Felix Neureuther: "Als Profi lebt man oft in seiner eigenen Welt"

Deutschlands bester und beliebtester Skifahrer ist wieder zurück auf der Piste. Im Playboy-Interview verrät Felix Neureuther, was er sich für die kommende Saison vornimmt, warum er Kinderbücher schreibt und wie es nach seiner Karriere als Skifahrer weitergehen könnte.

"Ah, der Playboy", begrüßt mich Felix Neureuther zum Interview mit festem Händedruck und breitem Grinsen. "Wir sind schon Glückspilze, haben wir doch beide den schönsten Job der Welt, oder?". Ich nicke, er lacht. Das deutsche Ski-Ass wirkt so motiviert, als würde er sich in jedem Moment seine Skier umbinden und die nächste Abfahrt hinunterstürzen. Und das nach schwerer Knie- und Rückenverletzung.

Playboy: Herr Neureuther, wie geht es Ihrem Knie?
Felix Neureuther: Dem Knie geht es super! Ich habe auch kaum noch Schmerzen und die Kraft kehrt langsam wieder zurück. Es wird also.

Können wir also zum Saisonauftakt am 28. Oktober in Sölden mit ihnen rechnen?
Naja, ich hoffe es. Gerade die Beinkraft ist da bei mir noch so ein Thema. Ich werde in den nächsten Tagen eine Entscheidung treffen, ob ich in Sölden wirklich an den Start gehen werde.

Felix Neureuther und Playboy-Redakteur Max Marquardt (re.)
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Ihre Kreuzbandverletzung am linken Knie sowie ihre Wirbelsäulenprobleme haben Sie zwischenzeitlich stark zurückgeworfen. Haben Sie für Sölden ein klares Ziel vor Augen oder ist es für sie wichtig einfach nur dabei zu sein?
Für mich persönlich beginnt die Saison ja sowieso erst Anfang Dezember. Und nach einer schweren Verletzung wie dieser, muss man auch einfach den Tatsachen ins Gesicht blicken. Sich jetzt schon Gedanken über irgendwelche möglichen Platzierungen zu machen, wäre einfach noch fernab der Realität. Mein großes Ziel ist es, wieder so Ski zu fahren, wie ich es kann. Wenn mir das gelingt, dann stimmen auch die Ergebnisse. Alles andere kann ich sowieso nicht beeinflussen.

Trotz zahlreichen Verletzungen sind sie immer wieder aufgestanden und haben hart dafür trainiert, um wieder auf die Piste zu kommen. Inzwischen sind Sie 34 Jahre alt. Hat man da eigentlich noch Lust auf diese Quälerei?
Ich muss ehrlich zugeben: Es fällt mir manchmal schon schwer. Besonders nach so einer schweren Verletzung, die mit so viel Genesungs-Arbeit verbunden war. Da gibt es natürlich so Momente, an denen man zweifelt ob das alles noch Sinn macht. Gerade wenn man ein Kind hat, verschieben sich viele Prioritäten einfach. Aber ich muss auch sagen, dass bei mir auch immer nach einer gewissen Zeit wieder das Kämpferherz durchkommt. Man hat ein Ziel vor Augen, fokussiert sich darauf und arbeitet hart daran, dieses Ziel zu schaffen.

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Vor kurzem sind Sie als Investor für ABS-Lawinen-Airbags eingestiegen. Wie kam es zu dieser Kooperation?
Ein guter Bekannter von mir kam auf mich zu und fragte mich, ob ich nicht Lust hätte, mir die ganze Sache mal anzusehen. Und da ich vom Produkt sofort überzeugt war, entschloss ich mich dazu, bei ABS-Protection mitzuwirken. Mit ABS-Protection haben wir das momentan beste, leichteste und durchdachteste Produkt auf dem Markt. Jeder Skifahrer oder Tourengeher muss heute einen Lawinenrucksack dabei haben. Es kann schließlich immer etwas passieren. Durch den Rucksack sind die Überlebenschancen beim Abgang einer Lawine um so viel höher; deshalb war es mir wichtig in die Zukunft zu investieren und in Technologien, die Menschenleben retten.

Sehen Sie Ihr Engagement bei ABS-Protection somit als mögliche Vorsorge für die Zeit nach Ihrer aktiven Ski-Karriere?
Das kann man so sagen. Als Profi-Skifahrer lebt man ja oft in einer ganz eigenen Welt, und das jahrelang. Jeder Tag ist minutiös durchgetaktet. Im normalen Arbeitsleben ist das anders. Durch meine Arbeit mit ABS habe ich aber schon jetzt ein Gefühl dafür bekommen, wie der Alltag fernab der Skipiste ist.

Wäre Kinderbuchautor denn die zweite Alternative?
Natürlich kann ich mir auch das sehr gut vorstellen. Es erfüllt mich einfach mit unglaublichem Stolz, wenn Eltern auf mich zukommen und mir erzählen, dass ihre Kinder meine Bücher lieben und sie immer wieder daraus vorlesen müssen. Auch in Hinblick auf die Werte, die die Bücher den Kindern vermitteln. Das gibt mir unglaublich viel.

Welche Werte sind das genau?
Wenn ich es schaffe, durch meine Bücher die Kinder dazu zu bewegen, das Skifahren auszuprobieren, oder Eishockey - einfach raus in die Natur zu gehen, dann ist das etwas unglaublich Schönes. Mir geht es darum, die Kinder von heute in Bewegung zu bringen. Denn Bewegung schult nicht nur den Körper, sondern auch den Geist.

Auch mit Hinblick auf den Skisport-Nachwuchs?
Nein, unser Ziel ist es nicht, Spitzensportler heranzuzüchten. Wir wollen schlichtweg den Kindern wieder den Spaß an der Bewegung näher bringen. In vielen Schulen in den Städten ist ja so, dass die Kinder aufgrund des Platzmangels kaum mehr Möglichkeiten haben, sich anständig zu bewegen. Aus diesem Grund habe ich mit meiner Stiftung ein Bewegungskonzept für Kinder entwickelt. Dabei geht es mir gar nicht darum, den Lehrern vorzuschreiben, wie sie unterrichten sollen, sondern zusammen mit ihnen eine Lösung zu erarbeiten, dass sich Kinder wieder mehr bewegen.

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Wie sieht das genau aus?
Ich bin der Meinung, dass die Freude an der Bewegung vorgelebt werden muss. Wenn wir es schaffen, dass sich die Schulkinder von 45 Minuten Unterrichtszeit nur eine Minute bewegen, dann haben wir schon viel erreicht. Dabei müssen aber vor allem auch wir Erwachsene mit gutem Beispiel voran gehen.

Zum Beispiel, indem wir unser Smartphone oder Tablet vor Kindern verbergen?
Früher war für die Kinder die Natur der Spielplatz. Heute ist es für viele das Smartphone. Das ist doch schrecklich. Früher hat man sich als Kind noch überlegen müssen: Was spiele ich heute? Jetzt nimmt man sich einfach das Smartphone oder Tablet und erwartet, davon unterhalten zu werden. Diese Entwicklung müssen wir bei unseren Kindern unbedingt aufhalten.

Für den Bau von Skipisten werden nach wie vor kilometerweise Wald gerodet und Waldböden planiert. Wie stehen Sie als Spitzensportler zum Thema Raubbau und Umweltsünden am Berg? Gerade was den Wintersport betrifft.

Ich bin jetzt seit 17 Jahren im Weltcup und habe da natürlich viel gesehen und erlebt. Zum Beispiel, wie dramatisch sich die Gletscher inzwischen zurückgezogen haben. Das ist wirklich erschreckend. Wenn das die nächsten 20 Jahre so weiter geht, wird es bald zu einer richtigen Katastrophe kommen.

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Tragen Sie da als Skifahrer aber nicht selbst auch an dieser Entwicklung bei?
Natürlich, aber ich bin auch kein Fan davon, dass Wälder gerodet oder Berge für den Skisport abgetragen werden. Doch ich bin der Meinung, dass nachhaltiger Skitourismus möglich ist. Leider lässt das aber die meisten Entscheidungsträger völlig kalt.

Ist das auch der Grund für Ihre Kritik am Olympischen Komitee?
Ich kritisiere seit Jahren öffentlich die Großereignisse wie Sotchi oder Pyeongchang , da dort wirklich Schindluder an der Natur getrieben wird, nur damit diese stattfinden können. In der heutigen Zeit muss Nachhaltigkeit gerade vom Sport und Seitens der großen Verbände vorgelebt werden, sonst wird sich auf Dauer nichts ändern. Das IOC ist durch die Funktionäre ohnehin völlig gebunden. Da geht es in erster Linie nur um Geld, Kommerzialisierung, persönliche Bereicherung und Macht. Um den reinen Eigennutz. Was für ein Schwachsinn. Sowas ist doch auch gar nicht mehr zeitgemäß. Vielmehr muss man heute doch auf das große Ganze achten. Und da ist unsere Generation gefragt. Wir haben es jetzt in der Hand und wir müssen dafür arbeiten, dass etwas passiert.