„Wir Männer sind doch so simpel“

Marius Müller-Westernhagen im Interview über sein Leben, sein Rock-Album und die Frauen
Credit: Olaf Heine
Cover Playboy 06_22
Magazin
Playboy 2022/06

Inhalt

AKTION

Gentlemen’s Weekend: Genüsse und Abenteuer erwarten Sie in Leogang im Salzburgerland

Spiele auf hohem Niveau: So war das Gentlemen’s Weekend im „Schlosshotel Hugenpoet“ in Essen

UPDATE

First Lady: GZSZ-Jubilarin Iris-Mareike Steen

Ein guter Monat für: „Star Wars“-Fans und Ästheten

15 Fragen an ... Wotan Wilke Möhring 

Reise: Tipps für Roadtrips mit dem Camper 

Helge-Timmerberg-Kolumne: Der Zeitgeist und ich 

Motor: Durch Portugal in Opels Elektro-Astra

Stil: Konkurrenzlos lässige Sporttaschen

Pro & Contra: Woke sein – notwendig oder spießig? 

STREITSCHRIFT

Rettet den Wettbewerb: Heute gilt das Recht des Schwächeren, die Stärkeren sollen zurückstehen. Ist Fortschritt so überhaupt noch möglich?

REPORTAGE

Jäger des Feuers: Um Kaliforniens verheerende Waldbrände zu fotografieren, wagt sich Stuart Palley so nah an die Flammen wie wenige andere

INTERVIEW

Marius Müller-Westernhagen: Der legendäre Musiker über Krieg, Freiheit, seinen Kumpel Gerhard Schröder und die Macht der Frauen

MOTOR & TECHNIK

Porsche GT4 RS: Eine Testfahrt in der perfekten Rennmaschine durchs Autódromo do Estoril

Mein Schlitten: Frank Schulz & sein Triumph Spitfire

Im freien Fall: Wie fühlt sich Schwerelosigkeit an? Unser Autor fand es in einem Airbus heraus

EROTIK

Playmate: Unsere Miss Juni, Emilia Jung, sieht in ihren Aktfotos Kunstwerke. Recht hat sie!

Blende Sechs: Die Engländerin Sophia Blake wagt sich auf Mallorca ins frühlingskühle Meer

GRILL-SPECIAL

Wild grillen: So bringen Sie Reh, Hirsch & Co. gekonnt auf den Rost und auf den Teller

Outdoor-Küchen: Fünf heiße Grill-Modelle

Deftig grün: Geniale Gemüsebeilagen

Gute Geräte: Werkzeug für den Feuerkoch

Wein des Monats: Grill-Begleiter aus Kalifornien

Umfrage des Monats: Wie grillen die Deutschen?

STIL

Schuhe: Leichte Sohlen für den Sommer

Pflege: Eine kleine Deo-Kunde

LUST & LEBENSART

55 Männer: Unsere Autorin suchte die Liebe – und brachte viele Sex-Erkenntnisse mit

Tagebuch einer Verführerin: Sophie Andresky möchte einen Tag ein Mann sein – wer tauscht?

KULTUR

Tom Cruise: Hollywoods letzter Superstar ist zurück im Cockpit – Porträt eines Besessenen

Literatur, Musik & Serien: Das Beste des Monats

STANDARDS
  • Editorial
  • Making-of
  • Forum
  • Berater
  • Witze
  • Cartoon
  • Impressum
  • Bezugsquellen
  • Playboy Classic

Elegant und immer ein wenig provokant: So wurde Marius Müller-Westernhagen zum Held der deutschen Musikgeschickte. Die schreibt er jetzt weiter – mit seinem 23. Studioalbum „Das eine Leben“, das am 20. Mai erschien. Im Playboy-Interview spricht der 73-Jährige über die Macht der Frauen, Krieg und Freiheit, seinen Freund Gerhard Schröder, seinen moralischen Kompass und warum er nie wieder verehrt werden möchte. 

Federnden Schrittes betritt Marius Müller-Westernhagen den runden und für unser Zwiegespräch komplett überdimensionierten Konferenzraum im Berliner Hauptquartier seiner Plattenfirma. Er trägt einen hellgrauen Rollkragenpulli zu blauer Jeans und ist auch mit 73 Jahren von nach wie vor sportlich-schlanker Gestalt – und großer Mitteilsamkeit. Davon zeugt nicht nur „Das eine Leben“, sein seit acht Jahren erstes Album mit neuen eigenen Songs, das am 20. Mai erscheint. Davon zeugt auch die Leidenschaft, mit der Marius Müller-Westernhagen mehr als eine Stunde lang über die Dinge spricht, die ihn umtreiben – und das offenbar nicht erst seit gestern...

Herr Müller-Westernhagen, „Das eine Leben“ ist ein bemerkenswert spritzig und frisch klingendes Rock-Album. Woher kommt das Feurige in Ihrer Stimme? 

Das ist die Wut. Ich bin sehr glücklich darüber, dass die Platte diese Wucht hat, dieses Aggressive. Das ist ja zum großen Teil Alternative Rock, was wir hier machen. Wir haben uns alle mit großer Begeisterung den Arsch abgespielt und eine Menge Krach gemacht.  

Woher kam die Wut? 

Ich hatte das Gefühl, ich muss mich äußern und meine Sicht auf die Gesellschaft aufschreiben. Dabei ist mir wieder einmal aufgefallen, wie ignorant die Politik ist. Ob bei Corona oder jetzt beim Krieg in der Ukraine – ich glaube nicht, dass die das alles nicht sehen, aber sie sind nicht vorbereitet.  

Was regt Sie besonders auf? 

Natürlich macht mich der Putin wahnsinnig. Aus seiner Sicht mag das Sinn haben, sich einen Zugang zum Schwarzen Meer verschaffen zu wollen. Aber das ist natürlich keine Rechtfertigung, ein anderes Land zu überfallen und die Leute zu massakrieren. Und jenseits von Putin hat die Gesellschaft ihre Empathie und ihre Menschlichkeit verloren. Das geht los im Umgang miteinander. Wir verlieren die Fähigkeit zu verzeihen. Auf alles wird heutzutage hysterisch überreagiert. So kommen wir nicht zusammen. 

Marius Müller-Westernhagens neues Album “Das eine Leben“ erscheint am 20.Mai.
Credit: PR

In „Schnee von gestern“ singen Sie: „Jedem, dem ein Hirn geblieben, kann sich nur besaufen und alle Menschen lieben.“ Funktioniert die Strategie? 

Für viele Menschen, die nicht besonders stark politisch interessiert sind, ist das die einzige Lösung momentan. Doch eine wirkliche Lösung ist der Alkohol natürlich nicht. Sondern nur eine Flucht.  

Was tun Sie, um nicht durchzudrehen?

Ich halte mich fern von den sozialen Medien. Warum soll ich mir diese Scheiße angucken? Man hat eine Plattform geschaffen für Menschen, die keine Kompetenz, aber einen starken Mitteilungsdrang haben. Die verbreiten dann ihren Schwachsinn, der von vielen anderen Vollidioten geglaubt wird. Das Internet sorgt für Massenmanipulation, Desinformation und totale Überwachung. Ich halte das für höchst gefährlich. Da wurde eine rechtsfreie Zone geschaffen. Man muss sich, so gut es geht, davon freimachen. Aus meiner Sicht geht es nicht ohne Regeln – nicht in einer Gesellschaft, nicht im Netz, nicht in der Ehe. Sonst endet alles im Chaos. 

Welche Regeln in der Ehe sind Ihnen wichtig? 

Über allem steht der gegenseitige Respekt. Du musst, bei aller Liebe, wissen, dass es Grenzen gibt. Das hat nichts mit Freiheitseinschränkungen zu tun, sondern damit, dass du nicht alleine bist auf der Welt.  

Marius Müller-Westernhagen im Playboy-Interview: „Ich bin für die totale Freiheit in der Kunst, aber es gibt auch so was wie Geschmacklosigkeiten“

Was sind Ihre roten Linien? 

Ich habe einen sehr festen moralischen Kompass. Ich bin für die totale Freiheit in der Kunst, aber es gibt auch so was wie Geschmacklosigkeiten. Und es gibt Dinge, die macht man einfach nicht. Nehmen wir die Ohrfeige von Will Smith. Das ist nicht richtig, er wird bestraft, aber dann muss es auch weitergehen. Was ist stattdessen? Wochenlang wird hysterisch diskutiert, die Sache aufgeblasen ohne Ende, breitgetreten von einem gelangweilten und sensationslüsternen Volk. Selbst die seriöse Presse spielt das Spiel mit und heizt die Erregtheit noch an. 

Wir sind mitten im Thema Ihres Songs „Zeitgeist“. Darin rechnen Sie in heftigen Worten ab mit der Verlogenheit und Oberflächlichkeit unserer Gesellschaft.  

Die Lügen, die Falschinformationen, die Übertreibungen, die Fokussierung auf Nichtigkeiten – als Künstler ist es meine Pflicht, mich zu solchen Themen zu äußern. Wir sind als Gesellschaft zu schnell geworden mit unseren Urteilen, speziell unseren Vorverurteilungen. Und wir werden manipuliert ohne Ende. Du musst dich dem entziehen. 

So wie neulich, als Impfgegner Ihren Song „Freiheit“ kaperten und Sie mit einem Foto, unterschrieben mit „Freiheit“, konterten, auf dem Sie sich impfen ließen? 

Ich konnte das so nicht stehen lassen. Ich fühlte mich verpflichtet, Stellung zu beziehen. Gerade bei so einem Song, der für so viele Leute eine Bedeutung hat.  

Erst Ende März haben Sie ihn gesungen – am Brandenburger Tor bei einem Solidaritätskonzert für die Ukraine.  

Ich behandle „Freiheit“ nicht inflationär. Ich weiß gar nicht, wie viele Events es gab, wo ich eingeladen worden bin, „Freiheit“ zu singen. Ich wollte das nicht. Erstens ist das eine Überhöhung meiner Person. Zweitens eine Überhöhung dieses Songs. In dem aktuellen Fall hatte das für mich jedoch eine Notwendigkeit. Weil mich sehr stark berührt, was in der Ukraine passiert. Genau wie in Syrien, genau wie im Jemen. Aber diese Länder sind weit weg. Das gucken sich die Deutschen im Fernsehen an und sagen: „Die armen Leute!“ Die Deutschen reagieren jetzt so stark, weil die Ukraine nah ist. Weil sie die Hosen voll haben, dass morgen der Russe hier steht.  

Sie auch? 

Nein. Ich habe keine Angst, dass Putin bald bei uns an die Tür klopft. 

Marius Müller-Westernhagen im Playboy Interview: „Es geht grade viel von dem kaputt, wofür wir gekämpft haben“

Ist „Freiheit“ für Sie ein Schatz, den Sie nur zu besonderen Anlässen aus der Vitrine holen? 

„Freiheit“ ist mehr ein Schatz für die Menschen als für mich. Ich halte es nicht für so einen unglaublichen Song. Ich glaube, dass ich wesentlich bessere geschrieben habe. Aber letzten Endes sind Songs wie Kinder. Du hast nur bis zu einem gewissen Grad die Kontrolle über sie und ihre Entwicklung. Ich hatte mit „Freiheit“ lange sehr viel Glück, dann haben sich die Impfgegner das Lied geschnappt. Jetzt habe ich es ihnen wieder weggenommen. 

Sie vergleichen Songs mit Kindern. Ihre Tochter MiMi aus der Beziehung mit der englischen Fotografin Polly Eltes ist heute Mitte 30. Wie nah stehen Sie sich? 

Ich war kein guter Vater. Als MiMi klein war, ging es bei mir immer ums Plattenmachen, Preisverleihungen, Touren. Ich habe mich damals nicht so gut um sie gekümmert, wie ich es gern getan hätte. Auch weil sie in London lebte. Aber je älter MiMi wird, desto toller und enger wird unser Verhältnis. 

Stellen Sie sich Marius schon als Opa vor? 

Bei meiner achtjährigen Nichte, der Tochter der Schwester meiner Frau, hole ich heute vieles nach, was ich als Vater nicht geschafft habe. Sie ist jetzt praktisch mein Kind (lächelt). Ich kümmere mich sehr um die Kleine und merke immer mehr, wie ähnlich sie mir in vielen Dingen ist. 

Wie haben Sie reagiert, als MiMi sich 2009 nackt auf dem Titel des Playboy zeigte? 

Wir haben lange darüber diskutiert. Die Entscheidung lag bei ihr. Ich habe MiMi nie etwas verboten, ich habe nur gesagt: „Denk darüber nach.“ Sie war damals Anfang 20, also in einem Alter, in dem man erst mal das Gegenteil von dem macht, was der Alte sagt. Ihr damaliger Freund war Fotograf und hat schöne Bilder von ihr gemacht. Aber nein, ich hielt das damals nicht für richtig. 

Warum? 

Ich war nie der Vater, der auf die Boyfriends eifersüchtig war, aber als Vater willst du dein Kind natürlich beschützen. Ich wusste, dass es nicht leicht wird für MiMi. Sie kam damals nach Deutschland und war von 0 auf 100 eine Prominente. 

…die 2011 auch ein Album bei einer großen Plattenfirma veröffentlichte. Haben Sie auch diesen Schritt kritisch gesehen? 

Ja, ich habe ihr immer gesagt: „MiMi, das ist wegen deines Namens. Die Plattenfirmen haben kein Interesse an dir als Person, die sind nur so lange nett, wie du für sie Geld einbringst.“ Sie glaubte mir nicht. Ich sagte: „Die werden dir wehtun.“ Und dann ist das alles so passiert, wie ich es befürchtet hatte. MiMi war ehrgeizig, sie wurde überallhin eingeladen, und weil ich mich von solchen Promi-Veranstaltungen fernhalte, ist sie halt hingegangen. Das war erst mal faszinierend für sie. Aber wenn du realisierst, dass die Welt da draußen nicht auf dich wartet, kann das für einen jungen Menschen sehr enttäuschend sein.  

 

Im Playboy: MiMi Müller-Westernhagen zierte die Mai-Ausgabe 2009
Credit: Playboy

Wie blicken Sie heute insgesamt auf die Jugend? 

Mit Staunen. 16-Jährige gründen heutzutage Unternehmen. Mit meiner Nichte führe ich richtige Gespräche. Als ich acht war, hatte ich den Mund zu halten. Gerade die Klimabewegung finde ich großartig. Das erste Mal seit Langem machen sich Jugendliche wieder Gedanken, was in der Zukunft passiert. Ich hoffe, die bleiben so wach und so engagiert.  

Wie waren Sie mit 16? 

Noch ein halbes Kind. Gleichzeitig war ich in meiner Jugend hochpolitisch. Ich konnte dir jeden Staatspräsidenten nennen. Später hatten wir 16 Jahre Kohl und 16 Jahre Merkel. Das muss dir ja vorkommen, als würdest du in einem Königreich leben. Speziell unter Kohl sind die Menschen zu Egoismus und zu politischer Ignoranz erzogen worden. Viele Leute sind nicht mehr intelligent genug für Demokratie. Sie sind zu sehr mit sich selbst beschäftigt und nur daran interessiert, wie es ihnen selber geht. Das bringt uns den Untergang. Der Mensch funktioniert nur in der Gesellschaft.  

Zwischen Kohl und Merkel gab es noch einen gewissen Kanzler aus Hannover, der mit Ihnen befreundet ist: Gerhard Schröder. 

Ich habe Gerd sehr respektiert, sehr geachtet. Ich halte ihn bis heute für einen guten Kanzler, der viele Dinge bewegt und in Gang gesetzt hat, von denen Merkel in ihrer Regierungszeit profitieren konnte. Seine Motive heute verstehe ich beim besten Willen nicht. Ich beobachte das mit Schrecken. 

Haben Sie ihn mal gefragt, warum er nicht klar von Putin und seinen Russlandgeschäften abrückt? 

Ich selbst nicht. Ich habe mit Leuten gesprochen, die ihm sehr nahestehen. Er blockt ab, er ist uneinsichtig. 

Marius Müller-Westernhagen im Playboy-Interview: „Man muss sich der eigenen Unwichtigkeit bewusst sein“

Wie möchten Sie selbst einmal in Erinnerung bleiben? 

Ich würde irgendwann gern in die Grube gehen und sagen können: „That was okay.“ Ich möchte positive Energie auf dieser Welt hinterlassen und damit etwas Gutes getan haben für die Evolution. Mehr ist es letztlich nicht.  

Das klingt demütig. 

Man muss sich der eigenen Unwichtigkeit bewusst sein. Heute nehmen sich alle Leute derart wichtig, obwohl es überhaupt keinen Grund dafür gibt. Das macht das Leben anstrengend.  

Nehmen Sie sich heute weniger wichtig als früher? 

Oh, natürlich (lacht). Das kommt auch mit dem Alter. Ich habe auch keinen Ehrgeiz mehr, was Erfolge angeht. Ich habe den unglaublichen Ehrgeiz, eine Platte zu machen, die wieder ein Schritt vorwärts ist. Ich bin dem Grad der Qualität, den ich anstrebe, wieder ein Stück nähergekommen.  

Marius Müller-Westernhagen im Interview: Der einstige Rock-Rebell etablierte sich - elegant und immer ein wenig provokant - als Held der deutschen Musikgeschichte.
Credit: Olaf Heine

Haben Sie jemals den Leuten geglaubt, die Ihnen sagten, wie toll Sie sind? 

Nein, natürlich nicht. Gerade am Anfang einer Karriere ist es nicht leicht, so weit bei dir zu bleiben, dass du kein Arschloch wirst. Je mehr Leute mitkriegen, dass sie Geld mit dir verdienen können, desto mehr wirst du bedrängt. Ich habe mich immer gut schützen können. Ich halte Künstler für Medien. Wenn du auf der Bühne stehst, bejubelt wirst und dir einbildest, „Das erzeuge alles ich“, dann wirst du wahnsinnig. Dagegen kannst du gar nicht anleben.  

Am Jesus-Vergleich ist noch jeder gescheitert bisher. 

(Lacht) Als mir das zu gefährlich wurde, habe ich es abgebrochen. Ich war nie so unglücklich in meinem Leben wie Ende der 90er. Ich konnte den Fernseher nicht anmachen, ohne dass mein Name fiel. Das Radio nicht anmachen, ohne dass ein Song von mir lief. Wo immer ich hinkam, wurde ich behandelt wie besagter Herr, der übers Wasser gehen kann. Ich konnte meinen eigenen Namen nicht mehr hören. Kein Mensch hält es aus, verehrt zu werden wie die Götter, ohne exzessiv zu werden, an seiner eigenen Eitelkeit zu zerbrechen oder zu sterben.  

Exzessiv zu werden – Drogen, Alkohol: Bestand da bei Ihnen mal die Gefahr? 

Nein. Ich habe das mit der Sauferei nie verstanden. Ich trinke sehr gerne ein Glas Rotwein, aber ich hasse es, die Kontrolle zu verlieren oder am Morgen nicht mehr zu wissen, was man am Abend gesagt oder getan hat. Deshalb waren auch Drogen für mich nie das ganz große Thema. Geschützt hat mich auch, dass mein Vater Alkoholiker war.  

Sie waren 14, als er starb. 

Ich habe in jungen Jahren viel Leid mitbekommen und gedacht: „Das ist sicher nicht der richtige Weg.“ 

Geben Sie gut auf sich acht? 

Ich achte auf Ernährung und regelmäßiges Training, ich mache das gerne, ich muss zum Sport nicht getrieben werden. Diese Disziplin wurde mir mitgegeben.  

Können Sie Ihren Song „Dicke“ heute eigentlich noch ungestraft singen? 

Ich kann singen, was ich will (lacht). Ich kenne ja die Motive, aus denen ich dieses Lied vor vielen Jahren schrieb. Ich hatte mich geärgert über die Verlogenheit der Menschen, ich habe in „Dicke“ nur aufgegriffen, was Leute öffentlich sagen. Wenn du den Menschen den Spiegel vorhältst, dann empören sich genau die, die selber intolerant sind.  

Sind wir heute alle zu empfindlich geworden? 

Es geht gerade viel von dem kaputt, wofür wir gekämpft haben. Viele Freiheiten werden zurückgenommen. Wir befinden uns auf dem Weg zurück in den Puritanismus. Ich finde das furchtbar. Wenn wir heute so frei wären in Sachen Sexualität wie in den 60ern und 70ern, die Leute würden alle auf den Rücken fallen und schreien: „Herrje, um Gottes willen!“ 

Marius Müller-Westernhagen im Playboy-Interview: „Frauen zu lieben ist einfach das Schönste für mich“

In „Achterbahngedanken“ singen Sie, Sie wollten „mit allen schönen Frauen schlafen“. Wie viele fehlen noch? 

(Lacht) Das will jeder Mann. Ich wollte das früher. Jetzt nicht mehr. Ist mir zu anstrengend.  

Haben Sie die Frauen gern umschmeichelt? 

Ich bin ein Charmeur. Ich habe Frauen immer sehr respektiert und geliebt. Frauen zu lieben ist einfach das Schönste für mich. Ich bin auch vollkommen fasziniert: Frauen fassen sich an, die heulen miteinander, die erzählen sich ihre Geheimnisse. Bei unserem Machismo ist ja alles immer sofort ein Schwanzvergleich. Wir sind sehr im Nachteil mit unserer Männlichkeit, unserer Verklemmtheit. Frauen sind deutlich kommunikativer und auch empathischer. 

Pflegen Sie Ihre weibliche Seite? 

Ich habe sie nie verborgen (lacht). Ein klassischer Macho bin ich definitiv nicht.  

Ob sich die eine oder andere Frau wohl an „Willenlos“ oder an „Sexy“ stoßen könnte? 

Falsche Interpretation! Ich zeige in beiden Songs die Macht der Frau auf. In „Sexy“ ist der Mann der Verlierer. Wir Männer sind doch so simpel. Komischerweise haben die Frauen nie rausgefunden, was für eine unfassbare Macht sie über uns haben. Der Schauspieler Robin Williams hat einmal gesagt: „Wir haben nur genug Blut, um entweder unser Gehirn oder unseren Penis am Laufen zu halten.“ Ja, da hat er recht gehabt. Eine hoch attraktive Frau, die macht mit mir, was sie will. 

Das kann heikel werden.

Oh ja, das kann es. Wenn du in einer Ehe bist und das nicht willst, wenn du also ein Treuebekenntnis abgegeben hast, dann musst du gucken, dass du nie in diese Situationen kommst, ganz einfach. 

Was ist die größte Gefahr für eine Ehe?

Wenn das Vertrauen zerbrochen ist. Da bin ich ganz altmodisch.  

Ihr Album endet mit dem zuversichtlichen Titel „Wenn wir über den Berg sind“. Was macht Sie so optimistisch, dass wir als Gesellschaft nicht scheitern, sondern den Gipfel meistern werden? 

Ich bin immer voller Hoffnung. Auch wenn es im Moment schwer vorstellbar ist, dass es eines Tages heller wird. Die Geschichte zeigt gerade wieder, dass die Menschen nicht aus Fehlern lernen. Trotzdem dürfen wir uns nicht geschlagen geben. Wir müssen uns weiter bemühen. 

Zeitreisender

Mit Ende 20 schien Marius Müller-Westernhagen, heute 73, am Höhepunkt seiner Karriere angekommen zu sein: Sein viertes Album „Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz“ machte ihn 1978 als Musiker berühmt, der Film „Theo gegen den Rest der Welt“ 1980 als Schauspieler. Doch es war erst der Anfang einer langen Reise. Der einstige Rock-Rebell etablierte sich – elegant und immer ein wenig provokant – als Held der deutschen Musikgeschichte. Millionen wuchsen mit seinen Songs wie „Freiheit“, „Sexy“, „Weil ich dich liebe“ oder „Wieder hier“ auf. Nun geht die Reise weiter – mit seinem 23. Studio-Album „Das eine Leben“.