Meine erste Sex-Puppe hatte ich mit 16. Mein bester Kumpel schenkte sie mir damals zum Geburtstag. Ein Scherz, versteht sich. Sie war aus Gummi und sah eher aus wie ein Strandspielzeug für den Italienurlaub. Man musste sie mit dem Mund aufblasen, und am Ende der Party hatte sie ein Loch. Also noch eins.
Das ist 14 Jahre her. Heute ist die Idee ausgereifter. Längst gibt es „Sex Dolls“ aus Silikon in Lebensgröße, die sich angeblich von echten Frauen – rein optisch und haptisch, versteht sich – kaum noch unterscheiden. Und sie sind auch keine potenziellen Scherzartikel mehr, sondern kosten bis zu 2000 Euro, weshalb in jüngster Zeit und ganz im Ernst immer mehr Bordelle eröffnen, die auf die Vermietung solcher Silikon-Schönheiten spezialisiert sind.
Knapp 100 Euro kostet eine Stunde. Eines dieser Bordelle steht in Dortmund, ein anderes ist das Lumidolls in Barcelona. Und weil für mich das Ambiente stimmen muss – als Vorspiel zum Puppenfick ein Spaziergang durch Dortmund-Aplerbeck? Schwierig –, suche ich Antworten auf meine Frage lieber in Katalonien. Hier kennt mich auch garantiert keiner. Meine Frage lautet: Macht so was Spaß?
Eine Stunde mit der Puppen-Chefin
Auf seiner Homepage bietet mir das spanische Bordell vier Puppen zur Auswahl an, drei von ihnen sehen asiatisch aus. Bloß eine ist blond und hat gewaltige Brüste. Einen Moment lang frage ich mich, was wohl Beatrix von Storch zu dieser Ausländer-Statistik sagen würde. Dann verwerfe ich den Gedanken aber schnell wieder, denn es ist schon schwierig genug, sich aufs Erregtwerden durch Puppen konzentrieren zu müssen. Im selben Moment an Beatrix von Storch zu denken ist nahezu unmöglich.
Wenn ich also ganz tief in mich hineinhorche, dann spricht mich die blonde Puppe etwas mehr an. Trotzdem entscheide ich mich für Yoko. Weil meine Freundin aus Japan stammt und ich (falls sie das Foto auf der nächsten Seite sieht) nicht in die unangenehme Situation geraten möchte, ihr erklären zu müssen, warum ich mich ausgerechnet für die europäische Puppe entschieden habe. Das gäbe einen Streit, der mich komplett überfordern würde.
Für 20 Euro extra kann ich online auch gleich ein Outfit für die Yoko auswählen: Schuluniform, Sport-Dress oder Business-Kostüm? Ich pflege ja die heimliche Fantasie, dass meine Chefin mich in ihr Zimmer zitiert und auf ihrem Schreibtisch über mich herfällt. Dass dies bisher nie geschah, kann nur daran liegen, dass ich keine Chefin habe, wie jeder weiß, der mal einen Blick ins Playboy-Editorial geworfen hat.
Dann eben wenigstens für eine Stunde eine Puppen-Chefin, denke ich mir und schreibe dem Bordell eine Mail mit der Bitte, Yoko in ein Business-Kostüm zu stecken. Das ist mein erster Fehler, wie sich noch herausstellen soll. Den zweiten mache ich fünf Sekunden später. Ich darf mir nämlich auch aussuchen, in welcher Position Yoko mich empfangen soll. Selbstbewusst soll sie auf dem Bett sitzen! Ebenfalls eine blöde Idee. Aber dazu gleich mehr.
„Yoko, das ist Max. Max, das ist Yoko“
Zwei Tage später stehe ich vor der unscheinbaren weißen Tür eines Wohnhauses in einer Seitenstraße nahe dem Camp Nou. Ich soll anrufen, wenn ich da bin, weil die Klingel nicht funktioniert, und nach zweimal Tuten öffnet ein junger Kerl. Mit seinem schwarzen Wollpullover und den Skinny Jeans sieht er eher nach Werkstudent als nach Zuhälter aus.
Überhaupt: Nichts in dem Gebäude erinnert an ein Rotlicht-Etablissement. Keine roten Samtvorhänge, keine Neonbeleuchtung, bloß ein schmaler, dämmriger Flur mit Holzfußboden und vielen Türen. Der Werkstudent führt mich durch die letzte Tür am Ende des Ganges in einen Raum, der ziemlich exakt meinem Hotelzimmer gleicht. Bloß dass bei mir auf dem Bett keine lebensgroße Puppe in schwarzem Minirock und prall gefüllter Bluse sitzt und einen Porno im Fernseher anstarrt.
„Yoko, das ist Max. Max, das ist Yoko“, sagt ihr junger Zuhälter, und einen Moment lang frage ich mich, ob er ein Spinner ist oder ob er mich für einen hält. „Hi“, antworte ich. Warum, weiß ich auch nicht. Ein Reflex. Aber die Spinner-Frage ist damit geklärt, und der Werkstudent erklärt mir im bestimmten Ton eines geschulten Heimbetreuers die Regeln:
Erstens: Ich darf nicht in ihren Haaren kommen. Komisch. Offenbar hatten manche Kunden dieses Bedürfnis, und der Puff-Chef musste anfangs jeden Abend stundenlang Puppenhaare bürsten. Aber wieso? Was wollten diese Kunden? Ihre Überlegenheit demonstrieren? Wer, bitte schön, möchte denn eine Puppe erniedrigen? Na ja, egal. Nicht in die Haare. Kapiert.
Zweitens: „Die Puppe darf nicht den Boden berühren.“ Ich nicke, als würde ich das schon kennen. Wie ein treuer Dubai-Urlauber, der diesen Sommer ausnahmsweise mal nach Abu Dhabi geflogen ist und darüber belehrt wird, dass man in einem muslimischen Land öffentlich keinen Alkohol trinken darf. Klar, Fick-Puppe darf nicht auf den Fußboden. Tzz. Kaum zu glauben, dass es immer noch Menschen gibt, die das nicht wissen!
Es kommt mir falsch vor, direkt über sie herzufallen
Dann verlässt der Werkstudent den Raum und lässt mich mit Yoko allein. Im Fernseher besteigt eine brünette Porno-Darstellerin gerade einen muskelbepackten Kerl und reitet auf ihm, als wolle sie den großen Preis von Baden-Baden gewinnen. „Der hat’s gut“, denke ich beim Blick zurück auf meine starre Gespielin. Yoko wird wohl eher nicht so abgehen. Andererseits: Ich bin ja auch nicht muskulös.
„Hollywood, was?“, sage ich scherzhaft und deute zum Fernseher. Oh Gott, ich rede mit einer Puppe! Aber das liegt daran, dass ich mich nicht wohlfühle. Sie sieht zu menschlich aus, um sie einfach wie einen Gegenstand zu betrachten. Vorsichtig setze ich mich neben sie aufs Bett. Hm. Und nun? Irgendwie kommt es mir falsch vor, direkt über sie herzufallen. Ich bin schließlich ein Gentleman. Also grabsche ich ihr erst mal nur an die Möpse. Fühlt sich gut an. Nicht wie echte Brüste, aber ziemlich genau so wie die Silikonbrüste meiner Ex. Und es bringt mich seltsamerweise auf Touren.
Jetzt will ich mehr. Also weg mit ihren Klamotten. Vorsichtig versuche ich, ihr die Bluse abzustreifen, aber das geht nicht. Ich ziehe ein paarmal am Stoff, suche nach weiteren Knöpfen, finde aber nichts. Verdammt! Einen Moment lang überlege ich, zur Rezeption zu gehen und den Werkstudenten zu bitten, mir die Puppe auszuziehen. Aber das wäre mir jetzt doch zu peinlich.
Das Feintuning
Dann halt obenrum bekleidet. Super. Leider gibt es da noch ein weiteres kleines Problem: ihre Sitzposition. Ich hatte es mir sexy vorgestellt, aber in der Praxis ist diese Haltung problematisch. Und dasselbe gilt auch für Stellungswechsel mit Sex-Puppen. Die Silikon-Damen wiegen immerhin knapp 50 Kilo. Nachdem ich Yoko annähernd in die Hündchen-Stellung gewuchtet habe, kann ich für die Nachwelt folgende Erkenntnis festhalten: A tergo ist nichts für objektophile Puppenspieler.
Erst wuchte ich Yoko mühsam über die Schulter, damit sie auf dem Bauch liegt, und ächze dabei wie ein Möbelpacker. Der Aushilfsstudent denkt jetzt bestimmt, Deutsche riefen „Hau ruck!“ beim Höhepunkt. Anschließend stehe ich mit Schweißperlen auf der Stirn grübelnd vor dem Bett wie ein Baumeister vor einem windschiefen Hausentwurf und überlege, wie es weitergehen soll.
Ich muss ihre Beine stärker anwinkeln, damit sie auf allen vieren kniet. Ich biege also an ihren Ober- und Unterschenkeln herum und mustere anschließend wieder mein Werk. Sexy sieht das noch nicht aus. Eher, als sei sie beim Skifahren schlimm gestürzt. Die Beine stehen unnatürlich vom Körper ab. Ich mache mich also ans Feintuning. Lecko mio, was für ein Aufwand!
Sie ist eng, warm und ... feucht
Als ich endlich fertig bin, rast mein Puls vor Anstrengung. So aus der Puste war ich noch nie vom Sex. Und dabei will ich gerade erst anfangen. Ich knie mich hinter sie und fühle erst mal mit den Fingern vor. Tatsächlich fühlt sich die Vagina der Puppe überraschend echt an. Sie ist eng und warm und ... feucht. Merkwürdig. Mir fallen auf Anhieb nur drei Möglichkeiten ein, warum sie innen so saftig ist:
Erstens: Das ist eine Funktion, damit die Puppe noch realistischer wirkt.
Zweitens: Das sind Wasserreste der letzten gründlichen Reinigung nach meinem Vorgänger.
Drittens: Es gab keine letzte gründliche Reinigung, sondern nur meinen Vorgänger.
Pfui Teufel! Angeekelt ziehe ich meine Finger schnell wieder aus der Puppen-Vagina. Und mit einem Schlag ist mir die Lust komplett vergangen. „Komm schon“, motiviere ich meinen Penis, „das ist bloß Wasser!“ Aber es bringt nichts. Ich kann nicht mehr. Mir bleibt nichts anderes übrig, als mir vor Yokos vorwurfsvollen Blicken die Boxershorts wieder hochzuziehen. So gerade kann ich noch das Bedürfnis unterdrücken, mich mit einem „Das ist mir noch nie passiert“ zu entschuldigen.
Peinliches Schweigen
Enttäuscht und beschämt setze ich mich neben die Puppe aufs Bett. Es herrscht peinliches Schweigen zwischen uns. Soll ich einfach aufstehen und gehen? Dann denkt der Werkstudent womöglich, ich sei beim Puppensex zu früh gekommen. Wie peinlich ist das denn! Man hat schließlich so was wie Würde. Also krame ich mein Handy aus der Hosentasche und wische mich 20 Minuten lang durch das Angebot echter Frauen auf Tinder, während Yoko neben mir liegt und an die Decke starrt.
Auf dem Weg zurück ins Hotel laufe ich an einer Modeboutique vorbei. In der Auslage steht eine nackte Schaufensterpuppe. Ich blicke sie einen Augenblick an – und finde sie echt heiß. Na toll, jetzt könnte ich auf einmal wieder!
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