Er ist sicherlich kein Repräsentant der Hochkultur. Eher der größte Haudrauf der Filmgeschichte: von Beginn an unterschätzt und genau deshalb intellektuellen Mitteln überlegen. Der wortkarge, einfache Mann, der mit purer Körperkraft weitermacht, wo andere keinen Sinn mehr sehen. Wo Ideen ins Leere laufen. Da tappen sie hinein: in seine Sprengfalle, in sein Messer – ins Kino. Auf diese Weise hat Sylvester Stallones Filmfigur, der Anti-Held John Rambo, längst auch die cineastischen Naserümpfer besiegt – und es sogar in den Duden geschafft: „Brutaler männlicher Typ; Kraftprotz“, steht da.
Wer wollte diesem Inbegriff nach sagenhaften 37 Jahren Leinwand-Existenz das letzte Geleit verweigern, wenn er jetzt mit „Rambo: Last Blood“ krachend Abschied feiert? Gerade weil Rambo sich nie verändert hat, sondern immer ein Gejagter der Umstände war, hat er unseren Blick verändert und sich als archaische Figur zementiert. Die Umstände, das waren im ersten „Rambo“-Teil der verlorene Vietnamkrieg und die sich moralisch mühsam berappelnde US-Nation. Als gebrochener Veteran und Outlaw gab Rambo 1982 sein Debüt: Krieger und Opfer, an den Rand gedrängter und zu tilgender Makel der Patriotenseele. Erst in den weiteren Teilen wurde er zur muskelbepackten Killermaschine.
Als die US-Nation sich ihren Stolz und ihr Selbstverständnis im Kalten Krieg zurückeroberte, schickte Sylvester Stallone seinen Rambo auf ferne Missionen nach Vietnam, Afghanistan, Burma: brutale Affirmationen der Reagan-Ära. Das Opfer wurde Täter. Blutrünstig, ja. Aber auch schuldfähig? Ganz schön schlau gemacht, dieser einfache Mann! Erwähnten wir bereits, dass auch Rambos Kinoschöpfer Sylvester Stallone viel zu oft unterschätzt wurde? Einzig sein Boxer Rocky, mit dem er seit 1976 den amerikanischen Traum „from rags to riches“ beschwor, hatte sich nicht als Kino-Flop erwiesen. Und so sollte auch „Rambo“ – nun Trauma statt Traum – den einfachen Kern westlichen Wunschdenkens bedienen.
Stallone erkannte das Potenzial der „Rambo“-Romanvorlage David Morrells und schrieb die Drehbuchdetails so um, dass aus der Polizisten tötenden Veteranenbestie besagtes Opfer wurde. Die Folge: Bei einem Budget von rund 15 Millionen US-Dollar und Einnahmen von 125 Millionen war „Rambo“ einer der profitabelsten Filme seiner Zeit. Und durfte fortan mit Gewalt durch die Decke gehen: 1985 spielte nur „Zurück in die Zukunft“ mehr Dollars ein als die Stallone-Filme „Rambo II – Der Auftrag“ und „Rocky IV – Der Kampf des Jahrhunderts“. Kein Wunder, dass Stallone seinen „Rocky Balboa“ 2006 noch einmal höchst erfolgreich wiederbeleben konnte. Und beflügelt von diesem Erfolg 2008, auch die „Rambo“-Reihe fortsetzte.
Am Ende dieses vorletzten „Rambo“-Films kehrt der problematische Held zurück in die USA, und es scheint, als hätte er seinen Frieden gefunden. Aber die Umstände haben sich noch einmal geändert. Und bevor Rambo in Gestalt des heute 73-jährigen Stallone das Gewehr an den Nagel hängen oder im Kugelhagel seine einfache Männerseele aushauchen wird, wer weiß, zieht er noch einmal los. Nach Mexiko. Um von Sexgangstern verschleppte Mädchen zu retten, die von einem besseren Leben in den USA geträumt hatten. Ein Ignorant, der da keine Parallelen zum politischen Geschehen sehen will.
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