Die weibliche Brust fasziniert uns Menschen seit Jahrtausenden. Vielleicht gerade deshalb, weil es bis heute keine wissenschaftliche Erklärung dafür gibt, warum sie sich beim Homo Sapiens nach der Stillzeit (oder wenn der Nachwuchs aufgezogen ist) nicht vollständig zurückbildet, so wie das bei anderen Säugetieren der Fall ist. Und auch wenn wir Männer – abhängig nicht nur von unserem Bierkonsum – selbst über mehr oder weniger gut entwickelte Brüste verfügen, sind viele von uns vom Anblick der weiblichen Brust gebannt. Manche sogar besessen. Forscher in Neuseeland stellten fest, dass es gerade mal zwei Millisekunden dauert, bis ein handelsüblicher, heterosexuell orientierter Mann bei der Ansicht weiblicher Ganzkörperfotos auf die Brüste der abgebildeten Frauen blickt. Und das übrigens ganz unabhängig von der Größe der Brust.
Die weibliche Brust – Organ und Symbol weiblicher Identität. Und seit Jahrhunderten zentrales Objekt der Begierde. Auch in der darstellenden Kunst. Man muss gar nicht bis in die Steinzeit zurückgehen und die Höhlenmalerei bemühen. Die Kircheninnenräume des späten Mittelalters und der Renaissance sind üppigst verziert mit Freskendarstellungen der weiblichen Brust. Der nackten weiblichen Brust, wohlgemerkt! Wenn in der christlichen Darstellung die unverhüllte Brust noch vordringlich für Mütterlichkeit und Fruchtbarkeit stand, so ist die spätere Geschichte der Malerei und der bildenden Kunst sozusagen das Lookbook der menschlichen Anatomie. Wer kennt sie nicht, „Die Geburt der Venus“ von Sandro Botticelli? Oder die berühmte Akt-Skulptur „Der Kuss“ von Auguste Rodin? Bereits in der Antike war die Nacktheit das Symbol für Jugend, Schönheit, Kraft, Reinheit – und damit vorrangig für positive Eigenschaften. Die nackte Brust war aber immer auch schon Sinnbild für die Darstellung kämpferischer, siegreicher und selbstbewusster Frauen – der Amazonen.
Die Darstellung der unverhüllten weiblichen Brust – seit Jahrhunderten allgegenwärtig und Symbol für Freiheit, Unverdorbenheit und Reinheit.
Dann kam Facebook.
Für Mark Zuckerberg und sein weltweit erfolgreiches Social Network bedeutet die nackte weibliche Brust ganz offenbar nichts weniger als das Tor zur Hölle. Zumindest aber eine fundamentale Gefahr für unsere Zivilisation. Vermeintlich ausgeklügelte Algorithmen filtern in sekundenschnelle Posts mit Abbildungen von unverhüllten (weiblichen!) Brüsten heraus. Jeder, der schon mal ein Foto auf Facebook (oder auch beim ebenfalls dem Zuckerberg-Imperium zugehörigen Instagram) hochgeladen hat, auf dem eine unverdeckte Brustwarze zu sehen ist – und mag sie auch noch so klein sein – der weiß, was ihm blüht: Der Post wird automatisch entfernt. Blitzschnell. Und dann liefert Facebook postwendend Erziehungsmaßnahmen frei Haus.
In einer Nachricht weist einen die Plattform nun darauf hin, dass man gegen die „Gemeinschaftsstandards verstoßen“ habe. Man habe aber natürlich die Möglichkeit, die Zensurmaßnahme nochmals von Facebook überprüfen zu lassen. Auf eine Antwort muss man auch gar nicht lange warten. Innerhalb von wenigen Sekunden erhält der Betroffene die Auskunft, dass die Berufung abgelehnt wurde. Natürlich schafft das kein Mensch in einem solch kurzen Zeitraum, sich mit der Materie grundsätzlich oder dem konkreten Sachverhalt zu befassen. Man wird hier selbstverständlich von sogenannter KI, also künstlicher Intelligenz, abgefertigt.
Ich selbst wurde mehrfach Opfer der Zensur- und Erziehungsmaßnahmen des weltweit größten digitalen Netzwerks. Gerade erst hat die Facebook-Sittenpolizei meine Accounts für 30 Tage gesperrt. Dabei hatte ich weder einen rassistischen Post abgesetzt, noch gewaltverherrlichende Fotos veröffentlicht (beides hätte allerdings keinerlei Konsequenzen bei Facebook, probieren Sie es bitte dennoch nicht aus – auch nicht spaßeshalber). Mein Vergehen war, dass ich einen Link unserer Playboy-Webseite geteilt hatte, in dem wir für den Kauf der Playboy-Masken werben. Zu sehen war bei dem Link neben dem Corona-Mund-Nasen-Schutz auch das Titelbild der Playboy-Juniausgabe. Darauf: die unverhüllte, rechte Brust unseres Titelstars Ines Quermann. Facebook informierte mich, dass mein Konto wegen „wiederholter Verstöße“ für nun sieben Tage eingeschränkt würde und dass ich weder Posts absetzen noch andere Beiträge kommentieren könne. Ich nutzte nun die angebotene Möglichkeit, den Vorgang von der Facebook-KI nochmals überprüfen zu lassen – und erhielt auf meine Nachfrage innerhalb von Sekunden die Information, dass mich das Netzwerk nun insgesamt für 30 Tage sperren würde.
Inzwischen bekomme ich von Facebook übrigens täglich einen Warnhinweis ausgespielt, der mich daran erinnert, dass ich bei wiederholten Verstößen wieder mit Konsequenzen zu rechnen habe. Schöne neue prüde Welt.
Es gibt natürlich ein Leben jenseits von Facebook & Co. Diese Gewissheit hat sich inzwischen auch bei Global Playern wie Adidas, Coca-Cola, Levi’s, Starbucks oder auch Unilever breitgemacht. Sie alle stornierten gerade ihre Millionen-Werbeetats bei Facebook. Mit der Folge, dass die Facebook-Aktie innerhalb weniger Tage um 56 Milliarden Dollar einbrach. S-e-c-h-s-u-n-d-f-ü-n-f-z-i-g Milliarden! Natürlich nicht aufgrund der puritanischen Sittengesetze, sondern wegen der fehlenden Entschlossenheit und der offensichtlichen Unfähigkeit der Zuckerberg-Manager, erfolgreich gegen Hass und Hetze in den Facebook-Feeds vorzugehen.
Facebook, 2003 vom Psychologie- und Informatik-Studenten Mark Zuckerberg an der Harvard-Universität als „Hot Or Not“-Webseite konzipiert, um vordringlich die männlichen Kommilitonen über die Attraktivität der weiblichen Studenten abstimmen zu lassen (facemash.com), ist heute ein global agierendes, unkontrollierbares, digitales Monster. Und das nicht erst seit dem Skandal aus dem Jahr 2018, als die Daten von weltweit 87 Millionen Facebook-Nutzern ohne deren Wissen an die Firma Cambridge Analytics weitergereicht wurden.
Der Facebook-Kanal von Playboy Deutschland hat mehr als zwei Millionen Follower. Und ist daher für die Verbreitung vieler redaktioneller Inhalte für Playboy noch immer von großer Bedeutung. Aber längst nicht mehr von entscheidender.
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