Die Engländer haben den Beweis erbracht, dass ein Gran Turismo und ein Supersportler durchaus auf denselben vier Rädern stehen können: Der McLaren GT verbindet wie kein anderes Auto Tempo mit Komfort

Bisher konnte man ganz klar differenzieren: Der Gran Turismo, kurz GT, ist ein eleganter und komfortabler Wagen für die Langstrecke, in dem sich selbst Geschwindigkeiten jenseits der 200 km/h anfühlen wie ein sanftes Gleiten. Trotzdem bietet er noch genügend Raum für mindestens zwei Erwachsene plus Gepäck für ein erholsames Wochenende. Der Supersportler dagegen liebt das Extreme und zelebriert den Verzicht, insbesondere beim Gewicht. Er ist bis aufs letzte Gramm fokussiert auf Beschleunigung, Geschwindigkeit, Längs- und Querdynamik, für Komfort bleibt bei ihm kein Platz. Kurz, er liebt die Rennstrecke und den aggressiven Tanz um die Kurve.

Credit: © McLaren

Und jetzt steht hier der McLaren GT aus dem englischen Woking. Auf den ersten Blick ein Kurvenskalpell. Das Kohlefaser-Monocoque macht den Wagen so steif und beinahe auch so leicht wie einen Formel-1-Wagen. Der V8-BiTurbo hinter den Sitzen schickt satte 620 PS an die Hinterachse. Genauso sehen Supersportler aus. Doch trägt der Wagen im Namen nicht die zwei Buchstaben GT?

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Hinter den zwei Sitzen sucht man vergeblich nach den üblichen Notsitzen, auf denen man wie in anderen Touring-Sportwagen zwei Kinder oder die Golfbag platzieren kann. Wohin also mit dem Gepäck? Abhilfe schafft die große Heckklappe. Denn hier befindet sich, direkt über dem Motor platziert, die Gepäckablage – auf einer Art Teppich, der so fein isoliert ist, dass die Motor- und Abgashitze dem Gepäck nur noch mit maximal 40 Grad zu Leibe rücken. Die NASA soll bei der Entwicklung des Stoffes geholfen haben. 420 Liter passen rein. Deckel zu, und schon werden Kleidersäcke oder zwei Golfbags sanft gewärmt. Ganz vorn ist noch zusätzlich Platz für weitere 150 Liter, ein Weekender passt locker rein oder die Regenjacken plus Schirme. Mit zwei Kofferräumen, die insgesamt 570 Liter Stauraum bieten, könnte der GT fast schon als der Kombi unter den Supersportwagen durchgehen.

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Auch in der Fahrerkabine besitzt der McLaren dank Technik und Dämmung den Komfort eines GT. Die beiden Hauptgeräuschquellen Motor und Auspuff wurden so in ihre akustischen Schranken verwiesen. Die Sitze, speziell für dieses Auto entworfen, sind super bequem und bieten trotzdem Seitenhalt. Die Reifen von Pirelli rollen extra leise ab. Selbst beim Fahrkomfort muss man keine Abstriche hinnehmen. Stellt man in der Mittelkonsole beide Drehknöpfe auf C für „Comfort“, schaltet das Getriebe deutlich früher hoch, während die adaptiven Dämpfer des Fahrwerks kleinere Schlaglöcher, Kanten und Querfugen völlig geräusch- und widerstandslos ausbügeln. Fast schon fühlt es sich an, als würde man in einer großen Limousine im Stil einer S-Klasse oder eines 7er-BMW sitzen – und nicht etwa in einem zweisitzigen flachen Sportwagen mit einer Höhe von gerade mal 1,22 Metern.

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Wir fahren also zunächst im C-Modus los. C nicht wie Côte d’Azur, wo wir uns mit diesem Wagen im Spätsommerlicht besonders gut sehen lassen können, sondern wie Comfort: ganz ruhig. Die Dämmung ist beeindruckend, das Getriebe legt die Gänge sanft und trotzdem schnell ein. Man merkt es nicht, und schon ist man im siebten Gang unterwegs – bei einem Tempo von 80 km/h. Diese Ruhe, diese Gelassenheit! Dazu Musik aus den Boxen, die man kaum sieht: eine Kabine wie eine Lounge. Dabei ist der GT schnell unterwegs, sehr schnell. So cool wie ein Sprinter, der die 5000 Meter locker in 14 Minuten läuft. Ohne Probleme. Gerade in den Bergen und über die engen Serpentinen rund um Saint-Tropez reagiert die Lenkung des Zweisitzers in den Kurven sauber und präzise. Wenn man den Gasfuß zu sehr senkt oder zu spät bremst, ist die Elektronik zur Stelle. Sie regelt das gutmütig, leise und diskret.

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Der GT kann aber auch zum aggressiven Rennwagen mutieren, schaltet man die beiden Zwillings-Drehknöpfe auf S in den „Sport“-Modus. Wenn man dann den V8 nebst Turbo bei Tempo 80 im zweiten Gang in den Drehzahl-Himmel jenseits der 5000 Touren kommandiert, wechselt die sanfte Lounge-Musik in den aggressiven Drum-&-Bass-Modus. Ein Weckruf für die Besatzung an Bord und alle Passanten, die sich im näheren Umfeld des nun laut röhrenden 4-Liter-Aggregats befinden. Brachiale 630 Newtonmeter Drehmoment beschleunigen die rund 1,5 Tonnen Gewicht des Fahrzeugs nach vorn. Und dank der hohen Verdichtung der schnell ansprechenden Turbolader erreicht man aus dem Stand den Sprint auf 100 km/h in nur 3,2 Sekunden. Lässt man den Fuß für weitere 5,8 Sekunden auf dem Gaspedal zeigt der Tacho bereits die 200 km/h an. Schluss wäre rein theoretisch bei 326 km/h, aber solche Werte erreicht man ohnehin nur in Ausnahmefällen und schon gar nicht auf den französischen Landstraßen rund um Saint-Tropez.

Credit: © McLaren

Nach ein paar schnellen Serpentinen reicht es uns, wir schalten wieder auf C – und sofort stellt sich wieder Lounge-Feeling ein. Zurück in der Stadt, hebt die Elektronik den Wagen leicht an, der Bordsteine wegen. Ein paar Einkäufe, Wein, Olivenöl, natürlich zwei Baguettes: Die Scheibe der Heckklappe ist gegen starke Sonnenstrahlen isoliert, wir könnten das gute Zeug jetzt direkt zurück nach München transportieren. Das erste Stückchen vielleicht noch lässig entlang der französischen Riviera und zum Schluss wie eine Kanonenkugel über die deutsche Autobahn – eine Kombination, wie sie derzeit nur ein McLaren GT beherrscht.  

Credit: © McLaren
MC LAREN GT

Geschwindigkeit
326 km/h

Leistung
620 PS

Drehmoment
630 NM

0–100 km/h
3,2 Sekunden

Hubraum
3994 ccm

Gewicht
1530 KG

Preis 
198.000 Euro

Der Autor testete den Wagen auf Einladung des Herstellers.