Playboy: Herr Putz, in Ihrem Buch „Hohe Häuser“ stellen Sie rund 40 architektonische Highlights in den Alpen vor. In welchem Haus würden Sie am liebsten wohnen?
Wolfram Putz: Im Felderhof in Südtirol. Auf dem Hang stehen zwei uralte Bauernhäuser, aber darunter hat der Besitzer ein unterirdisches Wohnzimmer in den Felsen gebaut. Wegen der Schräglage ragt es aus dem Hang heraus. Da bist du ein Höhlenmensch, hast aber gleichzeitig den größten, geilsten Balkon mit dem besten Blick auf die Dolomiten.
Was ist generell das Besondere an Bergarchitektur?
Die Umgebung ist viel radikaler als im Flachland. Als Architekt muss ich überlegen, wie das Haus im Sommer wirkt, bei Sonnenuntergang, wenn es stürmt und im Schnee. Das Naturschauspiel und die Jahreszeiten, all das nutzt ein guter Architekt als Vorlage zum Geschichtenerzählen.
Welche „Erzähltrends“ erkennen Sie gerade in den Alpen?
Der Glaube an den internationalen modernistischen Stil des 20. Jahrhunderts ist vorbei. Damals stachen plötzlich Hotelbunker aus der Landschaft heraus, und manche Häuser sahen aus, als habe man irgendwo mit dem Hubschrauber weiße Kisten abgeworfen. Die Nachhaltigkeitsdebatte hat da heute viel bewegt.
Zum Beispiel ist der Werkstoff Holz zurückgekehrt, richtig?
Ja, das ist der Sehnsuchtskatalog, den wir alle im Kopf haben: die Holzstube aus lokalen Materialien vor offenem Feuer. Die moderne Vorarlberger Holzarchitektur ist mittlerweile ein Klassiker, der im ganzen Apenraum und sogar in Städten wie Berlin nachgeahmt wird.
Gleichzeitig kommt aber die urbane Architektur in die Berge.
Richtig, in den Alpen gibt es nicht nur Satteldach und Geranien- Blumenkästen. Man versucht vielmehr, den Geist des Ortes einzufangen. Häufig funktioniert das über den Ausblick. Eine alte Bauernstube war ja fast eine embryonale Erfahrung. Heute sitzt man im Glaspalast mit Panorama.
Den Geist des Ortes erlebt man auch in sogenannten Follies wie dem gläsernen „Starlight Room 360“ am Col di Gallina auf geradezu radikale Art. Woher stammen die Ideen zu solchen Bauten?
Die Follies sind eher Kunstwerke als echte Häuser. Sie stammen eigentlich aus dem 19. Jahrhundert, damals baute man Pseudoruinen oder chinesische Pavillons in Parks, das sollte auf Wanderer gewissermaßen wie ein Theaterstück wirken. Auch in den Alpen wollen die Touristen heute Ungewöhnliches erleben, um davon erzählen zu können. Darauf setzen manche Gemeinden offensiv.
In solchen Follies kann man meist höchstens zu zweit übernachten. Suchen wir in den Bergen immer noch die Einsamkeit?
Für den Bergsteiger gilt das auf jeden Fall. Aber auch, wer Geselligkeit sucht, fühlt sich in der besonderen Naturkulisse einem Leben nah, das wir als Städter nicht mehr haben, aber das wir vielleicht irgendwo als Erbe unserer Vorfahren in uns spüren.
Wie wird sich die Corona-Krise auf den Alpentourismus auswirken?
Wer weiß, nächsten Winter werden sicherlich einige Hotels nicht mehr existieren. In meinem Freundeskreis fragen viele, ob man nicht lieber mal fernab der Multispreader des Après-Ski bleibt. Für kleine Hütten und Chalets könnte es auch ein Vorteil sein, wenn viele abseits der Zivilisation urlauben wollen.
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