Am Strand von Miami, rund um den berühmten Ocean Drive und die Collins Avenue,wurden schon viele spektakuläre Fahrzeuge in Szene gesetzt. Hier flanierte bereits Don Johnson im weißen Anzug und im weißen Ferrari Testarossa („Miami Vice“), Will Smith jagte die bösen Buben im schwarzen Porsche 911 Turbo („Bad Boys“), und Al Pacino zeigte sein Narbengesicht im gelben Cadillac Eldorado („Scarface“).
Unser Auto, der neue Mini Cooper SE, hat etwas von allen drei Autos – zumindest was die Lackierung angeht: weiße Karosserie, schwarzes Dach und gelbe Farbtupfer auf den Außenspiegeln, dem Grill und an den Felgen. Trotzdem erregen wir an Miamis Flaniermeilen in South Beach damit nur herzlich wenig Aufmerksamkeit. Das mag zum einen an der harten Konkurrenz liegen, Ferrari, Lamborghini & Co. parken hier Stoßstange an Stoßstange, zum anderen unterscheidet sich der Wagen auf den ersten Blick nur wenig von anderen Minis. Das Spektakuläre befindet sich unter seiner Motorhaube. Denn der Mini Cooper SE – das E im Namen steht für „Electric“ – ist das erste vollelektrische Serienfahrzeug der Marke.
Der Zeitpunkt des Marktstarts hätte vom Mutterkonzern BMW nicht günstiger gewählt werden können. Schon jetzt gilt das Jahr 2020 als das große Wendejahr zur Elektromobilität, die Nachfrage nach umweltschonend angetriebenen Autos steigt, und zahlreiche Hersteller bringen in den nächsten Monaten immer neue Stromer auf den Markt. Seit Februar gilt außerdem: Wer ein Elektroauto wie den Mini Cooper SE mit einem Basispreis von 32.500 Euro kauft, bekommt vom Staat ein Fördergeld von maximal 6000 Euro zurückerstattet. Ein Wert, der sich zusätzlich noch verbessern könnte, falls die Politik im Zuge der Corona-Krise auf weitere Elektro-Zuschüsse für die geschwächte Automobilbranche eingeht. Doch schon bei der im Moment gewährten Prämie liegt der Elektro-Mini preislich auf demselben Level wie sein benzinbetriebener Bruder, der Mini Cooper S (26.300 Euro).
Auch von der Leistung liegt er mit nur acht Pferdestärken knapp unter dem zweitstärksten Benziner in der Produktpalette der Briten. Mit dem großen Vorteil, dass die 184 PS des Elektromotors ihr maximales Drehmoment von 270 Newtonmetern schon vom Stand weg entfalten können. Insbesondere beim klassischen amerikanischen Ampelduell ernten wir daher viele respektvolle Blicke – mit einer Beschleunigung auf 60 km/h in 3,9 Sekunden kann der Elektro-Mini mit vielen US-Muscle-Cars Schritt halten. Ein afroamerikanischer Fahrer mit Rastalocken verfolgt uns in seinem 70er-Jahre-Plymouth Barracuda sogar bis zur nächsten Ampel, nur um uns dort mit einem großen Grinsen und zwei gehobenen Daumen seine Wertschätzung zu zeigen. Danach biegt er glücklicherweise mit seinem laut blubbernden V8 rechts ab, eine echte Chance hätten wir gegen ihn bei einem Duell auf 100 km/h – hierfür benötigt der Elektro-Mini 7,3 Sekunden – ohnehin nicht gehabt. Und Bremsen macht beim Mini auch Spaß. Denn wie bei Elektroautos üblich, gewinnt die Batterie beim Verlangsamen des Fahrzeugs Energie zurück. Diese Rekuperation lässt sich mit einem Mini-typischen Kipphebel in der Mittelkonsole in zwei Stufen einstellen. Auf der schwachen Stufe unterscheidet sich das Fahrgefühl kaum von einem herkömmlichen Benziner, auf der starken Stufe jedoch lässt sich der Stromer allein durch das Vor- und Zurückbewegen des Gaspedals steuern. „One-Pedal-Driving“ nennt sich das, und im Zusammenspiel mit dem Surren des Elektromotors fühlt es sich an, als würde man hinter dem Steuer eines Raumschiff-Shuttles sitzen.
Da die Batterien im Mitteltunnel sowie unter den Sitzen verbaut wurden, gibt es übrigens auch keine Abstriche in Sachen Platz- und Ladekapazitäten. Die Karosserie liegt dadurch zwar 1,8 Zentimeter höher, gleichzeitig aber der Schwerpunkt des Autos um drei Zentimeter tiefer. Ein guter Tausch: Im dichten Straßenverkehr Miamis verstärken der abgesenkte Schwerpunkt und die ebenfalls verbesserte Gewichtsverteilung von 54 : 46 noch mal deutlich das vielzitierte Gokart-Feeling im Mini. Zack nach rechts, zack nach links: Spurwechsel haben sich nie schöner angefühlt.
Einziger Wermutstropfen: Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 150 km/h. Ja, richtig gehört, mehr als das ist leider nicht drin. Vermutlich um die ohnehin schon stark beschränkte Reichweite nicht noch weiter zu strapazieren, die laut Hersteller gerade einmal bei 235 bis 270 Kilometern liegt. Wer jedoch wie wir sportlich aggressiv und mit der Klimaanlage auf Anschlag durch Miami brettert, sollte sich auf eine Reichweite deutlich unter 200 Kilometern einrichten. Dafür konnte der Ladezyklus im Vergleich zu anderen Stromern reduziert werden: Um die Batterie wieder auf 80 Prozent aufzuladen, benötigt eine Ladesäule mit 11 kW circa 2,5 Stunden, am 50-kW-Schnelllader geht das in nur 35 Minuten. Für ein reines Stadtmobil dürfte das allemal ausreichen. Und als Langstreckenauto war der Mini im Grunde sowieso nie gedacht.
Somit bleibt der Cooper SE seiner Historie treu: Als die Suezkrise im Jahr 1956 zu einer deutlichen Verknappung der zur Verfügung stehenden Ölressourcen führte, entwickelte man bei der British Motor Corporation ein möglichst kleines und sparsames Auto speziell für die Stadt. Das Ergebnis: der Ur-Mini aus dem Jahr 1959. Gut 60 Jahre später zeigt die Marke nun mit dem Elektro-Mini wieder, wie ein zeitgemäßes Auto fürs urbane Umfeld auszusehen hat. Auch von unserer Seite gibt es daher nur eine Geste: zwei dicke Daumen nach oben.
Unser Autor testete den Wagen auf Einladung des Herstellers.
Geschwindigkeit
150 km/h
Leistung
184 PS
Drehmoment
270 NM
0–100 km/h
7,3 Sekunden
Reichweite
235-270 km
Gewicht (DIN)
1365 kg
Preis
32.500 Euro
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