Man muss sagen: Ganz neu ist das Interesse nicht. In Wahrheit hat sich die Slow Wine-Bewegung schon lange mit Wein und seiner Bewertung beschäftigt. Denn der italienische Weinführer schlechthin, der "Vini d'Italia", war eine Kooperation des Gambero Rosso-Verlags und Slow Food Editore, der Verlagsgesellschaft des Genuss-Vereins Slow Food. Seit 1988 wurde dieser angesehene Weinführer auch in Deutschland (Hallwag Verlag) herausgebracht. Bis 2011, dann wurde diese Ehe – die laut Insidern nie eine besonders harmonische war – geschieden.
Die deutsche Ausgabe des "Vini d'Italia" erstellt nun der italienische Gambero Ross-Verlag in Eigenregie. Und Slow Food Editore kontert mit einem eigenen Weinführer – dem "Slow Wine", seit 2013 erstmals auf deutsch (Hallwag Verlag, 29,90 Euro). Auf knapp 1000 Seiten werden dort "Italiens beste Weine und Winzer" vorgestellt, insgesamt die stattliche Anzahl von über 1500 Gütern.
Ende einer Ehe: Die Scheidung von Slow Food Editore und Gambero Rosso
Doch was war der Scheidungsgrund zwischen Gambero Rosso und Slow Food? Sollte man meinen, dass beide doch die selben Ziele verfolgten. Nicht ganz: Zum einen war auf Slow Food-Seite immer wieder kritisiert worden, dass die vorgestellten Weine zwar groß und eindrucksvoll seien – aber eben nicht wirklich das Slow Food-Motto repräsentierten: gut, sauber und fair.
Beschwerden wurden laut, dass weniger die kleineren, regional verwurzelten Winzer, die einen regionstypischen Wein herstellten, sondern eher die einflussreichen Betriebe, die einen internationalen Formatwein produzierten, im "Vini d'Italia" vertreten waren. Nachhaltiger Ökoanbau käme zu kurz. Und, vielleicht der schwerste Vorwurf, der unter vorgehaltener Hand geäußert wurde: Der "Vini d'Italia" vom Gambero Rosso sei alles – aber nicht unparteiisch. Wie dem auch sei: Wenn es nicht mehr funktioniert, muss in einer Beziehung jeder seiner Wege gehen.
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Der Slow Wine-Weinführer setzt neue Akzente
Doch was kann der neue Weinführer "Slow Wine", was macht ihn anders? Eine ganze Menge. Wer es in Sachen Ökologie genau wissen will, wird hier hervorragend informiert. Bei jedem Weingut gibt es Informationen über Dünger, Pflanzenschutz, Hefesorten und in welchem Maße ein Betrieb Trauben zukauft. Auch wenn die Bewertung – im Gegensatz zum Vini d'Italia mit seinem numerischen Gläsersystem – eher im Hintergrund steht, gibt es doch ein paar Parameter mit Symbolen.
Die "Schnecke", die anzeigt, dass ein Betrieb die Prinzipien von Slow Food umsetzt. Die "Flasche", wenn ein Weingut mehrere hochwertige Weine herstellt und somit überdurchschnittliche Qualität liefert. Die "Münze", wenn ein Winzer ein gutes Preis-Leistungsverhältnis bietet (diese Weine dürfen dann für den Endverbraucher nicht mehr als zehn Euro kosten).
Letzteres ist ein besonderer Akzent des Slow Wine-Führers. Man will zeigen, dass sauberer Genuss nicht unbedingt ein Privileg für Reiche ist. Und nicht zuletzt ein kleiner Marketingtrick: Bei vielen der vorgestellten Betrieben erhält ein Slow Wine-Besitzer 15 Prozent Skonto beim Einkauf.
Slow Wine contra Vini d'Italia: zwei Weinführer für ein kleines Land
Doch was wird aus dem guten alten "Vini d'Italia"? Den wird es sicherlich weiter geben. Ein, zwei oder drei Gläser in diesem Weinführer zu bekommen ist für einen italienischen Weinhersteller nach wie vor sehr attraktiv. Man könnte sich nun fragen: Ist das kleine Italien groß genug für zwei prestigeträchtige Weinführer? Mit großer Sicherheit ist es das.
Man darf nicht vergessen: In Italien gibt es über eine halbe Million Erzeuger. Die ganze Weinwelt interessiert sich für deren Tropfen, und alle haben sie einen unterschiedlichen Geschmack. Letztlich kann auch ein Weinfreund nur davon profitieren, wenn der "Slow Wine" dem alten etabierten Weinführer ein wenig Konkurrenz macht. Denn diese belebt bekanntermaßen das Geschäft.
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