mir von einem Groschen-Roman an der Rewe-Kasse vorstelle. Verstehen Sie mich nicht falsch. Sex muss nicht immer eine extrem durchdachte Vorgeschichte haben. Sex darf auch mal billig sein. Aber bitte tut nicht so, als wäre „50 Shades of Grey“ das neue „Eyes Wide Shut“.
Bitte lieber Männer, heuchelt keine Liebe zur "Shades of Grey"-Reihe, wenn ihr nicht auch wirklich drauf steht. In der "Shades of Grey"-Logik solltet Ihr die Frau sogar eher alleine ins Kino gehen lassen, sie draußen im R8 erwarten und sie mit 250 km/h in euer Spielzimmer entführen.
Also vergesst die Bücher, vergesst die Filme, wenn ihr überhaupt etwas übernehmen sollt, dann das Prinzip: Milliarden scheffeln, schnelle Autos fahren, schöne Frauen begatten. Ach Halt, das gibt´s ja schon. Heißt James Bond, macht mehr Spaß zu schauen und die Freundin will garantiert nicht mit ins Kino. Jackpot. Beim Sex hilft aber weder James Bond noch Christian Grey. Da müssen wir unsere eigenen Alter Egos entwickeln.
Alle Artikel