Seine Restaurants sind coronabedingt geschlossen, es gibt kein Laufpublikum, aber langweilig wird es dem TV-Koch Steffen Henssler trotzdem nicht: Sein Lieferdienst GO by Steffen Henssler läuft auf Volltouren, seine TV-Show „Grill den Henssler“ ist gerade auf Vox in die 14. Staffel gestartet – und dann ist da vor Kurzem noch ein Kochbuch mit missverständlichem Titel erschienen. Wir erwischen Steffen Henssler am Telefon. Trotz Rekord-Sprechgeschwindigkeit wirkt er sehr aufgeräumt.
Herr Henssler, bei einem großen Online-Buchhändler ist Ihr neues Kochbuch in einer eher ungewöhnlichen Kategorie einsortiert worden, was ist da passiert?
Der Titel „Schnelle Nummer“ scheint bei Amazon gewisse Reize anzusprechen. Und so sind wir bei „erotischen Rezepten“ gelandet.
Das stört Sie aber nicht, oder?
Nö, wir liegen da auf Platz eins, das ist doch ganz gut! (Lacht) Wenn wir aber nur in der einen Kategorie Erfolg hätten, würde ich mir Gedanken machen.
Das Internet hat sich jedenfalls darauf gestürzt. Reiner Calmund hat kommentiert, Liebe gehe ja bekanntlich durch den Magen. Da hat er Recht, Kochen ist auch etwas Erotisches, oder?
Also, wenn man zusammen kocht und ein Glas Wein trinkt, können dabei schon Dinge entstehen. Essen ist was Sinnliches. Gutes Essen macht gute Laune. Ob das gleich erotisch werden muss, weiß ich jetzt nicht. Und zu Erotik in Verbindung mit Reiner Calmund habe ich mir überhaupt noch keine Gedanken gemacht.
Haben Sie schon mal gezielt Ihre Kochkünste eingesetzt, um eine Frau zu beeindrucken?
Hm, nein. Ich geh beim Kennenlernen meistens auswärtig essen – und zwar in meine eigenen Restaurants. So kann ich zeigen, dass ich gleichzeitig kochen kann und auch noch der Chef bin (lacht).
Zurück zum Buch: Der Begriff „Schnelle Nummer“ kommt aus Ihren TV-Shows. Was raten Sie dem Nichtprofi? Wie kann ich zu Hause beim Kochen Zeit sparen?
Erst mal Platz in der Küche schaffen. Viele Leute neigen dazu, sich zum Kochen in die letzte Ecke zu stellen. Das Brett muss eine anständige Größe haben, mindestens 30 mal 40 Zentimeter, nicht so ein kleines Frühstücksbrett. Man hat ein anständiges großes Messer in der Hand. Dafür braucht man Platz. Das ist das Wichtigste – und der Plan, was ich mir eigentlich kochen will. Das heißt: schon mal davor alle Zutaten rauslegen und die Pfanne auf den Herd stellen.
Was halten Sie vom „Meal Prep“-Trend? Dabei kocht man für die nächsten Tage alles vor und muss es dann im Grunde nur noch aufwärmen.
Ist eine Möglichkeit. Dann stellt man sich jeden Samstag hin und ballert sich den Tiefkühlschrank voll. Ich will aber am Montag noch nicht wissen, was ich am Donnerstag esse. Ich schaue immer, worauf ich an dem Tag gerade Bock habe. Vielleicht will ich ja gar keine Nudeln mit Tomatensauce, sondern lieber Kartoffelrösti mit Lachstatar. Ich finde es eine gute Idee, sich Brühen vorzukochen, aber ansonsten schau ich einfach spontan in den Kühlschrank.
Wird Corona langfristig was an unserem Kochverhalten ändern?
Ja hoffentlich! Selberkochen ist immer die bessere Wahl. Und ich glaube, dass sich auch was an der Wahl der Lebensmittel oder beim Fleischkonsum verändert, das wird aber noch länger dauern. Man muss den Deutschen einfach mal klarmachen, dass gute Lebensmittel Geld kosten.
Sie haben ein paar Jahre in den USA gewohnt, ist es da anders?
Ich war in Los Angeles, und da gab es schon vor 20 Jahren eine ganz andere Mentalität. Da war damals schon dieser vegane Trend ganz normal – genauso wie Soul Food und Health Food. Auf der anderen Seite gab’s aber auch Restaurants, wo du nach zwei Bissen Diabetes bekommen hast.
Achten Sie auf gesundes Essen?
Jein, sag ich mal. Ich koche viel selber. Da benutze ich nicht weniger Fett oder mehr Proteine. Aber ich weiß, was ich auf dem Teller habe, womit ich gewürzt habe, dass keine tausend Emulgatoren, Konservierungsstoffe und Geschmacksverstärker drin sind. Das sehe ich als gesund an.
Sie sind in Ihren Rezepten – gegen den Zeitgeist – ein großer Verfechter von Butter, warum?
Weil es mir in erster Linie um den Geschmack geht. Du willst ja auch, wie man so schön sagt, mal eine Fresse voll Geschmack haben. Wem das zu viel Butter ist, der kann ja beim Nachkochen weniger nehmen oder gleich Olivenöl. Oder ein bisschen Sport machen.
Wie halten Sie sich fit? Sie waren mal leidenschaftlicher Boxer, machen Sie das immer noch?
Nein, aber viel Kampf- und Kraftsport.
Und seit Kurzem Yoga, oder?
Was, ich? (Lacht sehr laut) Ja, nee, so weit ist es noch nicht!
Aber dass Ihre neue Freundin Yoga-Lehrerin ist, stimmt schon?
Hab ich auch mal gelesen. Das lass ich mal unkommentiert.
Na gut. Aber, da wir gerade beim Kommentieren sind: Auf Facebook haben Sie kürzlich die Corona-Politik kritisiert und mussten dafür viel Kritik einstecken …
Lustige Wahrnehmung, dass ich Kritik einstecken musste! Es gab über 5000 Kommentare, davon war die Hälfte sehr positiv, über 60.000 Leute haben „Gefällt mir“ gedrückt. Aber das ist vielleicht auch ein Zeichen der Zeit, dass Sie die Kritik so betonen.
Ich konnte ja meine Frage nicht beenden. Sie hatten auf ironische Weise kritisiert, dass im März Friseure wieder öffnen durften, Restaurants aber erst mal nicht. War Ihnen klar, dass das polarisiert?
Klar, aber das gehört in dieser Zeit dazu. Es wird so getan, als ob die Lockdowns in dem Umfang alternativlos wären. Ich finde das schwierig. Es gibt genügend Experten, die das anders sehen. Corona ist nicht schwarz-weiß. Da-rüber müssen wir diskutieren. Und als betroffener Gastronom habe ich natürlich auch eine Meinung dazu, denn wir haben viele wirksame Vorkehrungen getroffen. Ich empfinde es bevormundend, wenn gesagt wird, wir machen alles zu, aber als Belohnung dürft ihr dann mal zum Friseur.
Sehen Sie es nicht als Gefahr, damit von Spinnern instrumentalisiert zu werden?
Ich lasse mich weder in eine Ecke stellen noch vor irgendeinen Karren spannen. Aber ich werde mich als Betroffener weiter zu meinem Bereich äußern. Da bin ich als Gastronom ja auch nicht allein.
Können Sie Kritik einstecken?
Als öffentliche Person musst du das können. Sobald du was sagst, gibt es immer einen Shitstorm. Das ist der Preis, den du zahlst.
Gibt es Menschen, von denen Sie sich gern kritisieren lassen?
Klar. Bei mir im Team lautet das Motto: „Das Bessere ist der Feind des Guten.“ Wenn einer eine bessere Idee als ich hat, wird das gemacht. Ich hab genug starke Personen um mich herum.
Aus welchen Ihrer Fehler haben Sie gelernt?
Na ja, zum Beispiel aus der Sendung „Schlag den Henssler“. Dafür hab ich ein Jahr lang auf die Fresse gekriegt. Da denkst du natürlich hinterher: Hättest du vielleicht nicht machen müssen. Aber hätte, hätte, Fahrradkette.
Auch Ihre erste Sendung bei Vox war ein Flop. Verfolgt Sie so was?
Nein, das gehört dazu, wenn man viel ausprobiert. Der Spruch „Schuster, bleib bei deinen Leisten“ wurde nicht für mich geschrieben.
Kneifen Sie sich manchmal? Sie sind mit mittlerer Reife und Kochlehre gestartet.
Ich denk mir schon manchmal: alles richtig gemacht. Und Glück gehabt. Ich weiß, dass die Sonne mir den Arsch geküsst hat. Aber du musst das Glück auch erkennen und Mut haben, dich darauf einzulassen. Und viel arbeiten.
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