Jasmina Amin studierte Jura, als sie in einem bekannten Berliner Edel-Bordell landete – hinter dem Tresen. Sieben Jahre lang lernte sie eine andere Seite der Welt kennen, die sie ihrer arabischstämmigen Familie verschwieg. Unter Pseudonym hat sie ein Buch über ihre Zeit im Luxus-Rotlichtmilieu veröffentlicht.
Playboy: Frau Amin, was haben Sie im Bordell gemacht?
Jasmina Amin: Ich war für den Champagnerumsatz zuständig, Kundenbetreuung also. Ich hatte ein enges Verhältnis zu den Gästen. Auf den Zimmern habe ich nachkassiert, wenn die Gäste länger blieben als gebucht.
Ansonsten waren Sie an der Bar, wo der Abend endet und beginnt?
Ja, grundsätzlich fängt immer alles an der Bar an. Die ist natürlich nicht so voll wie eine Disco. Über den Abend verteilt, sitzen da fünf bis zehn Gäste. Dadurch können sich intime Gespräche entwickeln. Oft wird relativ viel getrunken. Nach ein, zwei Stunden werden die Gäste dann hochbegleitet. Die Zimmer sind sehr elegant eingerichtet. Wenn es ein sehr guter Gast ist, hab ich schon im Voraus den Pool eingelassen und Kerzen angezündet.
Wer waren die unguten Gäste?
Es gibt wirklich schräge Charaktere. Manche gehen ins Bordell und denken, wir sehen uns nie wieder. Die erzählen dann zum Beispiel, sie stünden auf ganz junge Frauen, noch jünger als 18. Da trifft man auf moralische Grenzen. Bei mir hört da der Respekt auf. Manche reden auch abfällig mit den Frauen, weil sie vielleicht sonst nie das Sagen haben. Man schaut da oft drüber hinweg. Zum Glück sind die meisten anders.
Wie verhält sich der perfekte Bordellbesucher?
Er ist charmant und spendabel. Wer schon beim Champagner knausert, ist auch nachher kein toller Gast. Auch die Mädels sollen ja eine schöne Zeit haben. Das ist ein Geben und Nehmen.
Was kostet denn ein Abend im Edel-Bordell?
Das ist unterschiedlich. Der Standard liegt ungefähr bei 5000 Euro. Dass da jemand mal 10.000 oder 15.000 Euro die Nacht lässt, ist aber nicht ungewöhnlich.
Warum leisten sich Männer das?
Aus den verschiedensten Gründen. Manchmal kommt jemand reingeschneit, der überhaupt nicht vorhatte, in ein Bordell zu gehen, und jetzt auf einmal die Zeit seines Lebens genießt. Manche sind unglücklich in der Ehe oder im Job und fühlen sich bei den Mädels aufgefangen. Klar, angesichts der Rechnung denken sich wahrscheinlich einige am nächsten Tag: Ach du Scheiße, was hab ich gemacht! Aber irgendwie war es das ja dann doch wert. Wir Frauen shoppen gerne, machen Wellness und geben dafür viel Geld aus. Männer machen das nicht, dafür gibt’s dann vielleicht mal einen Abend im Bordell.
Ist ein Bordellbesuch Fremdgehen?
Schwieriges Thema! (Lacht) Ich würde es natürlich auch nicht so toll finden, wenn mein Partner ins Bordell ginge. Aber es ist weniger schlimm, als wenn jemand neben der Ehe eine Affäre hat und sich ein zweites Leben aufbaut. Im Bordell sind klare Grenzen gesetzt. Die Frauen aus dem Nachtleben gehen nicht mit ins Tagesleben und rufen nicht ständig an oder schicken SMS. Oft ist im Bordell ja gar nicht mal der Sex das Wichtigste, sondern das Zusammensein, das Reden, einfach so sein zu können, wie man ist.
In Ihren Club kamen viele Prominente, Politiker und Spitzenunternehmer. Haben solche Gäste ausgefallene Wünsche?
Mein Gefühl ist, dass Menschen in sehr hohen Positionen, auf denen sehr viel Druck lastet, ein sehr viel größeres Bedürfnis haben auszubrechen.
Inwiefern?
Die brauchen das wirklich, regelmäßig auszurasten. Die bleiben den ganzen Abend: mit Drogen, vielen Mädels, und sie reden sich ganz viel von der Seele. Einem hochrangigen Politiker mussten wir morgens mal ein frisches Hemd kaufen, damit er nach einer Nacht bei der Domina wieder rechtzeitig zurück in die Sitzung kam.
Sie rechnen pro Stunde ab. Wie lassen Sie die Gäste die Zeit vergessen?
Das hat viel mit der Stimmung zu tun. Man versucht, die Menschen kennenzulernen und herauszufinden, was sie brauchen. Wir haben viel mit den Gästen geredet. Oder einfach Party gemacht. Ein Gast zum Beispiel wollte immer die ganze Nacht nur seine Lieblings-lieder hören und tanzen – mit allen Mädels. Jeder hat ein anderes Bedürfnis, und die Mädels sind für vieles offen, so lange es mit Spaß zu tun hat.
Dazu gehört es für die Frauen, so gut wie möglich um den Sex herumzukommen, richtig?
Ja, auf jeden Fall. Es wird viel getrickst. Oft kommen die Mädels nicht drum herum. Aber wenn sie da ihre Spielchen spielen, finde ich das legitim. Es gibt zum Beispiel diese Technik, bei der der Mann denkt, er hätte Vaginalverkehr, aber in Wirklichkeit dringt er gar nicht ein. Das nennt man „Falle schieben“. Das gibt es schon ganz lange, seit Jahrhunderten oder mehr. Die Mädels bringen sich das gegenseitig bei.
Aus Spaß am Sex hat sich keine Frau in Ihrem Club prostituiert?
Nicht wirklich. Es ist immer das Geld, das im Vordergrund steht. Viele haben nebenbei noch einen richtigen Job. Wir hatten eine Italienerin, die in Italien eine Eisdiele führte und immer nach Deutschland kam, wenn Messen waren.
Haben Sie mal überlegt, selbst als Prostituierte zu arbeiten?
Nein. Für mich ist das zwischen Mann und Frau etwas sehr Besonderes. Ich könnte das nicht. Und hinter der Bar hab ich genug verdient.
Wie viel?
Sehr viel. Es war auf jeden Fall möglich, in einem Monat zwischen 10.000 und 15.000 Euro zu verdienen. Vor allem die Weihnachtszeit ist ein Riesengeschäft. Im Sommerloch waren es aber manchmal auch nur 3000 Euro.
Nicht übel für einen Studentenjob. Haben die anderen Frauen ähnlich verdient?
Meistens mehr. Wir waren eine eingefleischte Truppe und haben uns untereinander viel geholfen und uns die Gäste zugeschoben. Aber man muss ein Talent dafür haben, zu sprechen und zu entertainen. Mädels aus Rumänien oder anderen Ländern können sich halt oft nicht so gut mit deutschsprachigen Gästen unterhalten und verdienen dann auch weniger.
Wie lange machen die Frauen den Job?
Manche sind schon ganz lange dabei. Die Domina macht das seit 15 Jahren. Viele finanzieren sich so ihr Studium und hören danach auf. Und zwischendrin lernen manche Mädels tatsächlich auch mal einen Gast kennen, mit dem sie durchbrennen.
Wie freiwillig ist die Arbeit?
Bei uns hat der Chef darauf geachtet, dass die Frauen nicht im Hintergrund von irgendwelchen komischen Typen gezwungen werden. Das bringt ein schlechtes Flair in die Bar. Ich muss aber ehrlich sagen, bei manchen, die nur wochen- oder monatsweise bei uns gearbeitet haben, wusste man nicht immer, ob alles korrekt zugeht.
Hat sich durch Ihre Arbeit im Bordell Ihr Männerbild verändert?
Ja, unglaublich. Man geht so Phasen durch. Ganz am Anfang dachte ich irgendwann: Männer sind doch alle scheiße. Dann merkt man aber wieder, dass manche auch irgendwie verlorene Seelen sind und dass hinter jedem ein Mensch steckt, der seine eigene Geschichte mit sich trägt. Jemand ist zum Beispiel 20 Jahre verheiratet, und irgendwie finden die nicht mehr zusammen. Man kann über andere nur schwer urteilen.