Laut Duden ist „Tribut“ eine Geld- oder Sachleistung, die zum Beispiel ein besiegtes Volk dem Sieger zu erbringen hat. Das Wort stammt vom lateinischen „tributum“ (Abgabe, Steuer) ab. Zum Glück sieht die moderne Alltagssprache den Begriff nicht mehr so negativ: Heute kann man „Tribut“ auch als Anerkennung einer Person, einer Tätigkeit oder eines Produkts zollen. So wie Ferrari es mit seinem jüngsten zweisitzigen Sport-Coupé macht, dem „Effe Otto Tributo“, wie die Italiener sagen. Das klingt gewaltig, genauso wie der Motor. Aber dazu später.
Bereits das Vorgängermodell, der 488 GTB, bot seinem Besitzer 670 PS und 760 Newtonmeter maximales Drehmoment. Der Tributo ist natürlich stärker. Die Power in der jüngsten Evolutionsstufe ist um 50 Pferdestärken auf 720 PS gestiegen, das maximale Drehmoment liegt nun bei 770 Nm. Und da wir schon bei nackten Zahlen sind: Der neue ist um 4,3 Zentimeter länger, 40 Kilo leichter, beim Sprint mit 2,9 Sekunden um eine Zehntelsekunde und im Spitzentempo 340 km/h um zehn Kilometer pro Stunde schneller.
Im normalen Straßenverkehr lässt sich so ein F8 Tributo trotz seiner Kraft so leicht dirigieren wie ein Fiat 500. Klar, Fahrbahnschwellen müssen im Ferrari ernster genommen werden als im hochbeinigen Kleinwagen, und auch die schmalen Nebenstraßen in der Terra di Motori nimmt man bei einer Breite von fast zwei Metern ohne Seitenspiegel lieber langsam. Der starke Verkehr rund um Modena lässt aber sowieso keine Eskapaden zu, von ein paar wenigen Überholmanövern mal abgesehen. Hier fällt vor allem auf, wie die Kraft des V8-Biturbo via Gaspedalbefehl sofort und ohne Turboloch zur Verfügung steht. Schade, dass wir diese Kraft auf der stark tempolimitierten italienischen Autobahn später nicht ausfahren können. Aber im Grunde brauchen wir sie auch gar nicht, denn hier macht sowieso jeder Vorausfahrende ehrfürchtig Platz, sobald er den blauen Ferrari im Rückspiegel erkennt.
Dafür verlangen die Italiener aus Maranello allerdings auch einen entsprechenden Tribut, nämlich exakt 228.661 Euro, also 24.450 Euro mehr als für den Vorgänger. Ansonsten hat sich nicht viel geändert: 3,9 Liter Hubraum, 2,65 Meter Radstand, 7-Gang-Doppelkupplung. Ferraris Cheftestfahrer Raffaele de Simone umrundet die hauseigene Pista di Fiorano mit dem F8 Tributo nach eigenen Angaben in 1,225 Minuten – im 488 GTB benötigte er noch 1,23 Minuten. Sie sind sich also technisch schon sehr ähnlich, Vorgänger und Nachfolger. Nur am neuen Sound wollen die Ingenieure laut de Simone zwei Jahre getüftelt haben, auf dass der F8 Tributo noch lauter, einprägsamer und sonorer klinge. Das Ergebnis: Der Sound ist geil.
Auch die Änderungen am Design fallen sofort auf. Vorrangig hinten. Denn dort darf der Ferrari wieder zwei runde Heckleuchten an jeder Seite tragen. Überhaupt ist das Heck sehr markant: Der Motor mit seinen zwei roten Zylinderköpfen ist durch eine Plexiglasscheibe mit drei breiten Schlitzen zu bewundern, deren Machart an die Abdeckung des Ferrari F 40 erinnern soll. Seitlich erkennt man die Verwandtschaft ebenfalls, nur vorn sind Chefdesigner Flavio Manzoni und sein Team abgerückt von der Spoilerform à la Formel 1, außerdem führen die Leuchteinheiten nicht mehr über fast die gesamten Kotflügel Richtung Windschutzscheibe. Vorn mittig trägt der F8 Tributo dafür jetzt das sogenannte S-Duct – ein Loch in der Front, durch das Fahrtluft von unten nach oben dringen kann und für 15 Prozent mehr Abtrieb sorgt.
Innen haben Flavio Manzoni und sein Team ebenfalls alles überarbeitet, ohne das typische Ferrari-Layout völlig zu ändern. Türverkleidung und Mitteltunnel sind komplett neu, nur die Armaturen mit dem analogen großen Drehzahlmesser in der Mitte sehen bekannt aus. Das Lenkrad ist kleiner als vorher, der Lenkradkranz filigraner, die inkludierten Blinkerschalter sind aber immer noch diskussionswürdig. Zumindest in Kreisverkehren.
Also suchen wir mehr Erleuchtung auf der berühmten Ferrari-Teststrecke Fiorano. Nach dem Warmfahren probieren wir den Blauen erst einmal im „Race“-Modus aus: hauptsächlich mit gezügeltem elektronischem Stabilitätsprogramm (ESP). Danach im „CT-Off“-Modus (ohne Traktionskontrolle und mit kräftig eingeschränktem ESP). De Simone verweist uns auf die Weiterentwicklung der beiden Fahrdynamik-Systeme „Side Slip Angle Control“ und „Ferrari Dynamic Enhancer“. Hinter den Begriffen verbirgt sich eine spezielle Ferrari-Software, die durch gezieltes Ansteuern der Bremsen jeden Fahranfänger in einen wahren DriftGott verwandelt. Sie wird automatisch beim Fahren in und aus den Kurven (nicht jedoch beim Bremsen) aktiviert, sobald der kleine rote Kippschalter am Lenkrad auf den Modus „Race“ gestellt wird.
Bleibt die Frage, ob der normale Sportwagenfahrer diese feinen elektronischen Verbesserungen überhaupt erkennen kann? „Er wird merken, dass er im Vergleich zum 488 GTB im moderneren Auto sitzt“, sagt de Simone, „aber er wird nicht wissen, was anders ist.“ Genauso geht es auch uns. Zumindest fällt es schwer, die Verbesserungen im F8 Tributo im Vergleich zum Vorgänger nachzuvollziehen. Dazu müssten wir vermutlich ein paar Tage mehr auf der Rennstrecke verbringen. Höchstens das stark grinsende Antlitz des Piloten beim Kick-down ist vermutlich einen Tick intensiver als beim 488 GTB – wobei man nie genau sagen kann, ob das muskel- oder fliehkraftbedingt passiert.
Der Neue aus Maranello birgt insofern fahrdynamisch keine Überraschungen: Er ist jederzeit zu beherrschen, ohne eine Spur langweilig zu werden. Drift-Fans finden im F8 Tributo dank Elektronik und ultraschnell arbeitender 7-Gang-Doppelkupplung einen Spielgefährten, der noch mehr als der 488 GTB kontrolliertes Quertreiben zulässt. Wobei selbst Ferrari es noch nicht geschafft hat, die Physik völlig zu überlisten. Übrigens: Pünktlich zur Cabrio-Saison startet dieses Jahr bereits die offene Version des Tributo namens F8 Spider. Dieser erreicht trotz etwas mehr Gewicht die gleichen Leistungsdaten wie das Coupé. Sozusagen ein Tribut von Ferrari an alle Cabrio-Fans.
Unser Autor testete den Wagen auf Einladung des Herstellers.
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