Peter Maffay im Interview: "Ich finde Fridays for Future fantastisch!"

Credit: Playboy Deutschland

Peter Maffay feierte dieses Jahr gleich doppeltes Jubiläum: Der Rockmusiker wurde 70 Jahre alt und steht nun bereits seit 50 Jahren auf der Bühne. Anlässlich dieser Meilensteine, zeigt RTL Zwei die neue Dokumentation "Peter Maffay - Für immer jung" (Samstag, 20:15 Uhr) von Regisseur und Weggefährte Rudi Dolezal. Zwei Jahre lang ließ sich Maffay dafür begleiten und gab auch private Einblicke. Anlässlich der Erstausstrahlung trafen wir uns mit Peter Maffay zu einem gemeinsamen Screening im Tonstudio des Sängers. Das Interview, das unser Redakteur im Anschluss führte, lesen Sie hier.

Herr Maffay, für die 90-minütige Dokumentation "Peter Maffay - Für immer jung" haben Sie unzählige Stunden Videoaufnahmen aus Ihrem Archiv freigegeben. Ist es Ihnen schwer oder eher leichtgefallen, zurückzublicken?

Mir ist das relativ leicht gefallen, viel schwieriger war für Regisseur Rudi Dolezal herauszufiltern, was aus seiner Sicht als Filmemacher zu diesem Erzählbogen passt. Da muss man ein Talent besitzen, scheinbar zusammenhanglose Bestandteile zu einer Geschichte zu verweben. Das ist eine Kunst. Für mich war das easy. Als ich den Rohschnitt gesehen hatte, machte ich noch einige Anmerkungen und Vorschläge. Das war aber marginal. Ich finde, der Film gibt gut wieder, durch was wir uns da all die Jahre durchgehangelt haben.

Sind Sie jemand der schnell nostalgisch wird?

Eigentlich nein. Zu meinem 60. Geburtstag gab es eine Biographie, eine dicke Schwarte. (lacht)

Wenn man sich das Videomaterial aus all den Jahren ansieht, kommen da Erinnerungen hoch, die man eigentlich längst vergessen hatte und die einen überraschen?

Ich bilde mir ein, dass vieles bei mir sehr präsent ist. Ich kann mich an viele Details erinnern. Mir sind diese Erinnerungen sehr nahe. Und trotzdem gab es Situationen an die ich zurückdenke und sage: „Um Gottes Willen, das haben wir gemacht?“ oder „Wie konnte man so schräg denken?“… Ich will Ihnen ein Beispiel geben : Als wir das Album, Sonne in der Nacht produziert haben, fiel mir ein Cover der Scorpions in die Hände, das Gottfried Helnwein gestaltet hatte. Ein ziemlich drastisches Bild. In den Augen der abgebildeten Person stecken Gabeln, darüber der Schriftzug der Band. Damals gab es Cover von Andy Warhol und weiß der Kuckuck wem noch.

Ich dachte, jetzt müssten wir auch mal hinlangen und wollte Gottfried Helnwein kennenlernen. Vielleicht würde er uns ja auch ein Cover gestalten. Ich hatte keine Ahnung, wie teuer das werden würde. Damals sind solche Sachen passiert, einfach aus der Hüfte heraus, völlig unbedarft, unbekümmert und ohne Rücksicht auf Verluste. Wenn man sich das vergegenwärtigt, frage ich mich manchmal, wo diese Unbekümmertheit geblieben ist. Vieles ist damals auch in Studio so entstanden. Wir sagten : „Wir machen zu jedem Song auf dem Album ein Video. Und zwar nicht nur in Deutschland, sondern weltweit!“. Und so haben wir in 14 Tagen 12 Videos gedreht . Wir waren in Nordamerika, in China, auf einer Ölplattform in der Nordsee. Auf lauter solche schräge Dinge sind wir früher gekommen und haben sie einfach gemacht. Simply do it! Ich fand das großartig!

Peter Maffay mit Filmemacher Rudi Dolezal. Zwei Jahre begleitete der Regisseur Maffay für die neue Doku.
Credit: Playboy Deutschland

Das klingt so, als würden Sie diese Unbekümmertheit vermissen.

Ja, in vielen Situationen sind wir heute gezwungen, rational zu denken. Vielleicht haben wir uns diesen Zwang aber auch selber auferlegt. Durch Kommerz, Verpflichtungen und durch die Verantwortung, die man trägt. Damals hatten wir keinen eigenen Laden, beziehungsweise waren wir ganz am Anfang damit. Ich dachte mir: „Zwei Leute, die kriegen wir schon irgendwie durch.“ Heute sind wir 20 Leute. Das ist immer noch kein großer Betrieb , aber da trägt man schon ein bisschen Verantwortung und überlegt sich die Dinge anders. Ein Quäntchen dieser Unbekümmertheit würde heute wieder recht guttun, gar keine Frage!

Sie sprechen von Verantwortung und auch im Film kann man es sehen: Sie haben sich schon immer für die Völkerverständigung stark gemacht. Wie sehr schmerzt Sie die aktuelle Lage in unserer vermeintlich gespaltenen Gesellschaft?

Wissen Sie, ich glaube, dass das eine Wiederholung ist: Rassismus in den Staaten. Leute die erschossen werden, wie seinerzeit Martin Luther King, etc.; die vielen Eskalationen dieser Art, weltweit... Es ist so, als ob die Menschheit nichts hinzulernt. Die Zeitzeugen verabschieden sich und revitalisieren das Bewusstsein nicht. Die jungen Generationen verlieren den Bezug zu diesen Vorkommnissen und das ist die Tür, durch die diese Wiederholung schreitet. Das ist frustrierend, aber es hilft nichts, sich diesem Frust hinzugeben.

Es wird nötig sein, einen weiteren Anlauf zu nehmen. Dieser Zustand ähnelt der Erzählung von Quijote und Sancho Panza. Wenn wir Korrekturen einbringen wollen, müssen wir bereit sein, immer wieder für unsere Werte einzustehen. Der für mich einzig machbare Weg ist Aufklärung, Aufklärung, Aufklärung! Und wenn es noch so mühselig ist, dann erst recht noch einmal. Fridays For Future ist nichts anderes als der Ausdruck einer heranwachsenden Generation die sagt: „Leute, verspielt nicht unser Leben und unsere Chancen! Ihr seid verantwortlich dafür, was ihr uns hinterlasst!“

Wie sehen Sie diese Bewegung der Jugend?

Ich habe selbst Kinder und diese Bewegung ist mir vor Augen. Ich finde das fantastisch! Was weniger fantastisch ist, ist die Ignoranz und Arroganz der Erwachsenen. So zu tun, als würde man diesen jungen Leuten gerne zuhören und sie dann im – im Grunde genommen – nicht ernst zu meinen. In Madrid zu sitzen und nur mit kleinen Feigenblättchen aber ohne echte Lösungen zurückzukommen… da kann ich diese Wut verstehen! Wir haben keine Zeit mehr zu verschenken. Wenn ich mir die Kommentare zu Greta reinziehe und diesen Zynismus lese, der von einer Dummheit zeugt, die unbegrenzt scheint… das müssen wir überwinden!

Wie ist das zu bewerkstelligen?

Durch Aufklärung und Mitmachen! Schweigen oder sich nur zu beklagen, ist keine Alternative. Auf die Straße gehen, fair zu bleiben und demokratische Möglichkeiten ausschöpfen – das sind die Mittel, mit denen man verhindert, dass die politische Lage sich in die falsche Richtung entwickelt. Wir müssen beim Klimaschutz zu einem weltweiten Konsens kommen. Ich sehe das Glas aber trotzdem eher halbvoll an und nicht als halbleer. Dazu lebe ich zu gerne und Resignation gibt es bei mir nicht, das ist nicht machbar!

Was möchten Sie den jüngeren Generationen sagen?

Weist die Erwachsenen in die Schranken! Und das tun sie ja. Mein Sohn erzählte mir, dass er bei diesen Demos mitmacht. Er fragte mich, was ich tue. Ich sagte: Ich habe einen Song geschrieben, er heißt Morgen. Da ist alles drin und so heftig, dass ihn manche Sender nicht spielen wollen. Jeder kann ein bisschenbeitragen. Ich finde es unglaublich toll, was die jungen Menschen gerade machen. Dieses Echo hat es in dieser Dimension lange nicht mehr gegeben. Und wenn irgendeiner vor einem Jahr gesagt hätte, die Jugend sei unpolitisch, der bekommt jetzt seine Antwort: Bullshit. Das ist dummes Zeug. Natürlich sind nicht alle Jugendlichen auf der Straße, aber diese deutliche Artikulation hat es in diesem Ausmaß lange nicht mehr gegeben.

Ein weiteres, großes Thema unserer Gesellschaft ist die Gleichberechtigung, ausgelöst durch die Me-Too-Debatte. Auch das Männerbild gerät teilweise ins Wanken. Wie haben Sie das verfolgt?

Ich stelle mich als Mann nicht in Frage, das ist meine Natur, so bin ich auf die Welt gekommen. Ich kann aber meine Rolle als Mann in der Gesellschaft hinterfragen. Das muss ich sogar! Ich werde mich solchen Fragen wie Gleichberechtigung und Chancengleichheit von Mann und Frau stellen. Das will ich auch. Natürlich müssen wir als Gesellschaft etliche Dinge aufarbeiten, die in den vorangegangenen Jahrhunderten nicht aus den unterschiedlichsten Gründen tabuisiert wurden.

Was ich beobachte und absolut legitim finde, ist was sich Frauen nach und nach erkämpfen – auch gegen den Widerstand mancher Männer. Das ist gut so! Eine Frau in der Politik oder anderen entscheidenden Positionen ist für mich eher ein Garant für Frieden, als ein Mann. Dass Frauen große Konzerne mit großem Erfolg führen können, beweist, dass die Klugheit kein Privileg des männlichen Teils der Gesellschaft ist. Ganz im Gegenteil. Feinfühligkeit und Empathie ist eher bei Frauen als bei Männern auszumachen. Männer sind viel konfliktbereiter und weniger ausgleichend. Die Natur hat uns vielleicht ein bisschen so gemacht, aber das muss man nicht bis zum Exzess ausspielen. Es gibt einen Weg, der beiden Seiten gerecht wird. Ich finde das alles enorm spannend! Ich glaube, es gab noch nie eine Zeit, in der – zumindest annähernd – so viel Gleichberechtigung herrschte.

Aber natürlich ist da noch viel zu erledigen. Wir reden hier jetzt ja nur über Westeuropa. In anderen Teilen der Welt findet diese Gleichberechtigung lange noch nicht den Niederschlag, den sie verdient. Auch das wird sich ändern, da bin ich sicher! Wenn ich zum Beispiel an Rumänien denke, wo ich aufgewachsen bin. Dort findet eine kosmopolitische Öffnung statt. Das ist gut! Aber ich habe keine Schwierigkeiten mit meiner Männlichkeit und dass mir ein Bart wächst, den ich jeden zweiten Tag rasieren muss, weil es sonst scheußlich aussieht und das Miteinander erschweren würde. (lacht) Die Kontur als Mann ist vorgegeben und ich lebe gerne als Mann. Ich habe mir im Übrigen noch nicht die Frage gestellt, was wäre, wenn ich als Frau geboren wäre. Was vielleicht auch schon ein bisschen überheblich ist, maybe…

Es ist kurz vor Weihnachten, ein neues Jahrzehnt bricht an. Wenn Sie sich etwas für die Zukunft wünschen dürften, was wäre das?

Ich würde bei ganz profanen Wünschen bleiben. Wir haben bereits darüber gesprochen, welche brennenden Fragen es gibt. Eine Vorstellung bewegt mich immer wieder, nämlich die, dass wir in diesem Teil der Welt abends ohne Angst vor morgen ins Bett gehen können. Wir haben seit Jahrzehnten keinen Krieg mehr erleben müssen. Wir haben eine nach wie vor eine funktionierende Demokratie, die vielleicht in einigen Schwierigkeiten steckt, die aber nicht unüberbrückbar sind.

Wir genießen eine freiheitliche Staatsform, die auf den Trümmern einer Diktatur mit viel Schweiß aufgebaut und mit vielen Entbehrungen erkämpft wurde. Das dürfen wir nicht gefährden oder gar aufgeben. Im Vergleich zu anderen Plätzen auf der Welt, wo alle möglichen Erosionen in einem großen Maß stattfinden, sind wir davon noch relativ verschont. Es wird nicht leicht sein, eine gerechte Welt zu erschaffen , falls das überhaupt möglich ist. Ich wünsche mir Lebensumstände wie wir sie haben, für möglichst viele Menschen auf dieserErde, die derzeit noch darauf verzichten müssen.

Wenn man nach Afrika oder Asien schaut, nach Südamerika – diese Welt ist voller Entbehrungen und Eskalationen. Wir müssen uns klarmachen, in welch einer Gesellschaft wir hier leben und welche Privilegien wir hier in einem unfassbaren Ausmaß genießen dürfen. Ich wünsche mir Frieden, ich wünsche mir, dass Leute nicht verfolgt, verwundet und getötet werden und dass Menschen nicht vor Krieg und Terror übers Meer flüchten müssen und dabei ertrinken.

Gold und Platin an den Wänden: Peter Maffay empfing unseren Redakteur David Goller in seinem Studio in Tutzing am Starnberger See.
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