Playboy: Herr Wegmann, als Sie den Iran 2019 erstmals bereist haben, was war die größte Überraschung
Ich muss vorausschicken, dass der Iran schon lange eines meiner Sehnsuchtsländer war. Deswegen wusste ich, man isst dort gut, es gibt tolle Kulturgüter, und die Menschen sind sympathisch. Trotzdem war ich überrascht, wie einfach alles ging, wie offen die Leute sind, wie modern das Land in vielen Bereichen ist.
Man stellt sich den Iran ein bisschen vor wie Nordkorea.
Ja, in vielen Köpfen hat sich ein ziemlich tristes Bild dieses Landes festgesetzt. Und plötzlich sitzt du in einem Hotel im Bauhaus-Stil, bist umgeben von Architekten und Designern, es gibt sogar einen Concept-Store. Die Hotellerie, die im Iran am Entstehen ist, liegt auf europäischem Niveau.
In „Persian Nights“ stellen Sie iranische Boutique-Hotels vor. Machen Sie damit Werbung für eine Autokratie?
Der Iran hat natürlich kein freiheitliches System. Mein Eindruck ist aber, dass sich durchaus auch moderne Kräfte ihren Raum nehmen und die Grenzen ausloten. Frauen müssen ja beispielsweise Kopftuch tragen. Das hängt aber zum Teil so tief, dass es auch als Halstuch durchgehen könnte. Aber zu Ihrer Frage: Ich möchte nicht als Iran-Experte auftreten. An das Buch bin ich ganz unpolitisch herangegangen: Es ist meine ganz persönliche Perspektive. Und es gab noch kein Buch über Hotels im Iran, immerhin ein Land mit 80 Millionen Einwohnern. Diese Lücke wollte ich schließen.
Dann zu den Hotels: Was fanden Sie besonders spannend?
Zum Beispiel das „Joybar“ in Isfahan, das architektonisch auf traditionellen Elementen aufbaut, aber in seinem Minimalismus radikal modern ist. Wie viele andere Hotels ist das Gebäude ein ehemaliges Herrschaftshaus mit einladendem Innenhof, das aufwendig restauriert wurde. Spannend fand ich, dass die Zimmer der porträtierten Boutique-Hotels oft auch in Berlin, Marrakesch oder Palma stehen könnten, gleichzeitig aber immer etwas Ur-Iranisches haben.
Wenn ich dort einchecke, bin ich der einzige Europäer?
Momentan schon, es gibt ja wegen Corona eine Einreisesperre, aber sonst nicht. Natürlich kommt der Großteil der Touristen im Iran aus islamischen Ländern. Aber in dem modernen Segment der Boutique-Hotels und Guesthouses treffen Sie Gäste aus der ganzen Welt. Ich habe Schweizer, Franzosen, Niederländer und Italiener gesehen. Abgesehen von Weltenbummlern sind das oft kulturinteressierte, abenteuerlustige Menschen, oft in Kleingruppen mit einem Guide.
Sie haben gerade Guesthouses angesprochen, die zweite Kategorie in Ihrem Buch. Was ist das?
Die Boutique-Hotels haben einen hohen Standard, die Guesthouses sind einfacher, da teilt man sich auch mal mit anderen die Toilette. Dafür bekommt man da noch einen authentischeren Eindruck. Mit dabei ist zum Beispiel auch ein Höhlenhotel mit Zimmern, die teils schon vor 2000 Jahren in den Fels geschlagen wurden.
Thomas Wegmanns Buch „Persian Nights“ erscheint bei TeNeues (40 Euro)
Alle Artikel