Wohl auf keinen Film haben Kinofans dieses Jahr so gespannt gewartet wie auf „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“. Einerseits, weil Harrison Ford darin zum letzten Mal den Fedora aufsetzt und mit Peitsche am Gürtel einem Artefakt hinterherjagt. Andererseits, weil der Vorgänger „Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels“ von 2008 die meisten Fans derart enttäuschte, dass sie sich einen würdigen Abschied von dem legendärsten Archäologen der Filmgeschichte wünschen. Doch wird Indiana Jones das nun nach 15 Jahren erneuter Wartezeit gegönnt?
Allein die Entscheidung, dass nicht Meisterregisseur Steven Spielberg, der die Figur zusammen mit George Lucas einst erschuf, das Finale der „Indiana Jones“-Reihe inszeniert, sondern James Mangold („Le Mans 66 – Gegen jede Chance“), stieß schon vielen Fans sauer auf. Dann trudelten im Mai verhaltene bis vernichtende Kritiken von den Filmfestspielen in Cannes ein, wo „Indiana Jones 5“ uraufgeführt wurde. Dunkle Vorzeichen also. Aber bewahrheiten sie sich nun auch wirklich?
Darum geht's in „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“
Während sich die USA aufgrund der erfolgreichen Reise zum Mond in einer Art Glücksrausch befinden, hat Professor Henry Jones Jr. alias Indiana Jones weniger Grund zum Feiern. Der renommierte Archäologe und leidenschaftliche Abenteurer geht nämlich in den Ruhestand. Und darauf hat Indy, wie ihn seine Freunde nennen, so gar keine Lust.
Doch da winkt ein letztes Abenteuer. Über seine Patentochter Helena Shaw (Phoebe Waller-Bridge) erfährt Indiana Jones nämlich, dass sich der NASA-Wissenschaftler Jürgen Voller (Mads Mikkelsen) auf die Suche nach der Scheibe des griechischen Mathematikers Archimedes macht, mit der man angeblich durch die Zeit reisen kann. Der Ex-Nazi, der Indy bereits während des Zweiten Weltkriegs über den Weg lief, will damit ein paar „Fehler“ von Adolf Hitler korrigieren. Da das nicht Gutes bedeuten kann, macht sich Indiana Jones zusammen mit Helena auf, Voller aufzuhalten.
„Indiana Jones und das Rad des Schicksals“: Viel Licht und viel Schatten
Im Großen und Ganzen erinnert der fünfte Teil der Reihe an die Loren-Verfolgungsjagd am Ende von „Indiana Jones und der Tempel des Todes“: Er ist eine Achterbahnfahrt mit vielen Höhepunkten und genauso vielen Tiefpunkten. Dementsprechend energiegeladen geht es „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“ los. Der Prolog, der während des Zweiten Weltkriegs spielt, macht sehr viel Spaß. Die Action ist stark inszeniert, die Kämpfe gegen die Nazi-Schergen einfallsreich gestaltet und das De-Aging, also die digitale Verjüngung von Harrison Ford alias Indiana Jones, überzeugt – trotz einiger Ruckler. Man fühlt sich also direkt in die Original-Trilogie zurückversetzt. Und spätestens wenn die ikonische Titelmelodie einsetzt, kommt Gänsehaut auf.
Wenn wir nun aber bei der Metapher mit der Achterbahn bleiben, kommen nach dem famosen Prolog nun die Berg- und Talfahrten. Harrison Ford ist selbst mit nunmehr 80 Jahren immer noch genial. Dieser Mann ist Indiana Jones und sprüht nur so vor Charisma und Liebe zu dieser Figur. Das spürt man jede Sekunde. Das täuscht auch fast darüber hinweg, dass er für einen Abenteuerfilm mittlerweile zu alt ist. Trotzdem lässt sich bei gewissen Actionsequenzen ein mitleidiger Blick nicht verhindern. Auch nur so lassen sich die öde inszenierten Verfolgungsjagden (erst per Pferd, später per Autorikschas) erklären. Mehr Action kann ein 80-Jähriger eben nicht mehr. Aber das ist nur konsequent – wenn auch traurig.
Doch dann wieder ein Lichtblick, in Gestalt von Phoebe Waller-Bridge („Fleabag“). Ihre gewitzte Helena Shaw ist zwar eine Art Anti-Indy. Sie sucht nämlich nur wertvolle Artefakte, um sie so teuer wie möglich zu verkaufen. Dennoch (oder gerade deswegen) ist die Chemie mit Fords Indiana Jones hervorragend. Ihre Frotzeleien machen wirklich Spaß und sorgen für ein paar Lacher. Deplatziert ist leider hingegen Helenas Sidekick Teddy (Ethann Isidore). Mit ihm wurde versucht, einen neuen Shorty (Ke Huy Quan) aus Teil 2 zu etablieren. Das klappt aber nicht wirklich. Besser gelungen ist dagegen der Auftritt Mads Mikkelsens. Mit seiner stets gewaltigen Präsenz rockt der dänische Schauspieler auch den Bösewicht in „Indiana Jones 5“. Dann aber wieder eine Talfahrt: Boyd Hoolbrok ist als Nazi-Sidekick so überflüssig wie Nazis selbst. Der Mann sollte unbedingt seinen Agenten wechseln.
Dann geht's in den Looping. Die Schatzsuche beginnt und mit ihr eine Reise an mystische und exotische Orte mit allerlei Rätseln. Hier und da schleicht sich auch eine frische Idee ein und wir lernen ein paar neue Freunde (Antonio Banderas als Seebär Renaldo) von Indy kennen, Außerdem gibt es ein Wiedersehen mit Sallah (John Rhys-Davies). Und der ikonische Soundtrack tut sein Übriges, damit man sich zumindest teilweise fühlt wie bei den ersten drei Filmen. Doch wie man in den letzten Jahren bei „Star Wars“ gesehen hat, macht Nostalgie noch lange keinen guten Film. Und so schlittert „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“ am Ende einer ohnehin schon holprigen Achterbahnfahrt in ein Finale, das die Fans und Zuschauer spalten wird. Einige werden fein damit sein, andere wiederum werden es eine Katastrophe nennen.
„Indiana Jones und das Rad des Schicksals“: Ein würdiger Abschluss?
Was ist „Indiana Jones 5“ dann nun: ein würdiges Finale oder ein katastrophales Ende? Weder noch. Ist der Film besser als „Indy 4“? Ja. Aber ist er ein würdiger Abschluss? Eher nicht. Aber wie soll er das auch sein? „Indiana Jones und der letzte Kreuzzug“ hatte 1989 schon das perfekte Ende, als Indy, sein Vater (Sean Connery), Kumpel Marcus (Denholm Elliott) und Sallah in den Sonnenuntergang ritten. Selbst dem Ende von Teil 4 konnte man etwas abgewinnen – auch wenn es kitschig war. So oder so wäre „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“ an der Legende seiner eigenen Hauptfigur gescheitert.
Man sollte einfach akzeptieren, dass gewisse Filmreihen und -figuren nicht mehr weitergehen sollten, weil sie es einfach nicht können. Das gilt für geldgierige Filmstudios wie Disney, dem die Marke „Indiana Jones“ seit 2012 gehört, genauso wie für die Fans. Wer hat denn wirklich ernsthaft geglaubt, dass dem Mäusekonzern ohne Steven Spielberg und George Lucas ein Indy-Film gelingt, der alle Wünsche erfüllt?
Fakt bleibt trotzdem: „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“ ist eine Achterbahnfahrt, die viel Spaß macht und einem gleichzeitig aber auch öfter einen Schrecken einjagt. Für einen Film, dessen Existenz zumindest keine künstlerische Legitimität besitzt, ist das keine schlechte Bilanz. Es hätte nämlich noch viel schlimmer kommen können. Besser oder ähnlich gut wie die Filme der Original-Trilogie wäre hingegen unmöglich gewesen. Mit dieser nüchternen Tatsache muss man sich eben abfinden. Doch wahre „Indiana Jones“-Fans wird das auch nicht aufhalten, ins Kino zu strömen. Denn bei all der Kritik ist es dennoch schön oder eher bittersüß, sich noch einmal von Indy verabschieden zu können.
„Indiana Jones und das Rad des Schicksals“ startet am 29. Juni in den deutschen Kinos.
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