Sie fallen auf an diesem nebligen Frühjahrsmorgen in der Boxengasse des Nürburgrings, die fast ausschließlich männliche Konkurrenz reckt die Hälse, Kameras klicken: Frauen bei gefühlter Schwerstarbeit. So ein Golf GTI TCR schiebt sich schließlich nicht von allein aus dem Stall. Das Team trägt dunkle Rennanzüge und sieht irgendwie besser aus als andere Teams, was nicht an der gelb-schwarzen Lackierung des Golf liegt. Frauen sehen bei fast allen Tätigkeiten besser aus als Männer.
Insofern hat „Girls Only“ schon vor dem Start des ersten Rennens der VLN Langstreckenmeisterschaft gewonnen. Nicht weil es nie Damen-Teams in dieser Breitensport-Rennserie gegeben hätte. Aber dazu eine rein weibliche Boxen-Crew? Ein Novum! Es ist ein rundum männerfreies Unterfangen und schon dadurch eine besondere sportliche Kampfansage, auch wenn für die Frauen an diesem Morgen im dunstigen Eifel-Wetter bloß ein erster Testlauf beginnt.
Es geht ihnen um mehr als die VLN: Das „Girls Only“-Team will dieses Jahr (22. und 23. Juni) das härteste und längste Rennen in Deutschland bestehen, die 24 Stunden am Nürburgring. Und die 20-köpfige Frauschaft wird es auf neue Weise tun. Mit Ausnahme der jungen Fahrerinnen (Carrie Schreiner, Jasmin Preisig, Ronja Assmann und Petra Baecker) sind viele Motorsportlaien an Bord. Wenn schon weiblich und neu, dann konsequent. Zeigt’s den alten Hasen, Mädels!
Die Idee war vor einiger Zeit Nicole Willems gekommen, damals Pressesprecherin, heute Chefin des Damen-Teams beim Rennstall WS Racing, den ihr Ehemann Thorsten als Geschäftsführer leitet. „Die Welt des Motorsports wird extrem von Männern dominiert“, stellte sie fest. Und wollte das ändern. Zusammen mit ihrem Mann sowie in Kooperation mit dem Reifenhersteller Giti Tire und Volkswagen entwickelte sie das „Girls Only“-Konzept. Und startete Ende 2018 einen Aufruf bei Facebook.
Über 50 motorsportaffine Bewerberinnen meldeten sich. Aus ihnen castete Nicole Willems das Team. Alter wie Expertise: zweitrangig. Zwar war die technische Leiterin Corinna Schäfer früher leitende Fahrzeugingenieurin in der Formel 4, und die Chefmechanikerin Chiara Messina ist gelernte Kfz-Mechatronikerin. Andere Teammitglieder wie Tatjana Stäbler oder Tamara Streib studieren noch in Ingenieursfächern. Anne Beyer macht ein Praktikum im Porsche-Entwicklungszentrum in Weissach. Mandy Knorr, die in einem Dentallabor arbeitet, oder Lisa Mohr, die Tourismus-Management studiert, bringen hingegen gar keine echte Motorsporterfahrung mit. Was für Nicole Willems beim Casting zählte, waren eher Leidenschaft und Begeisterungsfähigkeit.
Und der Wille, hart zu trainieren „Wir haben in einer Halle unseres Rennstalls geübt, teilweise sogar an meinem privaten Pkw“, sagt sie. Handgriffe, Abläufe, aufbocken, Reifen runter, Reifen rauf. Und dann alles noch mal unter Zeitdruck und in Dauerschleife. Ein 24-Stunden-Rennen wird kein Kindergeburtstag. Als es nach einem nebelverzögerten Start an Testtag eins doch endlich zum ersten Boxenstopp der VLN kommt, ist die einstudierte Choreografie des Boxengassen-Balletts zu bewundern.
Aufbocken, tanken, Reifen wechseln, Check. „Seid ihr alle fertig?“ Alle heben die Hand, und die Fahrerin tritt nach knapp zwei Minuten wieder aufs Pedal. Sehr respektabel. Ebenso wie am Ende des Rennens der 81. Rang. Einen guten Platz im Mittelfeld hat „Girls Only“ damit geholt – deutlich besser als viele Männer-Teams, die schon seit Jahren in der VLN antreten.Bei den 24 Stunden Nürburgring werden neben widrigem Wetter obendrein Schlafentzug und Dunkelheit als Gegner dazukommen. Aber die Fahrerin Carrie Schreiner ist nach dem ersten Testlauf optimistisch: „Mein Ziel ist es zu gewinnen.“
Anmerkung der Redaktion: Diese Geschichte entstand am 23. März. Bei der tatsächlichen Teilnahme am 24-Stunden-Rennen musste das GIRLS ONLY Team aufgrund eines gravierenden Motorschaden längere Zeit vom Renngeschehen aussetzen. Ein von der Strecke aufgesammelter Fremdkörper sorgte erst für einen Kühler-, und in Folge dessen zu einem Motorschaden. Durch die darauf folgenden Reparaturen (ein komplett neuer Motor musste verbaut werden) verlor das Team über 12 Stunden. Die Frauen ließen sich jedoch nicht unterkriegen und beendeten das Rennen trotzdem mit insgesamt 98 Runden bei einer Bestzeit von 9:22,981 Minuten.
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