Ein elektrischer Porsche? Wirklich jetzt? Ein richtiger Porsche, so zumindest bisher meine Meinung, muss ordentlich blubbern, schnurren und brummen, man muss die Vibrationen des Motors und das Geräusch der wummernden Zylinder durch den ganzen Körper hindurch spüren.
Und dazu den Geruch des Benzins atmen. Das alles kann mir ein Elektromotor nicht bieten. Dachte ich zumindest. Doch ich wurde eines Besseren belehrt. Bei meiner Ausfahrt mit dem neuen Porsche Taycan rund um den Gardasee musste ich meine Meinung revidieren. Ein Elektroauto kann auch große Emotionen erzeugen. Wenn auch einen Tick leiser als ein Boxermotor.
Das klingt jetzt überraschend, aber mit dem Taycan kehren die Zuffenhausener im Grunde zu ihren Wurzeln zurück. Denn was viele nicht wissen: Der allererste Porsche der Welt war ebenfalls elektrisch. Bereits im Jahr 1899, also rund 50 Jahre vor dem Erscheinen des ersten 356-Serien-Porsche, konstruierte der damals erst 25 Jahre alte Ferdinand Porsche ein rein elektrisches Fahrzeug für den Wiener Kutschenfabrikanten Ludwig Lohner, heute bekannt als der „Lohner-Porsche“.
Eine 410 Kilo schwere Bleibatterie konnte den Wagen auf immerhin 50 km/h beschleunigen, bei einer Reichweite von 50 Kilometern. Doch das schwerfällige Auto setzte sich nie gegen die dynamischere Verbrenner-Konkurrenz durch.
So wurde das 20. Jahrhundert zum Benzin-Zeitalter. Seitdem hat sich viel getan. Automobilkonzerne, die ihren Fokus nach wie vor auf fossile Brennstoffe legen, müssen aufpassen, nicht bald selbst zu den Fossilien der Branche zu gehören. Die hiesige Autoindustrie, früher die Vorzeige-Industrie von Deutschland, gerät zunehmend unter Druck, während Firmen wie Tesla ihren technologischen Fort- schritt konsequent ausbauen.
Insofern wundert es nicht, wenn Porsches Vorstände den Taycan als das wichtigste Modell seit der Einführung des 911ers bezeichnen. Allein in den Umbau des Werks in Zuffenhausen investierte Porsche über 700 Millionen Euro. Insgesamt sollen Porsches Investitionen in die Elektromobilität bis zum Jahr 2025 bei mehr als sechs Milliarden Euro liegen.
Jeder zweite Wagen, der dann vom Band läuft, soll in der einen oder anderen Form elektrifiziert sein. Einen Macan zum Beispiel wird es in der nächsten Generation nur noch elektrisch geben. Doch zurück zum Taycan und an den Gardasee.
Tatsächlich fällt schon vor dem Einsteigen sofort auf, wie sehr die Designer darauf Wert gelegt haben, die Porsche-DNA auf den Neuling zu übertragen. Der Taycan besitzt alle Merkmale eines echten Porsche – von der abfallenden Dachlinie über die schlanke Kabine bis hin zu den markanten Kotflügeln, die, wie vom 911er gelernt, höher liegen als die Motorhaube.
Doch was sich von außen betrachtet so traditionell gibt, wirkt im Innenraum umso futuristischer: Displays und Touchscreens anstelle von Schaltern und Knöpfen. Und – Porsche-Puristen müssen jetzt stark sein – es gibt keinen Drehzahlmesser mehr. Ein Relikt, das in Zeiten von Elektromotoren überflüssig geworden ist. Der Startknopf ist zwar als Reminiszenz an das Zündschloss immer noch Porsche-typisch links vom Lenkrad.
Aber er ist im Grunde unnötig, denn das Auto lässt sich auch ohne diesen Knopf über den Schaltknauf rechts vom Lenkrad in Betrieb setzen. Einfach auf „D“ für Drive stellen, Fuß von der Bremse nehmen, und schon rollt man still und leise los.
Hier allerdings kommt die Überraschung: Schon nach wenigen Minuten stellt sich trotz der nicht vorhandenen Geräuschkulisse das typische Porsche-Gefühl ein. Das liegt vermutlich zum einen an der Sitzposition, die genau der eines 911ers nachempfunden wurde, zum anderen am Fahrgefühl selbst.
Das Ansprechverhalten des Motors und der Lenkung wirkt in den engen Serpentinen rund um den Gardasee stets direkt und präzise und dank Hinterachslenkung auch nicht so behäbig, wie man es von einem Auto dieser Größe erwarten würde. Nur beim Bremsen spürt man ab und zu die 2,3 Tonnen. Ein 911er mit rund 700 Kilo weniger auf den Rippen agiert hier etwas graziler und wendiger.
Apropos Bremsen: Auch wenn man es als Fahrer nicht merkt, aber beim Treten des Bremspedals schaltet man meistens nur in den Rekuperationsmodus (ein Vorgang, bei dem der Motor selbst durch das Rückgewinnen von Energie die Fahrt verlangsamt). Die physische Bremse wird in 90 Prozent aller Bremsvorgänge gar nicht benutzt.
Mehr Spaß als das linke Pedal macht aber natürlich wie bei jedem Porsche das rechte. Denn die beiden Elektromotoren vorne und hinten auf der Achse erreichen im Dauerbetrieb eine Systemleistung von 625 PS. Aktiviert man beim Top-Model Taycan Turbo S dann noch die sogenannte Launch Control, stehen dem Fahrer sogar 761 PS bei einem Drehmoment von satten 1050 Newtonmetern zur Verfügung. Um diese zu testen, brauche ich beide Beine. Aus dem Stand drücke ich erst mit dem linken Fuß die Bremse voll durch, dann presse ich mit dem rechten Fuß das Gaspedal (das eigentlich Strompedal heißen sollte) bis zum Anschlag. Ein Signal im Display signalisiert: Die Launch Control ist aktiviert. Ich löse meinen linken Fuß von der Bremse – und was jetzt passiert, ist der Wahnsinn: Mit einem gigantischen Ruck schnalzt der Taycan nach vorne, mein Magen wird gefühlt bis auf die hintere Sitzreihe gedrückt.
In sagenhaften 2,8 Sekunden erreicht der Wagen die 100 km/h. Das sind Werte eines Porsche 911 GT2 RS, der derzeitigen Speerspitze im Portfolio des Sportwagenherstellers. Ich bleibe auf dem Pedal stehen, und nach 9,8 Sekunden kratze ich bereits an den 200 km/h. Schluss wäre jetzt rein theoretisch bei 260 km/h, aber mit Rücksicht auf mein Verkehrsumfeld und meinen Führerschein bremse ich das Auto wie- der auf eine humane Geschwindigkeit ab.
Bleibt noch die bei Elektrofahrzeugen übliche Frage nach der Reichweite: Porsche gibt eine (WLTP genormte) Reichweite von 450 Kilometern für den Turbo und 412 für den Turbo S an. Doch schon beim Einschalten und einem Ladestand von 99 Prozent rechnet der Bordcomputer mit 360 Kilometern. Und nach 150 Kilometern (allerdings inklusive fünf Launch-Control-Tests) liegen wir bei 50 Prozent.
An einer Ionity-Ladesäule (ein Joint Venture großer Hersteller wie Mercedes, BMW und Volkswagen, die Konkurrenz zu Teslas Supercharger-Netzwerk) könnten wir jetzt die Reichweite in nur fünf Minuten wieder um 100 Kilometer erhöhen.
Sogar ein voller Ladezyklus (von 5 auf 80 Prozent) ist angeblich in 22,5 Minuten möglich. Nur gibt es leider in unserer Nähe keine solche Station, in Europa stehen insgesamt nur rund 160 Stück, bis 2020 sollen es 400 werden. Wird das reichen, um den Elektro-Platzhirsch Tesla in die Schranken zu weisen?
30.000 potenzielle Porsche-Kunden haben diese Frage mit Ja beantwortet – und bereits eine Vorbestellung auf den neuen Taycan geleistet, der Anfang nächsten Jahres in Deutschland ausgeliefert werden soll.
Wer jetzt Angst hat, dass die Worte Elektro und Porsche künftig zur untrennbaren sprachlichen Einheit verschmelzen, sei beruhigt. Porsche-Vorstand Oliver Blume hat bereits beteuert: „Benziner werden nach wie vor einen festen Platz in unserem Portfolio haben.“ Und wem die Stille beim Fahren unheimlich ist, der kann im „Sport Plus“-Modus eine Art Soundgenerator aktivieren, der dem Elektromotor eine sonore Bassstimme verleiht. Mir persönlich hat es aber ohne besser gefallen.
Unser Autor testete den Wagen auf Einladung des Herstellers.
Geschwindigkeit
260 km/h
Leistung
761 PS
Drehmoment
1050 NM
0–100 km/h
2,8 Sekunden
Reichweite (WLTP)
412 km
Gewicht
2305 kg
Preis
185.456 Euro
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