Falco hat einmal gesagt, er sei wie eine Kerze, die von beiden Seiten brennt. Heller als die Anderen, heißer als die Anderen, aber eben auch schneller aus. Live fast, die young. Nirgends sind der Erfolg und das Zerbrechen so nah beieinander. James Dean, Jimi Hendrix, Kurt Cobain: Ein ganzer Club von Popkünstlern ist durch dieses Motto groß geworden – bis zum unvermeidbaren Sturz. Dank Falco wird in diesem Club auch Deutsch gesprochen. Dank Falco hatte Österreich einen Star, auf den man auch in Deutschland stolz war, irgendwie.
Falco. Das war „Rock me Amadeus“. Das war Nummer eins in Amerika. Noch immer ist er der Einzige, der das mit einem deutschsprachigen Song geschafft hat. Aber Falco, das war eben auch Kokain, das waren Quartalssauferei und abgesagte Konzerte. Falco war der Mann, der wie ein Weltstar gelebt hat und kurz davor war, einer zu werden.
Man konnte sich ihm nicht entziehen, ganz gleich wie man zu seiner Musik und seinem Auftreten stand. Man fand ihn genial oder unausstehlich, man liebte ihn oder hasste ihn. Falco war einem nicht „wurscht“. Die Öffentlich-Rechtlichen weigerten sich anfangs, seine Songs zu spielen, der Wiener Underground hatte aber einen neuen Helden. Der Boykott ging solange, bis Falco längst auf der Schaumkrone der Neuen Deutschen Welle über die Alpen nach Deutschland geritten war – jetzt liebte ihn sogar der Rundfunk ein bisschen.
Aber was genau war es, was ihn so beliebt gemacht hat? Woran liegt es, dass heute, bald 20 Jahre nach seinem Tod Zusatzshows des Falco Musicals gespielt werden? Was hat die Figur Falco, das immer noch Tausende in Hallen strömen lässt, um sich an die Geschichte eines längst verstorbenen Künstlers zu erinnern?
Eine Musik ohne Ablaufdatum
Natürlich ist da die Musik. Die Lieder mancher Künstler scheinen kein Ablaufdatum zu haben. Freddy Mercury, Michael Jackson, Prince, David Bowie. Und auch bei Falco setzt das ein, was das Feuilleton gerne mit dem Satz „Er ist tot, seine Musik wird bleiben“ etikettiert. Der Kommissar geht noch immer um, die Titanic versinkt in Panik und auch im Tiefkühlfach ist es immer noch viel zu heiß. Wer auf deutsche Musik so viel Einfluss hatte wie Falco, der verliert den auch nicht so schnell. „Meine Musik hält nicht für ewig. Aber bis übermorgen sollte es schon noch dauern“, sagte Falco einst bescheiden. Sein „übermorgen“ hält jetzt schon seit dem Kommissar, seit 1981.
Neben seinem größten Erfolg mit „Rock me Amadeus“, war „Jeanny“ mit Grund dafür, dass die Falco-Wurschtigkeit komplett ausblieb. Ein Lied, über das man sich stritt: Es verherrliche Gewalt, es rufe dazu auf. Die Öffentlich-Rechtlichen waren in ihrem Element. Die Geschichte hinter dem Song ist eine andere. Die Produzenten wollten eine Ballade, ein Mädchen, das von zu Hause ausreißt. Falco war kaum zu beruhigen, er sei kein „Schlagerfutzi“. Also ließ man ihn das Lied „falconizen“. „Aus einem Schaß einen Falco-Song machen“, so nannte er das. Ein paar zweideutige Zeilen, der schreiende Falco in der Zwangsjacke im Musikvideo – fertig ist der Skandalsong, den jeder haben wollte. „Der Text an sich liest sich so harmlos wie ein Telefonbuch“, sagt sein ehemaliger Manager Horst Bork. Und tatsächlich: über Mord, über Vergewaltigung fällt nicht ein einziges Wort. „Was Falco aber daraus machte, ist unglaublich.“
Vom Schock-Rocker zum vorlauten Großstadt-Helden
Obwohl Falco in seiner Rolle ein „Traum für jeden Produzenten“ war, gab es mit ihm auch genug zu tun. Eine Falco-LP zu produzieren glich in Kosten und Aufwand nur damaligen Stones-Platten, erzählt Bork weiter. Texte und Melodien waren noch längst nicht fertig, als die Plattenmenschen schon auf der Fußmatte standen. Der stramme Falco, nicht mehr in der Lage zu stehen, musste auf einem Stuhl fixiert werden und schmetterte kurzerhand „Jeanny“ aufs Band. „Finanziell und nervlich war das mit ihm immer ein Ritt über den Bodensee.“ Aber deswegen seien die Platten heute noch gut, „crispy“, nennt Bork das dann, oder „fresh“. So fresh und crispy, dass heute nicht nur österreichische Bands wie Wanda und Bilderbuch Falcos musikalisches Erbe verwalten. „Da muss man einfach mal bei Den Fantastischen Vier oder bei Fettes Brot nachfragen, wo die ihre Inspiration herhaben“, sagt Thomas Rabitsch.
Der Musiker stand mit Falco als Keyboarder und sein Bandleader über 20 Jahre auf der Bühne. Vom Anfang bis zum Schluss. Die beiden begannen bei Drahdiwaderl, einem Haufen linker, langhaariger Hippies, die unvorbereiteten Österreicher mit ihren obszönen Texten und Shows zu schocken. Falco war damals am Bass noch der „ruhige Hansi Hölzel“, der brummende Motor. Bis zu dem Tag, an dem er sich die Haare schnitt, einen glänzenden Anzug anzog und ein Gesicht aufsetzte, „als hätte er auf eine Zitrone gebissen“. Falco war geboren.
Für Rabitsch war Falco nicht nur ein begnadeter Musiker. „Seine freche Goschn’ fehlt mir“. Die Ironie in seinen Texten und die eigens geschaffene Kunstsprache aus dem Wienerischen, dem Hochdeutsch und dem Englischen, „damit hat er sich vom Rest abgehoben“, sagt Thomas Rabitsch. „Ein Kerl im Anzug, der auf der Bühne rappt und singt – da fällst du auf.“
Und auch sonst saß die Zunge bei Falco recht locker. Als ihn ein Journalist einst fragte, was er mit einer bestimmten Textzeile ausdrücken wolle, antwortete er „am liebsten deinen Pickel auf der Stirn.“
Das Schaffen der Rolle „Falco“, es wirkte wie eine Anpassung an das Business. Ein notwendiger Schritt, das zu werden, was er schon in der Grundschule werden wollte: Popstar. Er selbst sagte aber, er sei „ein Unangepasster, in einem angepassten Geschäft“. Ein bisschen Amadeus. Er war ein Punker und er lebte in der großen Stadt, er war populär und die Frauen liebten ihn sowieso. Die Parallelen zwischen Mozart und Falco sind so eindeutig, dass "Rock me Amadeus" kein Zufall war. Zwei Österreicher, denen der frühe Ruhm zu viel wurde. Angepasst haben sich die beiden nie.
Fast ein Weltstar
Sonst wäre es bei Falco vielleicht was geworden, mit dem Weltstar aus Österreich. Dafür hätte man ihn umpflanzen müssen. Aus Wien nach Amerika. Nicht Falco, der war dort schon auf Platz 1, sondern den Hansi aus Wien. Damals war Horst Bork damit schon sehr weit, „der Mietvertrag für sein Haus in LA lag schon auf dem Tisch“. Doch so talentiert und professionell Falco auch war, so spontan war er auch in seinen Entscheidungen. In der letzten Minute warf er alles hin, „die haben keinen Schmäh, was soll ich denn da?“.
Also wieder Wien, in den späten 80ern und in den frühen 90ern. Eine Zeit, in der er sich schwertat. „Er war eben ein Kind seiner Zeit, er hat nicht in dieses Jahrzehnt gehört.“, glaubt Rabitsch. Misserfolge häufen sich, in München spielte er vor weniger als 100 Leuten. Der Quartalsäufer in ihm erlebt seine Hochphase, ohne Schnaps ging wenig – auf der Bühne war er trotzdem immer da. In der Dominikanischen Republik gaben sich Comebackpläne, Depressionen und Phasen durchgehenden Rausches wechselweise die Klinke in die Hand.
Es ist auch diese Tragik, die ihn zu dem macht, was er heute noch ist. Der Schnaps, das Koks, das Heimweh, die Skandale: Das alles verhinderte zwar den Weltstar Falco, aber seinen Kultstatus von heute fand er im Auf und Ab, zwischen Erfolg und Scheitern.
Sein tragischer Tod am 06. Februar 1998 in der Dominikanischen Republik war für den Menschen Hans Hölzel die unausweichliche Katastrophe. Die Figur Falco ist durch den Tod unsterblich geworden. „Der Falke fliegt immer noch“, sagt Thomas Rabitsch. „Er fliegt jetzt nur etwas höher.“
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