Filmfans weltweit dürften sich einige sein, dass „John Wick“ von 2014 das Action-Genre aus einer Krise geholt hat. Nach Jahren, in denen man bei Kampfszenen in Filmen wegen der vermaledeiten Shaky Cam nichts vom eigentlichen Geschehen gesehen hat, präsentierte uns der Rache-Thriller gut gefilmte und hervorragend choreographierte Prügeleien und Schießereien – und darüber hinaus mit Keanu Reeves alias John Wick einen saucoolen Badass mit Tiefgang. Es gab endlich wieder frischen Wind im Action-Genre. Teil 2 und 3 schwächelten dann zwar bei der Story und dem Ausbau der geheimnisvollen Welt der Auftragskiller. Doch die Action blieb durchgehend kreativ und packend. Man denke nur an den Kill mit dem Stift oder den Kampf auf den Motorrädern!
Am 23. März startet nun „John Wick: Kapitel 4“ in den Kinos. Und die Fußstapfen sind sehr groß. Gelingt es der Fortsetzung, diese zu füllen? Oder ist die Luft raus?
Darum geht's in „John Wick: Kapitel 4“
Nach dem Kampf gegen die Schergen der Hohen Kammer im New Yorker Continental ist John Wick erneut auf der Flucht. Die Liste seiner Verbündeten ist aber kurz – droht doch jedem der Tod, der dem in Ungnade gefallenen Ex-Auftragsmörder hilft. Dennoch gelingt es niemandem, ihn zu fassen.
Da tritt jedoch ein neuer Gegner auf den Plan: der Marquis de Gramont (Bill Skarsgård). Der französische Adelige ist von der Hohen Kammer mit allen Vollmachten ausgestattet, um John Wick endlich zur Strecke zu bringen. Bisher sah sich der Ex-Killer keinem derart mächtigen Gegner gegenüber. Und so beginnt eine blutige Hetzjagd, die Wick von New York und Jordanien bis nach Berlin und Paris verschlägt.
„John Wick: Kapitel 4“ ist ein dreistündiges Action-Gewitter
Das Wichtigste zuerst: In puntco Action ist „John Wick: Kapitel 4“ jetzt schon das Highlight des Jahres. Regisseur Chad Stahelski entfesselt hier ein 169-minütiges Gewitter aus spektakulären Kämpfen (unter anderem mit Nunchakus), heftigen Ballereien (unter anderem mit Feuergeschossen) und atemlosen Verfolgungsjagden (per Pferd und Auto). „John Wick: Kapitel 4“ bleibt sich also treu und liefert einen Action-Schauwert nach dem anderen und muss immer eine Schippe drauf legen.
Ein „John Wick“-Film wäre kein „John Wick“-Film, wenn er nicht ein paar Legenden des Genres aus dem Hut zaubert. Dieses Mal dürfen Donnie Yen („Ong-Bak“) und Hiroyuki Sanada („Last Samurai“) zeigen, was noch in ihnen steckt. Und obwohl die beiden auch nicht mehr taufrisch sind, teilen sie noch ordentlich aus. Vor allem Donnie Yen wird seinem Ruf als Kampfsport-Eperte mehr als gerecht und mausert sich zum Highlight des Films. Wenn er seine Gegenspieler mit seinem Stock vermöbelt, kann man vor dem 59-Jährigen nur den Hut ziehen.
Keanu Reeves geht hingegen leider langsam die Luft aus. So richtig wollen die Kampfchoreographien bei ihm nicht mehr flutschen. Aber gut, er ist mittlerweile auch 58 Jahre alt. Dafür macht er an sich immer noch einen beeindruckenden Job. Dennoch stehen er und sein Zustand auch so ein bisschen für „John Wick: Kapitel 4“.
„John Wick: Kapitel 4“: Größer, lauter – und besser?
Nicht nur Reeves, auch dem Franchise geht langsam so ein bisschen die Luft aus – vor allem was die Story und die Figuren betrifft. So gerät die Welt der Auftragskiller immer wirrer, es tauchen viele Widersprüche zu den Vorgängern auf und einige neue Regeln sind zum Haare raufen unlogisch. Gleichzeitig wundert man sich, dass noch niemand diese „geheime“ Welt entdeckt hat, werden doch tagsüber Sehenswürdigkeiten wie der Eiffelturm für Treffen oder Duelle blockiert.
Auch der neue Bösewicht, gespielt von Bill Skarsgård, kommt sehr eindimensional und gar nicht einmal so bedrohlich daher. Ein großes Fragezeichen ist zudem die neue Figur namens Tracker (Shamier Anderson). Er hat keinerlei Bedeutung für „John Wick: Kapitel 4“. Würde man ihn rausstreichen, würde das nichts an dem Film ändern. Und auch Ian McShanes Winston und Laurence Fishburnes Bowery King haben in der Fortsetzung viel zu wenig zu tun.
„John Wick: Kapitel 4“ ist also alles andere als perfekt und definitiv nicht der beste Teil der Reihe. Dafür hat er zu viele erzählerische Schwächen und ein löchriges Drehbuch – ohnehin wird in dem Film kaum gesprochen und schon gar nichts Substantielles. Selbst die Action reicht in puncto Kreativität nicht an die Vorgänger heran. Trotzdem ist „John Wick: Kapitel 4“ mit großer Sicherheit in seinem Genre der beste Film des Jahres. Ein Widerspruch? Keineswegs. Die Fortsetzung zerbricht schlichtweg an dem Ruf der Reihe. Blendet man aber das aus und schraubt seine Erwartungen runter, macht „John Wick: Kapitel 4“ auf jeden Fall Spaß.
Ohnehin suggeriert das Ende des Films, dass dies das letzte Treffen mit dem Ex-Auftragskiller sein könnte. Teil 5 ist aktuell weder bestätigt noch gecancelt. Vielleicht ist es aber auch besser so. Ein fast dreistündiger Abschied ist auch nicht jedem gegönnt. Und mit dem geplanten Ableger „Ballerina“ mit Ana de Armas in der Hauptrolle gibt es zudem schon eine Nachfolge, die frischen Wind verspricht.
„John Wick: Kapitel 4“ startet am 23. März in den deutschen Kinos.
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