Wer zu Hugh Hefner wollte, musste erst mal einen großen Stein aus dem Weg räumen. Naja, beinahe. In Wahrheit mussten Hefners Gäste nur mit dem riesigen Felsbrocken sprechen, der direkt neben dem Außentor der Playboy-Villa auf dem Boden liegt, wie vom Himmel gefallen – mitten rein in die noblen Holmby Hills, eine der feinsten Wohnlagen in Los Angeles.
In dem Felsen befindet sich, gut versteckt, eine Gegensprechanlage. Und wenn man ordnungsgemäß angemeldet war beim prominenten Hausherrn, öffnete sich wie von Geisterhand das gusseiserne Eingangstor und machte den Weg frei zu einer kurvenreichen Auffahrt.
Im Schritttempo rollt man hier vorbei an freilaufenden Flamingos und an Hinweisschildern, die jeden Ankömmling bitten, auf das Füttern von Bunnys zu verzichten. Und nach einigen Metern wird der Blick frei auf das Herzstück der parkähnlichen Anlage: Hefs Villa, berühmt geworden unter dem Namen „The Playboy Mansion“.
Hausbesuch im Schloss: Die Playboy-Mansion
Das Gebäude, das Hugh Hefner 1971 für eine Million Dollar erwarb und bis zu seinem Tod bewohnte, wechselte im Sommer 2016 für sagenhafte 100 Millionen Dollar den Inhaber. Der Käufer ist ein griechischer Investment-Milliardär, Hefners direkter Nachbar. Der Verkauf war an die Bedingung geknüpft, dass der neue Eigentümer Hugh Hefner ein lebenslanges Wohnrecht einräumt.
Ich begegnete Hefner erstmals im Februar 2011, also vor gut sechs Jahren. Mein Kollege Philip Wolff und ich waren mit dem legendären Bunny-Boss zum Interview verabredet. Aus Anlass seines bevorstehenden 85. Geburtstags. Dafür hatten wir uns auf den Weg gemacht, von München nach L.A. – für ein exklusives, wenn auch nur halbstündiges Gespräch. Das war zumindest vereinbart.
Möglicherweise hatte Hugh Hefner dann aber doch so viel Spaß an der Gesellschaft und den neugierigen Fragen der beiden deutschen Redakteure, dass aus den geplanten 30 Minuten mehr als eine Stunde wurde.
Bevor einen der Bunny-Boss empfing, betrat man zunächst die Eingangshalle des im neugotischen Tudorstil erbauten Stadtschlosses. Geschultes Personal geleitet Ankömmlinge dort vorbei an einer mondänen Treppe, die zu Hugh Hefners einstigen Privatgemächern führt. Der obere Bereich war für Fremde stets tabu. Von Hef selbst? War erst mal weit und breit nichts zu sehen.
Durch den angrenzenden Living Room, eine Art Privatkino voller gigantischer Ledersofas, gelangt man von der Eingangs-Lobby in die Bibliothek: ein mit Büchern und Bildern vor dunklen Holzwänden dekoriertes Erkerzimmer. Hefners persönliche Assistentin bat dort höflich, auf einem der schweren Sessel Platz zu nehmen – man sage dem Herrn des Hauses nun Bescheid, dass die Gäste eingetroffen seien.
Die erste Begegnung
Und nach wenigen Minuten war er dann da: gemächlichen Schrittes. Und auf ganz leisen Sohlen. Gekleidet in einen seidenen, rubinroten Morgenmantel. Von der Gestalt kleiner und zierlicher, als man es erwartet hätte.
Ein freundliches, bescheidenes Lächeln, ein sanfter Händedruck. Dann erschallt Hefners Stimme: mit einem langen, lauten, donnerndem Lachen. Als Reaktion darauf, dass wir, die Germans, ihm zur Begrüßung eine bayerische Lederhose aus feinstem Hirschleder überreichen.
Nachdem sich die beiden Fragensteller in der Sitzgruppe um den Interviewpartner drapiert hatten, bedeutete Hef mir näherzukommen. Noch näher. Ich berührte mit den Lippen fast sein Ohr. Hefner litt zu diesem Zeitpunkt bereits unter starker Schwerhörigkeit.
Dann aber die Überraschung: Der 85-Jährige erwiderte all unsere Fragen mit einer Schlagfertigkeit und Leichtigkeit, die so gar nicht zu seiner körperlichen Fragilität passen wollte. Er hatte sichtlich Spaß an dem Interview und lieferte den Repräsentanten der „German Edition“ pointierte, geistreiche und druckreife Antworten.
Und: Er entpuppte sich als äußerst interessierter und neugieriger Gesprächspartner. So erkundigte er sich ausführlich nach den Entwicklungen und Herausforderungen der deutschen Ausgabe.
Als wir uns nach einem ausführlichen Rundgang über das Areal – inklusive sagenumwobener Grotte („What happens in the Grotto, stays in the Grotto!“), Playmate-Unterkünften, Zoo, Tennisplätzen und „Game House“ – verabschiedeten, sprachen mein deutscher Kollege und ich minutenlang kein Wort. Spürten wir wohl beide, einen besonderen Moment in unserer beruflichen Vita erlebt zu haben.
Dann aber versicherten wir uns schnell, dass die Worte des Playboy-Gründers auch tatsächlich auf unserem Aufnahmegerät zu hören waren – und wir nicht in der Hitze des Gefechts vergessen hatten, den Record-Button zu betätigen. Wir drückten auf Wiedergabe und stellten erleichtert fest, dass Hef laut und deutlich auf unserem Band zu vernehmen war. Uns fiel ein Felsbrocken vom Herzen, der in etwa groß und schwer war wie der Stein am Eingangstor zur Playboy Mansion.
Ich bin Hugh Hefner noch zwei weitere Male begegnet. Zuletzt vor drei Jahren. Zu diesem Zeitpunkt war der Playboy-Gründer schon vom Alter gezeichnet und nahm keine offiziellen Termine mehr außerhalb der Mansion wahr.
Das Vermächtnis
Erst vor wenigen Wochen sprach ich nun mit Cooper, Hefners jüngstem Sohn, der seit Anfang des Jahres verantwortlich ist für die inhaltliche Linie des US-Magazins. Wir sprachen über das Vermächtnis seines Vaters. Er verglich dabei das Wirken seines Dads mit dem von Albert Einstein. Wörtlich: „Was Einstein für die Physik war, war mein Dad für die sexuelle Aufklärung.“
Hugh Hefner, der wohl vornehmlich als hartnäckiger Kämpfer für die sexuelle Befreiung in Erinnerung bleiben wird, formulierte das selbst in der ihm eigenen humorvollen Bescheidenheit so: „Meine größte Lebensleistung war wohl, dass ich das Licht in den amerikanischen Schlafzimmern angemacht habe.“
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