Mitte der 70er-Jahre: Der US-Playboy verkauft mehr als sieben Millionen Hefte und befindet sich in einem „Pubic War“ mit dem Konkurrenzmagazin Penthouse. Der Grund für die Auseinandersetzung ist das Zeigen von Schambehaarung auf den Magazinseiten. Inmitten dieser turbulenten Zeit erschien plötzlich ein weiteres Magazin auf dem Markt: "Hustler". Der Herausgeber, Larry Flynt, kümmerte sich nicht um ethische und moralische Konventionen, Schamhaare abzudrucken oder nicht. Er zeigte sie einfach. Und noch ein bisschen mehr. So viel, dass es ihn immer wieder vor Gericht bringen sollte.
Wie Hugh Hefner einst, musste auch Flynt die Inhalte seines Magazins vor Gericht verteidigen. Doch tat er das aggressiver, schriller und lauter als alle vor ihm. Während „Hef“ es sich zum Ziel gemacht hatte, den guten Ton zu treffen und ein Magazin für den Lebensstil junger Gentlemen zu betreiben, fand Flynt Genuss an Pornografie, Obszönitäten und Grenzüberschreitungen. Einmal erschien er in einer zur Windel umfunktionierten USA-Flagge vor Gericht, ein anders Mal ließ er seine Geldstrafe in 1-Dollar-Noten von Stripperinnen vor die Füße des Richters kippen. Larry Flynt liebte die Provokation – und er lebte sie.
Flynt kam am 1. November 1942 in einem Kaff im US-Bundesstaat Kentucky zur Welt. Seine Eltern waren arm und ließen sich scheiden, als Larrys kleine Schwester mit vier Jahren an Leukämie starb. Mit 15 fälschte er seine Geburtsurkunde, um sich der US-Armee anzuschließen. Später arbeitete er drei Monate für General Motors und schlug sich später als Alkoholschmuggler durch. Wenig später meldete er sich bei der US-Navy.
In das „schmutzige“ Geschäft, das ihn später großen Reichtum verschaffen sollte, stieg er 1965 ein. Für 1800 Dollar erwarb er die Bar, die seiner Mutter gehört hatte und verdiente bald 1000 Dollar pro Woche. Doch das Geld war hart verdient: Nicht nur musste er immer wieder Faustkämpfe zwischen seinen betrunkenen Gästen schlichten, er nahm auch Amphetamin, um die teilweise 20-Stunden-Arbeitstage zu bewältigen. Die schwierigen Anfangszeiten sollten jedoch den Grundstein für sein späteres Imperium legen.
Mit den angesparten Dollars beschloss Flynt, ein hochwertiges Strip-Lokal zu eröffnen. Er war der Überzeugung, Männer bräuchen etwas, das sie im betrunkenen Zustand anstarren könnten, um nicht immer wieder in Schlägereien verwickelt zu werden. Der erste Hustler Club war geboren. Die Geschäfte liefen gut und so wurde aus den Hustler-Bars ein Franchise-Unternehmen, das auch bald einen eigenen regelmäßigen Newsletter bekam: den Hustler-Newsletter. Anfangs in schwarz-weiß gehalten, informierte das Blatt auf zwei Seiten über die Programme der einzelnen Hustler-Clubs. Mit steigender Beliebtheit dieser einfachen aber kostenlosen Publikation, steigerte Flynt die Seitenzahl schließlich auf 32 Seiten. Als wegen der Ölkrise die Besucher in seinen Bars ausblieben, setzte Flynt endgültig auf das Magazin-Business und veröffentlichte im Juli 1974 die erste Ausgabe des Hustler Magazins.
Als Hefner die Fotos von Marilyn Monroe in der ersten Playboy-Ausgabe abdruckte, etablierte sich sein Magazin dadurch schnell. Hustler nahm eine andere Entwicklung, die ebenso turbulent war wie Flynts Leben. Doch auch er hatte seinen „Monroe“-Moment.
Als er 1975 die Paparazzi-Fotos der nackten Jacky Kennedy Onassis angeboten bekam, schlug er zu und druckte die Bilder ab. Diese zeigten die Ex-First Lady unbekleidet beim Sonnenbaden. Eine Sensation. Die fragwürdige Veröffentlichung verhieß den Durchbruch für Flynt und sein Maazin. Viele seiner verlegerischen Aktionen sorgten jedoch für harte Kritik. Überall dort wo Playboy und Hefner eine Grenze sahen, ging Flynt mit seinem Blatt mindestens zwei Schritte weiter. So waren im Hustler nicht nur erstmals explizite Aufnahmen weibliche Geschlechtsorgane – sogenannte „pink shots“ – zu sehen, sondern später sogar pornografische Aufnahmen, die Männer und Frauen beim Sex zeigten. Doch die Anfeindungen der Moralisten interessierten Flynt nicht. In seiner Autobiografie beschrieb er sich selbst als „Hinterwäldler“, dem der Sex wichtiger war als die Meinung des Establishments. Sein Magazin sah er als Alternative zum Playboy, dessen Texte viele Leser der Arbeiterklasse laut Flynt schlicht zu intellektuell waren.
Doch genau wie der Playboy-Publizist Hefner war auch der Hustler-Herausgeber ein Kämpfer für die Freiheits- und Presserechte. 1976 wurde er sogar zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt, saß aber lediglich sechs davon Tage ab. Auch eine Parodie aus dem Jahr 1983 sorgte landesweit für Schlagzeilen, als im Hustler über den berühmten TV-Prediger Jerry Falwell zu lesen war. Dieser habe seine Jungfräulichkeit beim Sex mit seiner eigenen Mutter in einem Toilettenhäuschen verloren, titelte der "Hustler". Falwell klagte, doch 1988 entschied der Oberste Gerichtshof der USA zugunsten von Flynt. Das Argument: der erste Zusatzartikel und die Meinungsfreiheit seien wichtiger als der vermeintliche Schaden, den prominente Personen durch psychischen Stress infolge von Parodien hätten. Ein wegweisendes Urteil. Später wurden Falwell und Flynt sogar Freunde. Trotzdem machte sich der wahnwitzige Verleger viele Feinde, vor allem Feministinnen und religiöse Gruppen kritisierten Flynt und sein Magazin.
Larry Flynt war gewissermaßen ein Hugh Hefner auf Speed. Dieser Vergleich kann wörtlich verstanden werden: Nach einer seiner zahlreichen Verhandlungen, wurde Flynt und dessen Anwalt von einem rassistischen Serienmörder niedergeschossen. Zwar überlebten beide das Attentat, Flynt war von da an aber an den Rollstuhl gebunden. Diesen ließ er sich später sogar vergolden. Als Folge des Attentats litt er jahrelang an starken chronischen Schmerzen und entwickelte eine Abhängigkeit zu diversen Drogen und Medikamenten. Und wie Hefner leistete sich auch Flynt Privatjet und Mansion.
2017 sorgte Flynt für Aufsehen, als er in einer ganzseitigen Anzeige zehn Millionen Dollar Belohnung für Hinweise bot, die zu einem Impeachment-Verfahren des frisch gewählten US-Präsidenten Donald Trump führen könnten. Es war nicht die erste Anzeige dieser Art. In seinem Magazin bot er in den 70er-Jahren eine Million US-Dollar für Hinweise an, die den Mord an John F. Kennedy aufklären könnten. Ob Porno oder Politik – aufzufallen gehörte zum Geschäft und den großen Talenten des Porno-Königs.
Nach eigenen Angaben litt Flynt an einer bipolaren Störung. Vielleicht erklärt das seinen lauten, auffälligen Lebensstil. Flynt war insgesamt fünf Mal Fünf Mal verheiratet und Vater von sechs Kindern. Eine seiner Töchter warf ihm später Missbrauch vor. Dies bestritt er jedoch Zeit seines Lebens. Wie kaum ein anderer kämpfte er jedoch auch für das Recht auf freie Meinungsäußerung, die Rechte der LGBTQ-Community, für die gleichgeschlechtliche Ehe und ein liberales Amerika.
Am 10. Februar verstarb Larry Flynt schließlich in den Hollywood Hills an den Folgen eines Herzfehlers. Sein dekadentes, mutiges, perverses, schrilles und unvergleichliches Leben wird in den USA und der westlichen Welt noch lange nachhallen.
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