Playboy: Herr Mischke, Sie waren mit der Bundeswehr in Mali im Einsatz oder haben sich in Afghanistan auf die Spur von Heroin-Händlern begeben. Wie gut muss man sich auf solche Einsätze vorbereiten?
Mischke: Man muss sich auf jeden einzelnen Dreh sehr genau vorbereiten. Es spielt keine Rolle, ob man nach Indonesien fährt und sich mit illegalem Tierhandel auseinandersetzt oder in Kabul den Drogen-Händlern nachspürt. Die Vorbereitung ist von Geschichte zu Geschichte unterschiedlich intensiv. Für Afghanistan haben wir dem Team ein Sicherheitstraining verordnet. Dabei lernt man wie man sich in Krisensituationen verhält, zum Beispiel, was du tun musst, wenn eine Bombe neben dir explodiert.
Und wie verhält man sich in solch einem Moment?
Es kommt immer auf die Art der Bombe an. Wenn du in einem Kriegsgebiet bist, dann ist es wahrscheinlich, dass du von einer Mörsergranate getroffen wirst. Dann solltest du dich flach auf den Bauch legen, weil die Detonation in einem V-förmigem-Trichter nach oben verläuft. Bei einer Handgranate ist es so, dass du nicht wegrennst, sondern dich fallen lässt. Du legst dich dann mit den Füßen zur Handgranate hin und nimmst die Hände über den Kopf, sodass die Splitter nur deine Fußsohle treffen. In Krisengebieten sollte man deswegen niemals mit Sneakers tragen. Leider habe ich das aber jahrelang gemacht.
Mit welchen Gefühlen sind Sie in diese gefährlichen Länder gereist?
Ich bereise jetzt seit ungefähr sechs Jahren gefährliche Länder, um Geschichten daraus zu erzählen. Bei „Uncovered“ ist es immer ein bisschen schwieriger, unerkannt zu bleiben, weil wir ja zu dritt oder zu viert reisen. Am Anfang habe ich gesagt, ich fahre nicht in den Kongo oder nach Afghanistan. Nicht aus Angst, aber wofür auch? Es dankt dir ja keiner, wenn dir was passiert – zumindest dachte ich das bisher immer. Mittlerweile kann ich aber sagen, dass das tatsächlich nicht stimmt! Der Zuschauer dankt es doch sehr, dass wir ihm die Möglichkeit geben, in diese Länder reinzugucken. Das hat mir sehr viel Angst genommen, was natürlich auch ein bisschen leichtsinnig ist. Aber wir bereiten uns immer sehr gut vor. Lässt du der Angst freie Hand, fängst du an, irrational zu handeln und das kann dann eine Gefährdung für das ganze Team darstellen.
Wie schwer war es, an die betroffenen Menschen vor Ort heranzukommen?
Sehr schwer, weil wir einen ganz anderen Weg gehen, als den, der sonst üblicherweise beim Fernsehen gegangen wird. Da wird meistens alles so gut wie möglich im Vorhinein geplant. Das machen wir nach Möglichkeit zwar auch, aber wir müssen unser Gerüst öfter verlassen. Meistens fällt dieses schon am ersten Tag vor Ort in sich zusammen und du fängst dann wieder ganz von vorne an. Wir sind oftmals bis zu 14 Tage vor Ort und erarbeiten uns das Vertrauen unserer Gesprächspartner, indem wir mit ihnen Zeit verbringen und Gespräche führen, ohne dass dabei eine Kamera läuft.
Im Trailer zur Staffel sieht man einerseits bedrückende Szenen, andererseits aber auch strahlende Gesichter. Welche Glücksmomente haben Sie bei den Menschen, die Sie unterwegs getroffen haben, erlebt?
Das ist immer ganz eng damit verbunden, was wir bei „Uncovered“ den Zuschauern erzählen. In einer Folge versuchen wir das "Darien Gap" zu durchqueren. Das ist so ein Stück Urwald zwischen Panama und Kolumbien, durch das ganz viele Flüchtlinge laufen. Es zu bereisen ist wahnsinnig schwer, weil es irre gefährlich ist. Es ist total unkalkulierbar, weil du einfach nicht weißt, was dir morgen passieren kann. Dort haben wir einen Flüchtling begleitet. Wir kamen uns alle sehr nahe und hatten alle die gleiche Angst. Der einzige Unterschied zwischen mir und dem Flüchtling war, dass ich dafür bezahlt wurde, da durch zu gehen. Mein Leben war aber genauso gefährdet wie seins. Er verlässt diesen Wald natürlich mit der Ungewissheit, was danach kommt. Ich weiß, ich komme wieder nach Hause. Aber als wir uns verabschiedet haben, war da keinerlei Missgunst. Wir haben uns umarmt und waren froh, dass wir die gefährliche Etappe gemeinsam durchgestanden haben. So entstehen Glücksmomente bei den Menschen.
Welches war der prägendste Moment bei den Dreharbeiten zur neuen Staffel?
Da gab es sowohl einen positiven, als auch einen negativen. Als wir in Kabul waren, hat sich ein Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt – nur 500 Meter von uns entfernt. Wir haben das Ganze verschlafen, weil wir so erschöpft waren. 20 Minuten später sind wir runter gegangen in das Safe House, in dem Journalisten einigermaßen geschützt arbeiten können. Dort saßen dann unzählige Kollegen und weinten, weil sie eine halbe Stunde vorher Leute verloren hatten.
Der positive Eindruck war die Durchquerung des "Darien Gap". Wir haben unglaublich viel an Kosten und Mühen da hineingesteckt, um dann doch zu scheitern und immer wieder zu scheitern. Irgendwann habe ich die Schnauze richtig voll gehabt und gesagt, wir gehen diesen Weg jetzt einfach selbst ohne Leute, die uns dabei helfen. Also volles Risiko. Und wir haben es geschafft. Dieses Gefühl, dass wir den Urwald passiert haben, ohne, dass uns etwas passiert ist und auch noch einem Menschen helfen konnten, war gigantisch.
Wo sind Sie auf Ihren Reisen an Grenzen gestoßen?
Während wir das "Darien Gap" durchschritten haben, bin ich richtig krank geworden. Das ist halt nicht so ein Urwald, wie wir ihn alle von einem Thailand-Urlaub kennen. Das ist ein richtiger Dschungel, der natürliche Tod durch die Natur ist da unglaublich nahe. Das spürst du bei jedem Schritt, alles piekst, alles sticht, jeder kleinste Kratzer wird sofort zu einer Eiterbeule, weil nichts heilt. Ich habe dann auch sofort eine richtig fiese Infektion bekommen. Du musst dich ja irgendwo waschen, weil dein Körper wegen der ständigen Feuchtigkeit zu schimmeln beginnt. Doch oft bleibt dir das im Dschungel verwehrt. Das war auf jeden Fall ein körperliches Extrem.
Wie sah Ihre seelische Gefühlswelt vor Ort aus?
Ich glaube, ich war den Tränen selten so nahe, wie in der dritten Staffel. In Mali waren wir WIE LANGE mit einem Guide unterwegs, der uns sein Land zeigen wollte, auf das er so stolz ist. Wir haben es sogar geschafft, die Bundeswehr davon zu überzeugen, dass wir das Camp einmal ohne deren Schutz verlassen können. Als wir dann mit den Bewohnern der Stadt Gao ins Gespräch kamen, kann ich mich noch genau an diesen trocken klingenden Schuss erinnern. Es war ein Schuss aus einer AK47, die Schüsse davon erkennst du auf der ganzen Welt. Zehn Minuten später bekommt der Guide einen Anruf, dass hier gleich richtig was losbricht. Wir mussten sofort zurück ins Camp. Da läuft es dir eiskalt den Rücken herunter. Als wir vor dem Camp standen, habe ich einfach angefangen zu heulen, weil dieser Mann uns 14 Tage lang begleitet hat und er uns sein sicheres Land hier zeigen wollte. Ich konnte im Camp bleiben, aber er musste dann rausgehen ins Ungewisse und wir haben ihn danach nicht mehr gesehen.
Sie haben sich in Afghanistan auf die Spur nach dem Heroin gemacht und den Weg bis nach Deutschland verfolgt. Was wird in Afghanistan gegen Heroin getan? den Handel?
Wenn man davon ausgeht, dass dieser kriegerische Zustand, der ja schon etwas länger dort herrscht – und nicht erst seitdem die Amerikaner da sind – seine Wurzeln eigentlich im Heroin hat, dann wird zu wenig dagegen getan. Mal wird hier ein Feld verbrannt, mal wird dort ein Feld verbrannt. Aber Opium ist eine Kulturdroge, das darf man nicht vergessen. In dieser sehr kargen Landschaft leben sehr viele Menschen vom Heroin, auch die Taliban leben von dem Verkauf von Heroin. Du musst etwas gegen die Produktion von Heroin tun, gegen das Illegale daran, gegen die Opiat-Abhängigen in Afghanistan. Die Wenigsten sind sich bewusst, dass dieses Land auch eine enorme Opiat-Krise hat. Die Menschen sind nicht arbeitsfähig, weil sie auf Opium unter Brücken liegen. Es war lange nicht üblich, dass die Afghanen ihr Heroin selber rauchen. Aber in den letzten Jahren ist das Land auch durch den Konsum des eigenen Heroins kaputtgegangen.
Wie gehen Sie im Alltag mit dem Erlebten um, insbesondere nach Ihrer Rückkehr in Deutschland?
Es hilft mir sehr, darüber zu reden. Ich spreche viel mit meinen Eltern darüber, die können mich da ganz gut auffangen. Ich rede auch viel mit Freunden darüber. Die können das aber auch nicht immer verstehen, weil es so unglaublich schwer ist, sich das vorzustellen. Die haben dann auch irgendwann aufgehört, mir Fragen zu stellen, weil sie Angst vor einer fiesen Antwort haben. Zusätzlich fahre ich in den ersten zwei bis drei Wochen nach solchen Reisen sehr viel U-Bahn und lese Bücher. Das beruhigt mich sehr – dieses unter Menschen sein.
"Ich bin kein Merkel-Fan – ihre Partei ist nicht meine Partei – aber der Rest der Welt sieht einfach, was diese Frau für Deutschland geleistet hat"
Was macht Ihnen hier in Deutschland Angst?
Gewalt, die im Schatten passiert. Dadurch ist sie sehr plötzlich und unerwartet. Solche Clan-Geschichten sind auch nicht ohne. Wir haben dieses Jahr sehr viele Deutschland-Bezüge in unseren Filmen. Wir haben den Weg von illegaler Arbeitsbeschäftigung von Rumänien bis nach Deutschland verfolgt. Wenn du in Mexiko einen Folterer interviewst, weißt du, der foltert dich danach nicht. Wenn du hierzulande eine Geschichte über illegale Arbeitsbeschäftigung machst, die von Rumänen ausgeführt wird, kann es schon mal sein, dass du von jemandem Dresche bekommst, wenn du zu nah rangehst.
Was denken die Menschen, die Sie getroffen haben, über Deutschland?
Ach, die lieben uns alle. Ich bin kein Merkel-Fan – ihre Partei ist nicht meine Partei – aber der Rest der Welt sieht einfach, was diese Frau für Deutschland geleistet hat. Sie hat sich in der Flüchtlingskrise hilfsbereit gezeigt. Das wird ihr hoch angerechnet, vor allem auf dem afrikanischen Kontinent. Als ich in den 90er-Jahren als Kind mit meiner Oma sehr viel gereist bin, wurden wir als Deutsche entweder auf Michael Schumacher oder auf Adolf Hitler angesprochen. Heute wirst du auf Michael Schumacher und Angela Merkel angesprochen – aber im Positiven. In den Dörfern Malis wirst du gefragt, was du von Angela Merkel hältst. Überleg mal, wie viele Leute sagen können, wer Premierminister von Mali ist. Das ist schon beeindruckend, wie positiv du in vielen Ländern dieser Welt als Deutscher empfangen wirst.
Wie verfolgen Sie den Weg der Menschen, die Sie begleitet haben, weiter?
Ich schaffe es nicht, zu allen Kontakt zu halten. Aber es gibt zum Beispiel aus der letzten Staffel die Folge, in der ich mit Train Kids auf dem Zug durch Amerika reise. Mit einem davon schreibe ich regelmäßig, weil ich den als Menschen sehr besonders fand. Wenn du 48 Stunden mit jemandem auf so einem Güterwaggons liegst und riechst wie so ein schöner Sack Katzenstreu, dann versteht man sich einfach gut.
"Realität: Das ist die Wellblechhütte und nicht die Eigentumswohnung in Berlin-Mitte"
Gab es nach Ihren Reisen irgendwo Verbesserungen der Situation?
In der letzten Staffel haben wir über illegalen Organhandel in Ägypten berichtet. Dort ist im Nachgang Folgendes passiert: Zunächst hat uns Ägypten wegen Propaganda gegen den Staat verklagt. Das führte dann aber dazu, dass es in allen Krankenhäusern, in denen wir heimlich gefilmt haben, Razzien gab. Und vermeintlich wurde versucht, diesen illegalen Organhandel zu unterbinden. Die Sendung wurde ausgestrahlt, eine Dreiviertelstunde später gab es eine originale arabische Übersetzung davon und innerhalb von 24 Stunden hatten wir zweieinhalb Millionen Klicks auf YouTube. Ich kriege bis heute Nachrichten von Ägyptern, die sagen: „Hier ist wieder ein Fall, kannst du uns helfen.“ Ich würde sagen, wir haben Aufmerksamkeit auf uns gezogen. Mehr können wir erstmal nicht machen.
Was haben Sie durch Ihre Reisen gelernt?
Ich bin immer wieder dankbar und glücklich, zu Hause zu sein. Mit einem nicht beschreibbaren Abstand zum Rest der Welt geht es uns hier in Deutschland sehr gut. Man muss sich vorstellen, dass das, was wir hier als Armut bezeichnen, im Rest der Welt die Normalität ist. Realität: Das ist die Wellblechhütte und nicht die Eigentumswohnung in Berlin-Mitte. Das lernst du auf diesen Reisen.
Die neue Staffel „Uncovered“ läuft ab jetzt immer dienstags um 22:15 Uhr auf ProSieben.
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