Entgegen dem Klischee vom emotionalen Holzklotz namens Mann habe ich nicht den Eindruck, dass es heute noch übermäßig viele Männer gibt, die Probleme damit haben, ihre Gefühle zu zeigen. Zumindest bei denjenigen unter, sagen wir mal, 50. Im Gegenteil. In einer Zeit, in der Brad Pitt im Interview darüber spricht, wie er sich nach seinem Ehe-Aus nun seinen finsteren Seiten stellt (und wie ihm das Töpfern dabei hilft), ist es so normal geworden, dass ich manchmal allein aus Distinktionsgründen Lust hätte, künftig mit der „stiff upper lip“ eines britischen Admirals durchs Leben zu gehen.
Aber das wäre natürlich Quatsch. Die Gefühle müssen raus. Lässt man sie nicht, brechen sie sich Bahn. Mal in Form des tränenreichen Zusammenbruchs nach sieben großen Bier in der Kneipe, mal in Form des Burnouts nach 17 ehrenhaften Jahren im Büro. Wir Männer sind wie Weinfässer. Es gärt in uns. Gärt da zu viel, explodieren wir irgendwann oder erleiden einen schwer zu kittenden Riss im Gehäuse. Dann plätschert es nur noch so aus uns raus. Besser, man öffnet vorher sporadisch mal den Gärhahn. Noch besser: Man versteht den Gärprozess und weiß, wann es den Hahn zu öffnen gilt und was das Zeug, das dann ausströmt, zu bedeuten hat.
Die Königsdisziplin ist: Gefühle zu zeigen und gleichzeitig deutlich zu machen, dass man mit ihnen umgehen kann. Dass sie einen nicht überfordern. Weil man sich ihrer bewusst ist, weil man sie weder für beschämend noch für schädlich hält und weil man ein bisschen was darüber kapiert hat, wie man ihnen am besten begegnet: zum Beispiel mit Selbst-Verständnis ohne allzu großes Selbstmitleid. Und mit Humor ohne allzu viel Sarkasmus.
Playboy Textchef Philipp Wolff ist da anderer Meinung. Lesen Sie hier seinen Gegenkommentar.