Der amerikanische Fotograf Ed Freeman ist ein Lichtkünstler. In seiner 30-jährigen Karriere fing er alle Arten des Lichts ein – himmliches Licht, stimmungsvolles Licht, die schimmernde Atmosphäre über Los Angeles, den harten Sonnenschein in der Mittagswüste. Diese Faszination für das Licht, für das Hell und Dunkel, ist auch vielleicht der einzige rote Faden, der sich durch seine Bilderserie "Underwater" zieht. Denn die Serie umfasst so viele Stile, so viele Farb- und Tonschöpfungen, dass man, wenn man es nicht besser wüsste, vermuten könnte, es sei ein gemeinschaftliches Werk von vier oder fünf Fotografen.
"Ich dachte, man fotografiert einfach"
Die Akt-Fotografie an sich ist dabei eigentlich ein Nebenprodukt seiner eigentlichen Foto-Kunst: "Ich habe wohl nicht verstanden, dass man sich spezialisieren sollte", erklärt der 76-Jährige unseren amerikanischen Kollegen auf playboy.com. "Man soll entweder nur Autos oder Stillleben oder Essen oder Mode oder was auch immer fotografieren. Das wusste ich nicht. Ich dachte, man sollte einfach fotografieren. Also ging ich raus und fotografierte einfach alles", sagt er und fügt mit Nachdruck hinzu: "Außer Autos. Ich hasse Autos."
Freeman ist ein Quereinsteiger in der Fotografie – sein offenes Auge für alle möglichen Motive spiegelt genau das wider. Denn Freemans künstlerische Karriere begann in der Musik, irgendwann Mitte der 1960er, als er anfing, Gitarre und Laute zu spielen. Kurzzeitig war er sogar bei Capitol Records unter Vertrag, doch merkte dann, dass er eigentlich viel lieber die Strippen im Hintergrund zieht. In den 1970ern arbeitete er also als Produzent an Alben von Singer-Songwriter-Ikonen wie Carly Simon oder Gregg Allman und fand das, was er seine "15 Minuten Ruhm" nennt, mit dem Produzieren von Don McLeans Hit "American Pie".
Dieser gigantische Hit hätte bedeuten können, dass sich Ed Freeman in der Musikbranche sorglos zurücklehnen kann. "Ich war ziemlich erfolgreich", erklärt er auf playboy.com, "aber ich war nicht richtig glücklich damit. Ich wollte doch lieber Künstler sein, nicht der Vermittler." Er gab die Musik auf, um sein eigenes Fotostudio in Hollywood zu eröffnen. Statt Platin-Platten machte er nun Porträts für Schauspieler, die es gerade schwer hatten. Diese Porträts zu schießen und das Verkaufen von Reisefotos an Getty Images, um seine Weltreisen zu finanzieren, "war so, als würde jemand anderes für meine Ausbildung bezahlen", sagt er.
"Ich wollte erotische Kunst für schwule Männer machen, die so gut ist wie die im Playboy"
Diese Ausbildung sollte sich noch bezahlter machen, als ein Freund ihm vorschlug, einige seiner Werke im Restaurant gegenüber seines Fotostudios auszustellen. Für seinen ersten großen Auftritt dachte er dabei pragmatisch: Er wollte etwas Besonderes fotografieren, anstatt Porträts von Schauspielern auszustellen, die sowieso keiner kennt. Sein erstes Thema dafür, den männlichen Akt, wählte er ebenso pragmatisch: Als schwuler Mann war er mit der Fotografie in den damaligen Zeitschriften unzufrieden. "Ich wollte erotische Kunst für schwule Männer machen, die so gut ist wie die im Playboy", sagt er. Und tat es.
Aber erst mit der Einführung der digitalen Bildbearbeitungssoftware Ende der 90er Jahre und dem Ausbruch aus den Grenzen der Dunkelkammer kam Freeman als Fotograf richtig zur Geltung. "Ich kaufte Photoshop, habe mit einem Bild herumgealbert und als ich fertig war, dachte ich: 'Oh mein Gott. Das ist es.' Ich habe mich total verliebt." Und obwohl er nicht surft und nicht einmal schwimmt, entwickelte er die Obsession, Fotos von Surfern zu machen, die auf Wellen reiten. Aber das Fotografieren aus dem Trockenen bedeutete, dass jedes Foto eine Horizontlinie hatte, die es durchzog. "Es war langweilig wie Scheiße", sagt er. Also montierte er digital Wellen in das Bild und tauschte den normalen Himmel gegen einen dramatischeren aus. Er wollte das Bild in seiner Gänze mit Bewegung füllen – und verlieh seinen Bildern eine fast biblische Dimension.
"Ich stehe auf Epik"
Im Gegensatz zu dramatischen Wellen setzt er bei den "Underwater"-Akten auf Ruhe und Sinnlichkeit. Jede Anstrengung der Models, die auf den Fotos sichtbar war, retuschierte er solange, bis sie verträumt im Wasser schweben. Jede Unstimmigkeit im Licht passte er sorgfältig stundenlang an. Seine Werke seien beeinflusst von Malern wie Rembrandt oder Carvaggio sagt er, nicht von anderen Fotografen. Und das sieht man.
"Ich stehe auf Epik", sagt Freeman. "In welcher Form auch immer. Wenn ich also Surfer fotografiere, dann ist es episches Surfen. Wenn ich Aktfotos mache, sind es epische Aktfotos." So einfach ist das also.
Das Cover der Sommerausgabe des US-Playboys
Er wollte Kunst machen, die so gut ist wie die im Playboy – und hat es geschafft. Zumindest sind unsere US-Kollegen so überzeugt von seiner "Underwater"-Serie, dass sie ihr Platz im ihrer Sommerausgabe machten: Im Heft selbst auf sechs Seiten – und auf dem Cover.
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Die Arbeit von Ed Freeman können Sie auch auf seiner Website oder auf seinem Instagram-Account verfolgen.
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