Auf die Frage nach meinen Urlaubsplänen antworte ich oft: „Ich mach’s mir daheim gemütlich!“ Es folgen: Entsetzen und mitleidige Blicke – besonders von einer Sorte Mensch, die sich als „Traveler“ bezeichnet. Traveler darf man nicht mit herkömmlichen Urlaubern verwechseln. Ein Traveler ergänzt seine Fotos in sozialen Netzwerken mit Hashtags wie „Wanderlust“ oder mit Kalendersprüchen. „Die Welt ist ein Buch, und diejenigen, die nicht reisen, lesen nur eine Seite“, schreibt er, meint aber: „Ich bin besser als du!“ Was Weltoffenheit ausdrücken soll, ist bloß ein Ego-Trip.
Wenn mich diese Leute schon auf Instagram nerven, will ich sie erst recht nicht im Urlaub treffen. 1:0 für Balkonien! Ein weiterer Grund: Reisen ist oft stressig, und Stress ist das Gegenteil von Urlaub. Dass den Backpacker beim Trip durch Indien Brechdurchfall statt Erleuchtung erwartet, verschweigt er gern. Was seine Reise aber eigentlich vermiest: Sie ist nur noch ein Statussymbol.
Gab man sich früher mit dem Strand in Italien zufrieden, ist Neuseeland heute gerade gut genug. Besser Nepal. Je weiter, desto spektakulärer das Selfie, das selbst die simpelsten Strand- erlebnisse ersetzt. Dazu wird dann gern zitiert: „Eine Reise ist das Einzige, was du kaufen kannst, das dich reicher macht.“ Nicht nur Börsenspekulanten möchten da widersprechen. Denn ist die Luft im Oberstübchen dünn, macht’s die noch dünnere Luft im Himalaja nicht besser.
Statt die freie Zeit zu genießen, sucht der Traveler eifrig nach sich selbst und füttert sein Ego. Außer lila Pluderhosen oder Tattoos nimmt er aber nichts mit fürs Leben. Und so wenig, wie Tattoos für Originalität stehen, macht das Traveln bessere Menschen. Im Gegenteil: Es ist schlecht fürs Klima. Reisende soll man nicht aufhalten? Doch, sollte man!
Sie sind anderer Meinung? Auch unser Reporter Alexander Neumann-Delbarre ist der Ansicht, dass uns erst das Reisen und fremde Kulturen zu Männern, beziehungsweise besseren Menschen macht.