Fotos: Max Marquardt
Ganz ehrlich: Fahrradreisen konnte ich noch nie viel abgewinnen. Unweigerlich schossen mir bei diesem Begriff bisher immer nur schwere Lastenräder, unzählige Täschen, hässliche Nässeschutzhosen und bunte Anoraks in den Kopf. Ja, bei dieser Outdoor-Spielart regte sich bei mir bisher gar nichts. Dass es jedoch auch anders geht, beweist der neue Trend des Bikepackings.
Biwakieren mit dem Bike
Bikepacking, das ist wie Camping, nur minimalistischer, cooler und weniger verstaubt. Wie eine Radreise, nur genussvoller. Am Rad hängen weniger Taschen, die Bikes haben einen gewissen verwegenen Charme von Abenteuer und auch der ausrüstungsversessene Outdoor-Nerd kommt hier voll auf seine Kosten.
Seinen Ursprung hat das Bikepacking in Langstrecken-Mountainbikerennen in den USA, den sogenannten „self-support Races“. Da sich hier die Distanzen zwischen den Städten nicht binnen einer Tagesetappe zurücklegen ließen und fremde Hilfe bei diesem Rennformat nicht erlaubt war, suchten die Teilnehmer nach einem Weg, ihre spartanische Biwak-Ausrüstung und den Proviant leicht und sicher am Rad zu verstauen, ohne an Geländegängigkeit und Tempo zu verlieren. Aus diesen Anfängen hat sich inzwischen eine ganz eigene Art des Reisens entwickelt. Mit wenig Gepäck und abseits befestigter Straßen unterwegs zu sein, eröffnet selbst in dicht besiedelten Regionen Europas völlig neue Möglichkeiten.
Aufgesattelt, fertig, los!
Für meinen zweitägigen Bikepacking-Trip fahre ich auf dem „Modell 133“ der deutschen Traditions-Manufaktur „Diamantrad“. Das smaragdgrüne Kollektionsrad ist zwar im Vintage-Stil gehalten, ausgestattet ist es aber mit modernsten Komponenten. An dem relativ leichten und sportive Stahl-Trekking-Rahmen habe ich diverse Canvas-Taschen der britischen Kultmarke „Brooks England“ befestigt. Darin verstaut alles, was man so zum Überleben in der Wildnis braucht: Verpflegung, Wasser, ein kleines Zelt, Mini-Schlafsack, Taschenmesser, Stirnlampe, ein GPS und weil es eben ohne nicht mehr geht, mein Smartphone samt solarbetriebener Powerbank. Und schon hier muss ich die erste Herausforderung meistern und wichtige Ausrüstung von unwichtigem Ballast trennen. Zwar kann man beim Bikepacking verhältnismäßig mehr mitnehmen, als bei einer Wandertour, dennoch merkt man später auch am Rad jedes Gramm.
Westwärts geht es zunächst auf einem Kiesweg am zauberhaften Donau-Ufer entlang. Rechts der Fluss, links der Wald. Dazwischen immer wieder Lichtungen, Felder, wenig befahrene Teerstraßen – feinstes schwäbisches Hinterland. Selbst nach mehreren Stunden spüre ich das Gewicht des Rades kaum. Die Schaltung und Lenkbarkeit der „133“ sind butterweich.
Ohne Anstrengung mache ich nach acht Stunden Fahrt an einer Sandbank halt und schlage dort mein Nachtlager auf. Spätestens jetzt bemerke ich, wie wichtig eine gute Vorbereitung beim Bikepacking ist. In der Begeisterung des Aufbruchs habe ich die Alu-Stangen für das Zelt vergessen – und noch einige andere Dinge, die ich jetzt schmerzlich vermisse. Was für ein Anfängerfehler. Nun gilt es zu improvisieren, was mir auch halbwegs gelingt. Zwar macht meine Nachtlager-Konstruktion einen eher wackeligen Eindruck, für ein Biwak wird es aber reichen.
Nachdem ich mir etwas auf dem Gaskocher zu Essen gemacht habe, krieche ich in meinen dünnen Schlafsack. Ich blicke zu dem neben mir stehenden Rad hoch. Es klingt paradox, aber beim Bikepacking kommt man sich durch den Umstand, jederzeit wieder losfahren zu können, tatsächlich ein bisschen weniger verloren vor, als bei klassischen Wandertouren mit dem Rucksack. Trotz der Wildnis, die mich umgibt, strahlt die Nähe des Rades eine gewisse Sicherheit aus. Einen Luxus, den ich bisher noch nicht kannte.
Heimwärts
Nach einer kühlen Nacht am Flussufer und einem spartanischen Frühstück, befestige ich am nächsten Morgen wir das Gepäck am Rad und steige auf. Der frische Fahrtwind im Gesicht und die an mir vorbeiziehende Landschaft machen die unbequeme Übernachtung auf dem Boden wieder wett.
Auch für mehrtägige Touren ist das Modell 133 von Diamantrad ein guter Begleiter. Der breite Lenker und komfortable Brooks-Sattel erleichtern mein bisher amateurhaftes Bikepacking-Erlebnis sehr. Bei strahlendem Sonnenschein geht es zurück nach Ulm, wo ich schweren Herzens das Rad wieder abgeben muss.
Tausche Wanderstiefel gegen Fahrrad
Nach zwei Tagen Bikepacking fällt mein Fazit für diese neue Form des Campings nur positiv aus. Keine Blasen an den Füßen, kein langsames Vorankommen, kein schweres Gepäck auf dem Rücken. Dafür Genuss pur auf jedem zurückgelegtem Kilometer, viele Freiheiten und jede Menge Spontanität. Natürlich kostet die Ausrüstung ein bisschen mehr als ein Rucksack und Wanderstiefel. Auch ist ein bisschen technisches Verständnis vonnöten, um sich bei einem Platten oder einer anderen Panne selbst helfen zu können. Wen diese Aspekte aber nicht abschrecken, der wird im Bikepacking eine neue Leidenschaft finden, von der man so schnell nicht mehr wegkommt.