text KATJA LEWINA fotos UWE HAUTH
Wo trifft man eine Hetäre zum Interview? Natürlich in ihrem gewohnten Revier – einem Berliner Luxushotel, wo es erst mal Küsschen für den Concierge gibt. Ihre Kunden bestellt Salomé Balthus, wie ich Mitte 30 und Berlinerin, normalerweise erst an die Bar oder ins Restaurant, aber wir entscheiden uns gleich fürs Bett. Schließlich haben wir ein paar intime Dinge zu bereden.
Lass uns mit den Basics beginnen. du bezeichnest dich selbst als Hetäre. Sind dir andere Begriffe zu prosaisch?
Ich habe versucht, die „Hetäre“ in unserem Sprachgebrauch zu etablieren, aber das war mehr aus Spaß. Der politisch korrekte Begriff ist Sexarbeiterin. Ich mag ihn zwar nicht, aber ich benutze ihn ständig – schon um mich von Leuten abzugrenzen, die behaupten, Prostitution wäre keine richtige Arbeit. „Prostituere“ bedeutet im Lateinischen „zur Schau stellen, anpreisen“, nichts anderes machen wir alle im Kapitalismus. Aber der einzig wahre Begriff für mich ist „Hure“. Es ist ein indogermanisches Wort für eine Frau, die Sex nicht nur mit ihrem Ehemann hat, sondern ihre Partner selbst wählt. An dem Tag, an dem das kein Schimpfwort mehr ist, ist das Patriarchat beendet. Wir alle sollten Huren sein.
Nach dieser Definition bin ich bereits eine. Schließlich habe ich eine offene Beziehung und schlafe auch nicht nur mit meinem Mann, allerdings ohne Honorar. Du hast das in einem anderen Interview mal radikaler formuliert: Alle Frauen sollten für Sex Geld nehmen.
Das war ironisch gemeint, aber die haben das gleich als Überschrift verwendet. Ich sage vieles, das ich nicht ernst meine. Mein Beruf ist stigmatisiert wie kein anderer, eine todernste Sache für viele Menschen. Da kann man sich schon mal einen gewissen Unernst erlauben.
Dein Beruf macht dich aber auch interessant.
Wenn es normal wäre, Prostituierte zu sein, würden wir jetzt nicht drüber reden. Dass ich angefangen habe, Texte in der „Welt“ zu veröffentlichen, hängt paradoxerweise auch damit zusammen, dass ich mich geoutet habe und die Leute das ganz chic fanden. Man hat mich halt gern auf seiner Party. Ich habe es aber auch leicht im Vergleich zu anderen Prostituierten, die tagsüber ganz gewöhnlichen Berufen nachgehen und Angst haben müssen, dass die Karrieretür für sie zufällt, wenn das rauskommt. Ich habe nie in einem anderen Job als diesem hier Geld verdient.
Du machst das jetzt schon seit neun Jahren. Wie kam es dazu überhaupt?
Auf den ersten Blick ist das eine vielleicht schon banale Geschichte: Ich war Studentin, wollte möglichst schnell möglichst viel Geld verdienen, fand im Internet eine Escort-Agentur und dachte: „Was soll schon passieren? Ich kann ja jederzeit aufhören.“ Auf den zweiten Blick ist die Sache aber komplexer. Man muss für diesen Job bestimmte emotionale Voraussetzungen erfüllen. Zum Beispiel Sex und Liebe trennen können. Oder überhaupt bereit sein, Sex mit Menschen zu haben, die man selbst nicht begehrt.
Das ist für mich absolut unvorstellbar. Wie schaffst du es, Lust auf jemanden zu bekommen, den du selbst nicht willst?
Es reicht mir, sein Begehren zu sehen. Das ist für mich wie ein Heizstrahler. Wenn ich hingegen merke, dass jemand mich nicht begehrt, habe ich auch keine Lust mehr. Das ist ziemlich narzisstisch, ich weiß. Aber selbst wenn ich jemanden wirklich abstoßend finde, bin ich ehrgeizig. Ich mache mir dann selber Lust. Zum Beispiel indem ich mir vorstelle, dass ich mich an ein Hentai-Tentakelmonster ausliefere. Das zieht immer.
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