„Man macht sich das Leben schwer, wenn man sich nur aufs Gewinnen konzentriert“

Spitzensportlerin Malaika Mihambo im Interview
Credit: Imago Images

Nach zwei WM-Siegen ist klar: Gold steht ihr ausgezeichnet. Die Hoffnung auf das Triple in diesem Jahr bei der diesjährigen Leichtathletik-Weltmeisterschaft, die am 19. August startet, musste sie trotzdem aufgeben. Verletzungsbedingt sagte Spitzensportlerin Malaika Mihambo, die derzeit erfolgreichste Leichtathletin Deutschlands, die Teilname ab. Im Playboy-Interview spricht sie jetzt über ihr WM-Aus, die Bedeutung des Siegens und Schattenseiten unserer Gesellschaft. 

Frau Mihambo, am 19. August startet die Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Budapest. Aufgrund einer Verletzung am Oberschenkel allerdings ohne Sie. Was macht das mit Ihnen?

Ich bin sehr traurig, dass die Saison nicht wie geplant stattfinden und ich bei der WM nicht an den Start gehen kann. Ich bin, wie man bei den Deutschen Meisterschaften gesehen hat, in absoluter Top-Form in Richtung WM gewesen. Das hätte ich gerne in Budapest gezeigt. Jetzt muss ich etwas Geduld haben, um dann nächstes Jahr bei den Europameisterschaften in Rom und den Olympischen Spielen in Paris wieder alles geben zu können. Darauf liegt mein Fokus.

Hatten Sie es sich zum Ziel gesetzt, den dritten WM-Titel in Folge zu holen?

Man macht sich das Leben schwer, wenn man sich nur aufs Gewinnen konzentriert. Ob ich eine Medaille gewinne, hängt schließlich nicht nur von mir, sondern auch von den Leistungen der anderen ab. Ich konzentriere mich auf alle Dinge, die in meiner Macht stehen und die ich beeinflussen kann. Dass ich das Potential, das in mir steckt, auf die Bahn bringen und in Weite umsetzen kann. Dabei ist es mir total egal, ob es sich um ein kleines, nationales Meeting oder die WM handelt. Bei einem Wettkampf geht es mir immer darum, mein Bestes zu geben.

Das heißt, es geht Ihnen nicht konkret ums Siegen?

Ich habe alles gewonnen, was man gewinnen kann, und bin darüber auch sehr, sehr glücklich, aber für mich geht es schon lange mehr als nur um Titel. Ich sehe den Leistungssport auch als Chance, meine Persönlichkeit weiterzuentwickeln. Das trägt dazu bei, dass man eine bessere Athletin wird – aber darüber hinaus auch ein reifer, in sich ruhender Mensch.

In welchen Punkten haben Sie sich weiterentwickelt?

Da gibt es einige! Ich kann zum Beispiel viel besser mit Drucksituationen umgehen. Bei den Europameisterschaften 2018 habe ich sehr mit mir gehadert und es nicht geschafft, mein Potential voll auszuschöpfen. Ich habe den Wettkampf zwar gewonnen und bin Europameisterin geworden, aber mit einer Leistung, mit der ich nicht zufrieden war. Schon ein Jahr später bin ich bei der WM in Doha als Favoritin auf den Titel zwei Sprünge gesprungen, von denen einer ungültig war und einer nicht gereicht hat. Ich hatte nur noch diesen einen Sprung, und da schaffe ich es plötzlich mit 7,30 Meter meine Bestleitung zu springen! An solchen Situationen merke ich, wie ich mich entwickelt habe. Wie viel selbstsicherer ich bin, wie viele Ruhe ich entwickeln kann. Ich kann jetzt auch als Privatperson viel besser mit schweren Zeiten umgehen.

Malaika Mihambo für Nike
Credit: Fabian Hensel

Viele Künstler, etwa Sänger, beschreiben, dass man nach großen Auftritten in eine Art Loch fällt. Ist das bei Ihnen nach einem Wettkampf auch so?

Das kann auf jeden Fall mal passieren! Es gibt dafür sogar einen Begriff: „post-Olympic Depression“. Viele Athleten fallen nach Olympischen Spielen, und dafür muss man nicht unbedingt gewonnen haben, in ein Loch. Man trainiert schließlich vier Jahre für diesen einen Moment. Dann ist er vorbei, und man merkt die Anstrengung der vergangenen Jahre. Mir selbst passiert das nicht so oft. Nur nach den Olympischen Spielen 2021 in Tokio war ich müde, ausgelaugt und reif für Urlaub.

Leichtathletin Malaika Mihambo im Playboy-Interview: „Für mich geht es schon lange um mehr als nur Titel“

Man sagt, dass Erfolg die Menschen verändert. Trifft das auch auf Sie auch zu?

Nein, jedenfalls nicht im negativen Sinne. Ich habe mir vorgenommen, immer auf dem Boden zu bleiben. Ich bin von Grund auf ein bescheidener Mensch und empfinde mich nicht als „besser“, nur weil ich erfolgreicher Sport gemacht habe als andere. Ich denke, das ist eine gute Ausganglage, um dieselbe zu bleiben. Und ich denke, alle, die mich von früher kennen, sehen das genauso.

Nach der WM in Eugene 2022, bei der Deutschland nur zwei Medaillen gewinnen konnte, wurde ordentlich Kritik am Deutschen Leichtathletik-Verband laut. Sprinterin Gina Lückenkemper beispielsweise kritisierte seine Strukturen. Wie sehen Sie das?

Ich denke, dass man gut unterstützt wird, wenn man bereits sehr gute Leistung erbracht hat. Wenn man aber erst auf dem Weg dahin ist, dann gibt es sicherlich noch einiges aufzuholen. Das Fördersystem anders zu gestalten, würde sicherlich vielen Athleten helfen. Ich konnte schon sehr früh sehr große Erfolge vorweisen, deshalb war ich nicht so betroffen. Aber nachdem ich 2016 Vierte bei den Olympischen Spielen wurde und im Folgejahr verletzt war, musste ich auch erst mal schauen, ob ich bei null rauskomme am Monatsende …

Was muss passieren, damit Deutschland wieder erfolgreicher in der Leichtathletik wird?

Ich kann das nur aus meiner persönlichen Perspektive beantworten und bin sicherlich keine Expertin: Ich denke, dass es vor allem darum geht, gerade junge Athleten zu fördern. Erst einmal Kinder zur Leichtathletik zu bringen und ihnen den Spagat zwischen Schule, Ausbildung, Uni oder Leistungssport zu ermöglichen. Dass sie diesen harten Weg mit qualifizierten Trainern und sportpsychologischer Unterstützung gehen können. Sie sollten sich nicht zwischen dem Sport und der schulischen Ausbildung entscheiden müssen.

Sie haben 2016 Ihr Bachelor-Studium der Politikwissenschaften an der Uni Mannheim abgeschlossen. Seit 2016 studieren Sie Umweltwissenschaften im Master. Woher stammt Ihr Interesse für diese Themen?

Mir ist das gesellschaftliche beziehungsweise soziale Miteinander einfach sehr wichtig. Das schließt auch die Natur und die Tiere mit ein. Ich möchte einen Beitrag dazu leisten, dass Menschen, Tiere und Natur bestmöglich miteinander in Einklang leben können.

Wie schaffen Sie es, Ihr Studium und den Profisport unter einen Hut zu bekommen?

Gerade im Master merke ich, dass alles etwas entspannter ist. Zum einen, weil ich mir mehr Zeit nehme und nicht versuche, alles in Regelstudienzeit zu absolvieren. Zum anderen, weil ich mich nur mehr auf die Qualität konzentriere. Mein Hauptberuf ist und bleibt der Leistungssport – und zwar mit allem, was dazugehört.

Ihr Vater stammt aus Sansibar. Sind Sie oft dort?

Es soll ja ein wunderschönes Urlaubsziel sein, aber ich selbst war noch nie dort. Auch generell noch nicht in Tansania. Aber ich werde auf jeden Fall noch einmal hinreisen!

Sie haben Erfahrungen mit Rassismus machen müssen. Gibt es ein konkretes Erlebnis, das sich bei Ihnen eingeprägt hat?

Ich glaube, es geht hier nie um Details. Es gibt nicht dieses eine Erlebnis, das besonders schlimm war. Es ist die Summe der Mikroaggressionen, die man spürt und die einen verändern. Das macht sehr viel mit dem Selbstwert: Man wird in sich unsicher, fühlt sich nicht mehr frei, man selbst zu sein. Damit muss man lernen umzugehen und es wieder abzulegen.


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