Am kommenden Sonntag jährt sich der Tod von Playboy-Gründer Hugh Hefner zum dritten Mal. Ein guter Anlass für eine Standortbestimmung in aufgeregten Zeiten, die von Debatten um Diversität, Gendergerechtigkeit und alte wie neue Männlichkeit geprägt sind: Welches Erbe tragen wir mit Playboy eigentlich in die Zukunft? Und wie wird es wahrgenommen?

Kluge Antworten darauf gibt uns eine Expertin: Carrie Pitzulo, Geschichtsprofessorin an der Colorado State University und Autorin des Buches „Bachelors and Bunnies: The Sexual Politics of Playboy”. In ihrer Betrachtung von Hugh Hefner, die sie wenige Tage nach seinem Tod im September 2017 in der US-Zeitung „Politico“ veröffentlichte, entwarf sie eine Außen- wie Innenansicht des Playboy, der wir uns gern verpflichtet sehen. Und sie erinnerte daran, dass selbst Ikonen der Frauenrechtsbewegung wie die am 18. September dieses Jahres verstorbene US-Verfassungsrichterin Ruth Bader Ginsburg dem Playboy und Hefner einst herzlich dankten. 

„Es ist keine Übertreibung zu sagen“, schrieb Carrie Pitzulo in ihrem Beitrag, „dass Hugh Hefner, der frauenverführende Hedonist und Playboy-Gründer, die zeitgenössische sexuelle Kultur der USA entscheidend mitgeprägt“ habe. Die Historikerin würdigte ihn als „Ikone individueller Freiheit, Prominenz und Konsumkultur“, zugleich aber auch als „eine Ikone, deren Seidenpyjamas und pfeiferauchende Gewandtheit zum Klischee einer (mehrheitlich weißen) männlichen Sexualität erstarrten“. In den weltbekannten Playmate-Centerfolds habe sein Magazin einen retuschierten und unerreichbaren Standard weiblicher Attraktion und Verfügbarkeit gesetzt, so Carrie Pitzulo. „Das machte Playboy über die Jahre zum unwiderstehlichen Ziel für Legionen von Kritikern, die ihn als sexistisches, objektifizierendes Schundblatt abtaten, verantwortet von einem gruseligen alten Mann, dessen Heer aus ,Bunnies‘ zu Bett-Partnern von ewiger Jugend wurden, was man vom ihm selbst nicht sagen konnte.“

Was all diese Kritiker aus Sicht der Geschichtsprofessorin jedoch allzu gern und oft vergessen, war die kulturelle Bedeutung des Playboy. Er sei mehr als ein Magazin gewesen – nämlich ein Imperium. „Hochschulkurse widmeten sich seinem Geschäftsmodell. Priester hielten Predigten (nicht immer kritische) über Hefners Weltsicht, die der Playboy-Gründer in einer jahrelangen Editorial-Serie namens ,Die Playboy-Philosophie‘ verdeutlichte. Diese befasste sich mit dem, was Hefner als religiöse Unterdrückung in den USA betrachtete, sowie mit Zensur, mit Sexualität und allen Spielarten individueller Freiheit“, schrieb Carrie Pitzulo. „Hefners politische Ansichten und die des Magazins stellten den Status Quo in den USA in vielerlei Hinsicht in Frage – auch abseits der Sexualität.“ Sie waren, wie man damals bereits begriff und heute weiß, ein fortschrittlich-fundamentaler Angriff auf die herrschende Moral und die Geschlechterrollen einer zutiefst in ihren konservativ-religiösen Formeln erstarrten Gesellschaft. Aus heutiger Sicht dürfen Hefners revolutionäre Ideen zwar als weitgehend siegreich betrachtet werden, doch bleiben sie zugleich auch verkannt – aufgrund einer weiterhin gängigen Missinterpretation des Männer- und Frauenbildes, das Hefner und sein Playboy erschufen und propagierten.
 

"Der sorglose Single – ein Sehnsuchts-Selbstbild von Hefner, als er Playboy ersann – war sich seiner selbst in Bezug auf seinen Look, seine Art zu wohnen und sogar seine Kochkünste voll bewusst. Er war der Vorläufer des moderneren ,Metrosexuellen‘."

Das Magazin, im Dezember 1953 gegründet, habe für Weiblichkeit und Männlichkeit neue Maßstäbe gesetzt, schrieb Carrie Pitzulo: „Der Gefährte der Playmate war ein urbaner, kulturell bewanderter Junggeselle“ – eine Zumutung für den unerschütterlich Familie, Haus und Vaterland verteidigenden Nachkriegsamerikaner der 50er-Jahre: „Der Playboy-Junggeselle war ein glücklicher, ausschweifender Single und Lebemann. Man vergisst leicht, wie bedeutungsschwer so ein Lebensentwurf zu jener Zeit war. Solche Typen von Männern wurden in den 1950er-Jahren als neurotisch und möglicherweise homosexuell gemieden“, so Carrie Pitzulo. „Aber der sorglose Single – ein Sehnsuchts-Selbstbild von Hefner, als er Playboy ersann – war sich seiner selbst in Bezug auf seinen Look, seine Art zu wohnen und sogar seine Kochkünste voll bewusst. Er war der Vorläufer des heutigen ,Metrosexuellen‘. In dieser Gestalt stellte Hefner sich eine wachsende Angleichung männlicher und weiblicher Ideale vor, mit allen Vor- und Nachteilen.“  

Hefner zu Gast als Redner: Die patriarchalen Vorstellungen der Nachkriegszeit auf den Kopf gestellt.
Credit: AP

Das Frauenbild des Playboy allerdings – und das wird heute in den Debatten um Sexismus und seine medialen Erscheinungsformen besonders gern vergessen –stellte die patriarchalen Vorstellungen der Nachkriegszeit gänzlich auf den Kopf. Und zwar in Gestalt der, wie Carrie Pitzulo sie nennt, „ebenso gefeierten wie geschmähten Playmate-Frau“. Die Historikerin erinnerte in ihrem „Politico“-Beitrag daran, dass von Männern wie Frauen in den 50er-Jahren gesellschaftlich schlichtweg erwartet wurde, ihre Sexualität für ein Leben in monogamer Ehe einzusetzen. Zuwiderhandlung konnte zu sozialer Ausgrenzung führen, dem Verlust der Arbeitsstelle oder gar einer Diagnose als psychisch krank. „Vor allem für die Frau stand viel auf dem Spiel“, schrieb Carrie Pitzulo. „In Sachen Sexualität gab es für sie nur zwei Optionen: Sie konnte ein ,gutes‘ Mädchen sein oder ein ,böses‘. Frauen sollten jung heiraten, mehrere Kinder bekommen und im Bett ihrem Mann gegenüber folgsam sein. Alles andere gefährdete ihren Ruf, ihre gesellschaftliche Anerkennung und ihre Möglichkeiten auf dem Heiratsmarkt. Mit den Playmate-Centerfolds zeigte Hefner, dass er diese beschränkte Vorstellung der weiblichen Sexualität ablehnte. Er verkündete fröhlich, dass auch ,gute‘ Mädchen Sex mochten.“  

Eine revolutionäre Idee in den konservativen Nachkriegsjahren

So waren die Akte im Playboy damals im doppelten Wortsinn revolutionäre Akte. Nacktbilder, Pinups, kannte man Anfang der 50er-Jahre nur als Darstellung namenloser Frauen in geschichtenlosen Settings: Körper vor Hintergund. Hefner hingegen zeigte echte reale Frauen in lebenswirklichen Situationen und mit – teils fotografisch belegten – Biografien. Und er verdeutlichte damit, wie Carrie Pitzulo es formulierte: „dass Frauen ebenso sexuelle Wesen sind wie Männer.“ Begleitend wetterte Hefner in Wort und Schrift gegen die herrschende sexuelle Unterdrückung – „angetrieben durch seinen unerschütterlichen Glauben an die Bedeutung persönlicher Freiheit in sexueller wie jeder anderen Hinsicht“ und überzeugt davon, „dass die amerikanische Kultur durch religiösen Puritanismus vergiftet wurde“ – Carrie Pitzulo hält dies, wie sie schrieb, für „eine Reaktion auf seine konservative Erziehung in einer frommen methodistischen Familie, die er nun in eine breitere Kulturkritik einordnete“. 

Doch bei alldem beließen Hefner und sein Playboy es nicht. Ihre Unterstützung für die liberale Agenda in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ging weit über einen bloß einflussreichen Kulturbeitrag hinaus. Durch eine Stiftung, die Playboy Foundation, unterstützte Hefner die Bürgerrechts-, die Schwulenrechts- und die Antikriegsbewegung auch finanziell – ebenso wie den liberalen Feminismus. Carrie Pitzulo rief dies in ihrem Beitrag noch einmal ins Gedächtnis: „Der liberale Feminismus war – im Gegensatz zu seiner radikaleren Ausrichtung, die Hefner ablehnte, weil sie Kritik an traditioneller Heterosexualität und weiblicher Schönheit übte, also dem, worauf der Playboy aufbaute – in den späten 1960er- und frühen 70er-Jahren ein zentrales Anliegen des Playboy. Hefner trat ein für die Reproduktionsrechte von Frauen – einschließlich des Zugangs zu Verhütungsmitteln und der Möglichkeit legal abzutreiben –, weil er diese als Teil der allgemeinen sexuellen Freiheit betrachtete. Natürlich bedeuteten sexuell befreite Frauen auch, dass heterosexuelle Männer mehr Sex haben konnten, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen – aber Reproduktionsrechte waren ein wichtiges Thema für Feministinnen.“  

Hugh Hefner bei der Arbeit in der Playboy Mansion.
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Nicht nur, dass Playboy regelmäßig über den Kampf für legale Abtreibung berichtete und monatliche Updates zu Gesetzesänderungen in einzelnen Staaten gab, er förderte auch, wie die Historikerin mit ihrem Hefner-Nachruf ins Gedächtnis rief, die Arbeit des „Clergy Consultation Service“, einer Hotline, an die sich Frauen wenden konnten, um eine Möglichkeit für eine  sichere Abtreibung zu finden. Und mehr noch: „Die ,Playboy Foundation‘ stellte Mittel zur Verfügung, um Kindertagesstätten für berufstätige Mütter ebenso einzurichten wie Nothilfe-Zentren für vergewaltigte Frauen und trat für das ,Equal Rights Amendment‘ ein“, so Carrie Pitzulo.  Der Verfassungszusatz dieses Namens soll Frauen in den USA gleiche Rechte zusichern. „Und während einige Frauen vor den Playboy-Büros protestierten, schrieben andere Aktivistinnen wie Ruth Bader Ginsburg, damals Anwältin des ACLU-Frauenrechtsprojekts, an das ,Forum‘ (die Leserbriefseite des Playboy, d. Red.), um Playboy für die finanzielle Unterstützung zu danken, die sich auf rund 100.000 US-Dollar belief.“

Vor kurzem, am 18. September dieses Jahres, ist die große Frauenrechtlerin und US-Verfassungsrichterin Ruth Bader Ginsburg gestorben. Und mit ihr eine weitere Zeugin für den bereits fast vergessenen  Teil von Hefners Vermächtnis, der uns neben sexuellen männlichen Wunschbildern auch den Auftrag hinterlassen hat, diese Bildern mit Leben zu füllen: den starken, gleichberechtigten Frauen im Ringen um alle sexuellen Freiheiten, die wir uns als Menschen nur gegenseitig gewähren können. Auch dies, schrieb Carrie Pitzulo, zähle zu Hefners Hinterlassenschaft – es werde in der Regel aber nicht gewürdigt.  

„Hefner wird immer eine umstrittene Figur sein“, so sie Historikerin. „Nach seinem Tod beanspruchen ihn Progressive noch immer für beide Seiten der feministischen Debatte, genauso wie es viele vor 50 Jahren getan haben. Aber wo auch immer wir ihn im politischen Spektrum verorten – Verfechter der Freiheit oder reueloser Chauvinist –, es gibt keinen Zweifel daran, dass Hefner eine der bedeutendsten kulturellen Figuren der vergangenen 70 Jahre war.“