Etwa 45 bis 90 Minuten. So lange braucht der Javier Mayoral, der auch unter dem Pseudonym Pulp Brother bekannt ist, im Durchschnitt für ein Gemälde. Eine formale Kunstausbildung hat er nie genossen. Und auch sonst entspricht der Werdegang des Künstlers nicht unbedingt der Norm. Mayoral ist in 1961 in Madrid geboren, reiste mit 17 durch Europa bis er 1990 schließlich in die USA auswanderte. Zunächst nach New York, später nach Phoenix, San Francisco und dann nach Miami, wo er heute mit seiner Frau und drei Kindern lebt. Dort brachte er sich das Kochen bei, arbeitete als Privatkoch auf den Inseln um Miami. In seiner Freizeit war er aber Künstler.
Gesellschaftskritik auf Holz
Etwa neun Jahre ist es her, dass Mayoral begann, 20 mal 25 cm große Holztafeln mit skurrilen Szenarien zu bemalen, meist komplettiert durch absurde Zitate. Er verkaufte sie zunächst auf Flohmärkten, für bis zu zehn Dollar, bis er zu Ebay switchte. Die kleinen Gemälde haben Karikatur-Charakter, sind ein Mix aus Surrealismus und Popart. Auch wenn die Protagonisten meist gekleidet sind wie in den Fünfziger-, Sechziger- oder Siebzigerjahren (wenn sie denn mal was anhaben) verbinden sie vor allem Phänomene aus der heutigen Zeit mit schwarzem Humor und prägnanten aberwitzigen Kommentaren.
Während die Malereien anfangs noch verschiedenste Themen abdeckten – darunter Promi- und Diktatoren-Porträts, überdimensionale Giraffen und (weitere) Alptraum-Szenarien –, wurden sie in den letzten Jahren zunehmend erotischer: "Ich male immer mehr erotische Gemälde, weil ich immer mehr Aufträge bekomme, die genau das anfragen", sagt Mayoral. "Außerdem ist es ein Thema, das ich künstlerisch gerne erforsche." Das komme vor allem in Deutschland gut an.
"Von Beginn interessierten sich Deutsche für meine Kunst"
"Ich schicke jede Woche etwa sechs Gemälde nach Deutschland, und ich würde sagen, circa die Hälfte davon haben einen erotischen Inhalt." Erklären kann er sich das nicht: "Ich habe keine Ahnung warum. Aber schon von Beginn an gab es ein besonderes Interesse an meiner Kunst, das aus Deutschland kam." So schrieb Til Mette, Cartoonist und Karikaturist des "Stern", das Vorwort zu Mayorals erstem Katalog, nachdem er dessen Kunst 2011 auf Ebay entdeckt hatte, wo die Holztafeln zu dem Zeitpunkt für bis zu 100 Dollar ersteigert wurden.
Mette zeigte Freunden und Bekannten aus der Szene, was er online ergattert hatte. Und immer mehr Menschen waren fasziniert von den provokant absurden Tableaus, bis Mayoral sie dann schließlich in Galerien ausstellen durfte. "Seit ich 2013 verschiedene Ausstellungen in Deutschland hatte, kann ich von meiner Kunst leben", so Mayoral. Als Koch arbeite er aber auch heute noch gelegentlich, "wenn ich für Events angefragt werde, die ich auch wirklich spannend finde".
"Ich finde Inspiration in allem, was ich mag und nicht mag"
Vielleicht dienen diese Dinnerpartys ja auch als Inspiration für seine Bilder. Inspiration finde er nämlich überall: "In Filmen und Musik, die ich mag und die ich nicht mag, in meiner Google Suche, in Büchern, Autos, bei Familie und Freunden, in meinen eigenen Träumen und Träumen anderer." Sie kämen außerdem von seinen Phobien und Fetischen, aus der Politik, dem menschlichen Wesen, Versagen und den menschlichen Fertigkeiten.
Provokation mit Augenzwinkern
Seine größte künstlerische Inspiration (und ein weiterer Bezug zu Deutschland) ist der Surrealist Max Ernst, dessen nonkonforme dadaistische Kunst eine Provokation für die Gesellschaft des 20. Jahrhunderts war.
Auch Javier Mayorals Kunst ist Provokation. Provokation mit einem Augenzwinkern allerdings. Weil man sich in manchen Gemälden vielleicht selbst wiedererkennt, in anderen dafür kein bisschen. Weil sie mal aussprechen, was man selbst aussprechen möchte, und ein anderes Mal offensichtliche Dinge thematisieren, die aber unterdrückt werden. Mayoral selbst nennt seine Kunst "Outsider Folk Art" – sozusagen Volkskunst von und für Außenseiter.
Die Arbeiten von Javier Mayoral können Sie auf seiner Website, seinem Flickr-Account und in seinem Buch "MAYORAL" verfolgen.
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