Seyit Ali Yagci, 35, steht seit 12 Jahren an der Siebträgermaschine, seit fünf Jahren als Profi-Barista. Für den Online-Händler Aromatico führt er derzeit in digitalen Seminaren Interessierte in die Kunst des Kaffees ein.
Playboy: Herr Yagci, wie trinken Sie Ihren Kaffee am liebsten?
Seyit Ali Yagci: Schwarz ohne alles. Ich nehme mir dafür morgens die Zeit, die Bohnen zu mahlen und sie mit Hand aufzubrühen. Langsam, ohne Mechanik, im Keramikfilter.
Was machen viele Menschen beim Kaffee falsch?
Gemahlenen Kaffee statt Bohnen zu kaufen! Dabei ist frisch gemahlener Kaffee das A und O. Selbst wenn man wenig Geld hat, ist das keine Entschuldigung. Es gibt ja auch schöne Handmühlen. Die Kaffeebohne ist ein Aromen-Tresor, und wenn sie gemahlen wird, verfliegt das Aroma extrem schnell. Deshalb gilt die 15-Minuten-Regel: Maximal eine Viertelstunde darf zwischen dem Mahlen und dem Brühen liegen.
Gibt es weitere häufige Fehler?
Kaffee im Kühlschrank lagern, keine gute Idee! Das war früher ein alter Trick von Mama, schadet aber dem Aroma. Man sollte auch vermeiden, verpackten Kaffee umzufüllen.
Die Wasserqualität ist ebenfalls ein wichtiger Faktor, richtig?
Ja, ein Filterkaffee besteht ja zu 98 Prozent aus Wasser, ein Espresso zu rund 90 Prozent. Ideal ist ein Wasser-Härtegrad von sechs bis sieben. Sie können sich meistens einfach auf der Website Ihrer Wasserwerke erkundigen, welchen Härtegrad das Wasser in Ihrer Stadt hat. 14 bis 19 Grad wie in München ist zum Beispiel viel zu hart. Für den Kaffee sollten Sie dann lieber Flaschenwasser kaufen oder das Wasser filtern.
Spielt die Tassenform eine Rolle?
Ja, tatsächlich. Bei Espresso, der ja ein Konzentrat ist, merkt man die Form extrem. Ist sie eher geöffnet wie bei einem Weißweinglas, wird die Säure betont. Sind die Wände eher gerade, schmeckt der Espresso nussiger. Das merkt selbst der Laie.
Was meinen Sie, ist Kaffee der neue Wein?
Klar! Kaffee bietet eine ähnlich große Vielfalt bei den Geschmacksnuancen. Jedes Ursprungsland schmeckt anders. Aber keiner schaut Sie schräg an, wenn Sie ihn schon vor zwölf Uhr trinken. (lacht) Jetzt im Sommer wird der Cold Brew manchmal sogar schon im Weinglas ausgeschenkt, damit die Noten besser herauskommen.
Was ist der Unterschied zwischen Cold Brew und kaltem Kaffee?
Das sind zwei verschiedene Welten. Kalten Kaffee brüht man auf und lässt ihn einen Tag stehen. Wenn du einen guten Kaffee erwischst, schmeckt das im besten Fall so lala. Ein Cold Brew wird über lange Zeit kalt extrahiert, da kommt überhaupt keine Hitze dazu. Darum hat er mehr Körper, schmeckt intensiver, fruchtiger und nussiger, besitzt aber kaum Bitterstoffe. Dafür ist der Koffeingehalt deutlich höher.
Warum liegt Cold Brew gerade so im Trend?
Ich denke, dass kommt ursprünglich aus der Barwelt. Die Energy-Drinks sind dort ein bisschen in Verruf geraten, und die Barkeeper haben einen Ersatz für Ihre Cocktails gesucht. Mit dem Cold Brew hast du einen ähnlichen Koffeinkick – und er ist einfach lecker.
Ein anderes neues Phänomen ist der „Flat White“, also gewissermaßen ein Cappuccino mit besonders viel Espresso.
Das hat etwas mit dem Wandel der Röstkultur zu tun. Im Flat White ist mehr Espresso, er ist aber nicht unbedingt stärker. Dafür ist er heller, aromatischer und hat deutlich mehr Geschmack.
Wie mach ich zuhause einen perfekten Milchschaum?
Sparen Sie nicht am Fett, sonst leidet der Geschmack. Nehmen Sie eine schöne Vollmilch mit 3,8 Prozent, man gönnt sich ja nur einen Cappuccino. Das richtige Aufschäumen ist Übungssache. Ideal ist der sogenannte Mikroschaum, der vom ersten bis zum letzten Tropfen sehr cremig und homogen ist. Dafür müssen Sie beim Aufschäumen die Zieh- und Rollphasen beherrschen, bei denen die Dampflanze mal mehr und mal weniger tief in die Milch getaucht wird.
Was sollte man im Café niemals machen?
Zu mehreren Espresso „Espressi“ sagen.
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