Inhalt
Gentlemen’s Weekend: Begleiten Sie uns zu einem außergewöhnlichen Wochenende ans Mittelmeer nach Montenegro
Und Action: So war das Gentlemen’s Weekend in Leogang im Salzburger Land
Editors’ Talk: Die Herausgeber des deutschen Playboy und der deutschen „Sports Illustrated“ luden Partner, Playmates und Promis zum Sommer-Cocktail
First Lady: Weitsprung-Weltmeisterin Malaika Mihambo
Ein guter Monat für: Cowboys und Abenteurer
15 Fragen an … Rockstar Alice Cooper
Männerküche: Australisch essen und ausgehen
Männerbar: Weine aus Australien
Pro & Contra: Day Drinking
Reise: Das „Hotel Piazza San Paolino“ in Florenz
Motor: Testfahrt im neuen Aiways U6
Playboy-Umfrage des Monats: Wie lieben die Deutschen?
Streitschrift: Vorsicht, Cancel Culture! Wir drohen unsere Werte der Aufklärung und der Demokratie zu verlieren, warnt Ex-Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin
Doktor Tod: Zu Besuch bei Rechtsmediziner Fred Zack – einem Mann, der die dunkelsten Seiten des Menschen kennt
Matthias Schweighöfer: Der Filmstar über seine Karriere in Hollywood, seinen Ehrgeiz und seinen Umgang mit Niederlagen
100 Jahre Le Mans: Mythos und Wirklichkeit des legendären 24-Stunden-Rennens
Mein Schlitten: Florian Wagner und seine „Lara“
In Südafrika feierten wir ein erotisches Wiedersehen mit der bezaubernden „Sturm der Liebe“-Schauspielerin Tanja Lanäus
Playmate: Unsere Miss September, Kamila Stankowiak, genießt die Sonne Mallorcas
Blende Sechs: Diana Dobrea zeigt uns ihr sinnlichstes Solo
Mode: Deutsche Designsprache in der Männergarderobe für die nächste Saison
Pflege: Die Haare des Jahres
Erika Lust: Die Sexfilm-Regisseurin im Interview über Pornos auf der Kinoleinwand und die Bedeutung ihrer Arbeit
Tagebuch einer Verführerin: Sophie Andresky fordert mehr Wertschätzung weiblicher Brüste
Denzel Washington: Der Hollywood-Star kehrt als „Equalizer“ auf die Leinwand zurück und erklärt im Gespräch, wie er selbst zu Gewalt steht
Bücher: Die Literatur-Tipps des Monats
- Editorial
- Making-of
- Leserbriefe
- Berater
- Witze
- Cartoon
- Impressum
- Bezugsquellen
- Playboy Classic
Filmpremiere im Phenomena-Kino in Barcelona, einem der schönsten Lichtspielhäuser der Welt: Die geladenen Gäste haben sich herausgeputzt, drängen sich in sommerlichen Anzügen, in glitzernden Kleidern und in ausgelassener Stimmung vor dem Eingang und am Popcornstand. Als wenig später im voll besetzten Saal das Licht ausgeht, herrscht gebannte Stille. Und dann sehen die 450 Gäste auf der Leinwand, was man in einem Mainstream-Kino eher selten sieht: explizite Sexszenen. Oder einfach ausgedrückt: einen Porno. Wir sind auf der Premiere von Erika Lusts neuestem Film „The Wedding“.
Einen Tag zuvor haben wir Erika Hallqvist, wie sie bürgerlich heißt, in ihrem Büro im Herzen Barcelonas getroffen. Jeder Zentimeter ihres Headquarters spiegelt ihre Leidenschaft für Pornos wider. Filmtrophäen zieren den Eingangsbereich des geräumigen Altbaus. Erotische Bilder hängen unter dem Stuck an den Wänden, bunte Accessoires wie ein „Gang Bang“-Türschild und Sex Toys lassen die Räume der Produzentin wie ein großes, sexpositives Wohnzimmer wirken. Wir nehmen auf ihrer Dachterrasse Platz …
Frau Lust, was fasziniert Sie so an Pornografie?
Das Potenzial, Geschichten über sexuelle Erfahrungen zu erzählen. Porno ist das einzige Forum, in dem wir mit expliziten Sexbildern spielen dürfen. Woanders ist das überall verboten. In den sozialen Medien oder im TV dürfen wir nichts davon zeigen.
Von Zensur auf Social Media können sogar wir beim Playboy ein Lied singen …
Die Menschheit wollte schon immer sexuelle Gefühle ausdrücken. Denken Sie an Höhlenmalereien, an die alten Griechen, die Römer, oder ans „Kamasutra“. Sexualität ist Teil unserer Identität. Ich existiere nur, weil Menschen Sex hatten. Das treibt mich an, das will ich verstehen und erforschen. In den 60ern und 70ern wurden Pornos auf ganz andere Weise genutzt. Sie liefen in großen Kinos und waren eine liberale, politische Bewegung gegen eine konservative Gesellschaft, in der Filmemacher ihre Ideen ausdrückten. Das hat unsere Sicht auf die Sexualität verändert.
Erika Lust im Playboy-Interview: „Sexualität ist Teil unserer Identität“
Wie ist es heute?
Porno ist in die Ecken des Internets gedrängt worden, wo das meiste auf kostenlosen Tube-Seiten gezeigt wird. Seiten, die zu dem gehören, was ich „Big Porn“ nenne. Ein Establishment, das nicht an Sexualität oder Vielfalt interessiert ist, sondern an Geld. Sie verkaufen Werbung an Menschen, die es schwer haben, sich emotional mit anderen Menschen zu verbinden. Die bis spät in die Nacht Pornos schauen, weil sie in ihrem Leben keine sexuellen Erfahrungen gemacht haben.
Was macht das mit diesen Menschen?
Sie konsumieren Pornos wie Fast Food und werden süchtig. Sie klicken sich von Seite zu Seite, sehen penetrative Sexmaschinen und konsumieren diese chauvinistische, rassistische Sprache. Es ist dort überall die Rede von „Schlampen“, die „genagelt“ werden, und so weiter. Das ist eine sehr mechanische, gewalttätige Sprache. Männer denken, dass sie auch wie diese Sexmaschinen sein müssen. Und junge Frauen lernen, dass ihre Sexualität ein Werkzeug für die männliche Sexualität sein soll. Dass ihre Rolle darin besteht, den Mann zum Kommen zu bringen, und dass vier Minuten harter Vaginalsex für einen wunderbaren Orgasmus ausreichen. Aber das stimmt nicht, das ist absoluter Fake.
Wann haben Sie damit angefangen, Ihre Filme im Kino zu zeigen?
Als ich 2004 meinen ersten Kurzfilm gedreht hatte, habe ich als Allererstes einen Projektor bei mir zu Hause aufgestellt. Ich lud Freunde ein und habe den Film auf eine große weiße Wand geworfen. Ich wollte die gesellschaftlichen Tabus um Pornos brechen und Teil einer kulturellen Konversation sein. Ich möchte diese Entwicklung zwischen Menschen zeigen: Wie kommt es zum Sex? Das geht nur, wenn man einen Film mit einer Handlung hat.
Erika Lust im Playboy-Interview: „Ich will die gesellschaftlichen Tabus um Pornos brechen“
Warum ist Ihnen dieser Teil so wichtig?
In Hollywood wird uns vom Sex nichts gezeigt. Dann gibt es europäische Filmemacher wie Lars von Trier, die Sex in Indie-Filmen zeigen. Aber dort ist Sex immer etwas sehr Problematisches, Düsteres. Ich sehe nur wenige, die uns eine positive Sexualität zeigen. Es ist, als ob die Lust aus dem System verdrängt worden wäre. Ich finde es sehr ermutigend, anderen Menschen beim Sex zuzusehen.
Ist das der Grund, warum Sie mit „The Wedding“ eine Liebeskomödie produziert haben?
Ich will etwas erschaffen, das Spaß macht! Ich wollte einen Film, der sich gut anfühlt, in dem es aber auch um eine moderne Sichtweise der Sexualität geht. In dem die Ehe nicht unbedingt eine Zweierbeziehung ist, sondern auf verschiedene, auch polyamore Arten genossen werden kann.
Glauben Sie, dass es Ihren Zuschauern unangenehm sein könnte, ein Paar auf einer Hochzeit beim Sex mit anderen zu sehen?
Selbst wenn, ist das nicht schlimm, oder? Denn wenn wir uns unwohl fühlen, dann fragen wir uns, warum. Und das ist der Punkt, an dem wir bereit sind, etwas Neues über uns selbst oder die Welt zu lernen.
Für einen Film mit Handlung müssen die Darsteller andere Fähigkeiten mitbringen und mehr schauspielern können als in einfachen Pornos, oder?
Das ist manchmal nicht so einfach, weil die meisten Porno-Darsteller nicht so sehr an Dialoge gewöhnt sind. Sie kennen es nicht, eine Figur zu verkörpern. An anderen Sets heißt es: „Brünett und blond aufs Sofa – und wir haben einen Film.“ Und dann komme ich und sage: „Hier sind vier Seiten, ihr müsst diesen Dialog lernen.“ (Lacht) Viele der Darsteller, mit denen ich zusammenarbeite, sind sehr stolz auf unsere Arbeit. Sie zeigen die Filme ihren Eltern oder Familienmitgliedern. Jemand hat mir sogar erzählt, dass er sie seiner Oma zeigt. Ich arbeite hier eng mit den Talentmanagern und den Intimitätskoordinatoren zusammen, die über die Erfahrung der Darstellerinnen und Darsteller Bescheid wissen.
Was machen diese Koordinatoren?
Sie sind die direkten Ansprechpersonen für die Darsteller. Als Regisseurin muss ich immer auf Entscheidungen drängen, die den Film voranbringen, und kann nicht alles gleichzeitig im Blick haben. Natürlich versuche ich, so viel wie möglich an die Darsteller zu denken, aber es ist wichtig, dass sie jemanden haben, der nur an sie denkt.
Wie verändert sich die Branche dahingehend?
Als wir anfingen, so zu arbeiten, hatten die Darsteller immer noch Angst, etwas zu sagen, wenn ihnen unwohl war. Sie hatten das Gefühl, dass es ein Machtungleichgewicht gibt. Aber in den letzten Jahren sind sie immer sicherer geworden und trauen sich, ihre Meinung und Gefühle zu äußern, wenn sie etwas auf dem Herzen haben.
Wie haben Sie sich dieses Vertrauen erarbeitet?
Nach Drehs verschicken wir einen Fragebogen und fragen, was wir besser hätten machen können. Beim nächsten Dreh haben die Darsteller dann gesehen, dass sich diese Dinge positiv geändert haben.
Sie versuchen, Sex zu zeigen, der nicht glatt und perfekt ist. Wie passt das mit der Idee zusammen, Pornos als eine Fantasie von Sex zu sehen, den man nicht haben kann, aber gerne sehen würde?
Ich denke, dass beides zusammengehen kann. Manche sagen: „Erika macht realistische Sexszenen“, und dann sage ich: „Nein, nein, nein, sei vorsichtig! Realistisch ist nicht das richtige Wort.“ Nachvollziehbar trifft es besser. Denn am Ende kann es durchaus eine Fantasie sein. Fantasie ist ein wichtiger Teil unseres Begehrens. Nicht jede Fantasie wollen wir auch ausleben. Gleichzeitig möchte ich Sex zeigen, der sich für die Zuschauer nachvollziehbar anfühlt. Und dazu gehört, dass Frauen nicht als Werkzeuge benutzt werden, sondern wahrhaftige sexuelle Erfahrungen machen. Dass man sieht, wie sie ihre Hände benutzen, um ihre Klitoris zu stimulieren. Oder dass man die Kommunikation zwischen den Partnern sehen kann. Es ist wichtig, diese Art von Unterhaltungen zwischen den Darstellern zu zeigen. Das kann Leuten helfen, selbst mehr über Sex zu sprechen. Denn ich glaube, die meisten von uns sind ziemlich schlecht darin. Irgendwie haben wir die Vorstellung, dass es unsexy ist, über unsere Wünsche zu reden. Wir denken, dass wir fühlen müssen, was die andere Person will, was absolut lächerlich ist.
Also haben Sie auch einen aufklärenden Anspruch?
Ich bin mir der Botschaften bewusst, die ich aussende. Dieses Bewusstsein fehlt der Porno-Industrie im Allgemeinen. Denn die meisten machen ihre Filme nicht, um aufzuklären. Aber da die Sexualerziehung in den meisten Ländern so unterkühlt ist, nutzen junge Leute das Internet, um sich über Sex zu informieren. Wenn man online nach Sex sucht, landet man schnell auf expliziten Seiten, wo es gratis Pornos zu sehen gibt. Ich glaube, die enthalten viele schädliche Botschaften.
Die Pornos, die Sie machen, sind nicht kostenlos. Wie hat sich die Bezahlung für Ihre Pornos in den letzten Jahren entwickelt?
Die Leute bezahlen dafür, es funktioniert gut. Auch wenn ich wünschte, wir wären billiger. Aber das ist sehr schwierig, weil wir sehr hohe Gebühren für die Zahlungsabwicklung an Visa und Mastercard zahlen. Sie haben sehr viel Macht. Gleichzeitig sind wir die „bösen Menschen“.
Wie meinen Sie das?
Wir dürfen Zahlungsplattformen wie PayPal oder Stripe nicht nutzen. Es ist sehr schwer, ein Bankkonto zu bekommen, wenn man in der Porno-Branche ist. Für viele Porno-Stars ist es sogar schon schwer, eine Wohnung zu bekommen. Das klingt absolut lächerlich, aber es ist so. Die meisten Leute wollen sie nackt sehen, aber nicht, dass sie ihre Wohnung mieten. So heuchlerisch ist unsere Gesellschaft leider: Wir sind mitten in der Gesellschaft, werden aber als Außenseiter und schlechte Menschen abgestempelt. Wir kämpfen mit einem enormen Stigma. Wir kämpfen mit Medienberichten, die der Welt erzählen, dass wir diese armen Clowns sind. Dass wir lächerliche Leute sind, die nichts über die Wirtschaft, das Kino, den Feminismus oder die Welt wissen. Die meisten denken, dass Leute, die in Pornos arbeiten, keine andere Chance im Leben hatten, aus armen Verhältnissen kommen oder dazu gedrängt wurden. Aber wenn wir hier über meine Pornos sprechen, die einen hohen Standard haben, ein großes Budget, cineastisch sind und mit einem Intimitätskoordinator arbeiten – dann klingt das doch alles ziemlich fabelhaft, oder? Ich habe eine Ausbildung, ich habe Politikwissenschaften studiert, und in einem Interview können wir über Feminismus reden.
Es gibt im Feminismus geteilte Meinungen über Pornografie …
Ein Teil der Bewegung will die Sexarbeit komplett abschaffen und hält sie für falsch – und der andere Teil ist der Meinung, dass wir das Recht auf unseren eigenen Körper haben. Und wenn ich meinen eigenen Körper vermarkten will, ist das meine Entscheidung. Aber am Ende ist Sexarbeit eine der großen Schlachten des Feminismus.
Erika Lust im Playboy-Interview. „Sexarbeit ist eine der großen Schlachten des Feminismus“
Wäre es Ihrer Meinung nach eine gute Idee, wenn Pornos regelmäßig im Kino gezeigt würden?
Ich denke, dass es eine erstaunliche Erfahrung ist, diese sexuell ausgedrückten Ideen auf der großen Leinwand zu sehen. Das eröffnet die Möglichkeit für Gespräche. Das will ich auslösen: Man sieht sich etwas an und spricht dann darüber, was man gefühlt hat, denkt darüber nach. Die Leute lieben den Nervenkitzel und das Gefühl, dass es sich auch ein bisschen verboten anfühlt. Und was die Zuschauer wirklich lieben: wenn die Darsteller nach dem Film auf die Bühne kommen und sie sehen, dass das einfach auch nur Menschen sind. Menschen, denen sie Fragen stellen können.
Gibt es eine bestimmte Zielgruppe für Ihre Filme?
Es gibt ziemlich viele Männer, die – und das ist kein Problem – gleichzeitig auch Tube-Seiten schauen, aber versuchen, sich irgendwie weiterzubilden. Dann haben wir ein großes Publikum von Paaren, bei denen man merkt, dass die Männer darauf drängen, gemeinsam mit ihren Frauen Pornos zu schauen. Und die Frauen sagen dann: „Ich werde mir den Porno nicht mit dir ansehen. Aber ich schaue mit dir diesen anderen von Erika Lust, wenn du willst.“ Und dann gibt es viele junge Leute, die nie die Sexualerziehung bekommen haben, die sie wollten. Sie haben keine Antworten auf ihre Fragen gefunden. Ich glaube, dass sich die Sexualität verändert hat und heute viele Menschen weniger heteronormativ und in viele Richtungen offen sind. Sie wollen ihren Weg akzeptieren und mehr über andere Menschen erfahren, die sich in ähnlichen Situationen befinden.
Welche Altersklasse haben Sie im Sinn, wenn Sie einen Film drehen?
Die meisten Leute, die sich meine Pornos ansehen, sind wohl zwischen 25 und 40. Insgesamt ist unser Publikum aber zwischen 18 und 110. Erst kürzlich schrieb uns eine sehr alte Dame, die sehr aktiv war, dass es einfach erstaunlich sei, „wie die Leute das heute machen“ (lacht).
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