Text: Wolfgang Jung, dpa
Vier Tage vor Heiligabend kehrt ISS-Kommandant Gerst aus dem Weltall zurück. Am Ende seiner Mission wird es für den deutschen Astronauten Alexander Gerst an diesem Donnerstag (20. Dezember) eine raue Rückkehr aus der Schwerelosigkeit zum Heimatplaneten Erde. Nach dem Abkoppeln von der Internationalen Raumstation ISS rast die enge Sojus-Kapsel zunächst ungebremst in die Atmosphäre, die Luftreibung erzeugt dabei Temperaturen von etwa 2500 Grad Celsius. Erst vor wenigen Wochen ging der Start einer russischen Sojus-Rakete schief, und auch die Rückkehr der Raumkapsel gilt als anspruchsvoll.
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Dabei werden massive Kräfte Gerst in den Sitz pressen. "Ich kann kaum atmen, weil meine Zunge so stark an den Gaumen gedrückt wird", beschrieb er 2014 seinen damaligen Rückflug von seiner ersten ISS-Mission. Wie ein Kieselstein über die Oberfläche eines Teiches schlittert die Sojus durch den Hochofen Atmosphäre und schleppt einen Schwanz aus Hitze und Licht nach, bis Fallschirme den Sturz abstoppen. Etwa sechs Stunden nach dem Abdocken in rund 400 Kilometer Höhe sollen Gerst und zwei weitere Rückkehrer dann im minus 20 Grad Celsius kalten Kasachstan landen.
"Ich bin gerade auf Dienstreise in der Erdumlaufbahn"
"Wenn man der Erde entgegenfliegt und nach der Landung den Geruch der verschneiten Steppe wahrnimmt – das ist ein Stück Heimat", sagte Gerst einmal. Bereits am Abend wird er in Köln erwartet. Bis dahin verschickt sein E-Mail-Postfach weiter eine automatische Antwort: "Ich bin gerade auf Dienstreise in der Erdumlaufbahn. Bitte versuchen Sie es freundlicherweise im Januar 2019 wieder."
Für Gerst ist die Landung in der baumlosen Weite Zentralasiens der Schlusspunkt einer fast 200-tägigen Reise. Auf der Erde werden den 42-Jährigen Ärzte untersuchen, wie sich die mehr als 3000 Erdumrundungen auf seinen Körper ausgewirkt haben. Die Erkenntnisse sollen auch Aufschluss geben, wie Raumfahrer sich auf einen möglichen Mars-Flug vorbereiten müssen.
Thanks to all of you who accompanied me on the #Horizons mission, to let me be your eye in the sky / Vielen Dank an alle, die mich auf der #Horizons Mission begleitet haben, um ihre Welt durch meine Augen zu sehen. Hi-Res: https://t.co/b7I59tQwg5 pic.twitter.com/aDMGq3CSA3
— Alexander Gerst (@Astro_Alex) 17. Dezember 2018
Zählt man seine beiden bisherigen Missionen zusammen, war kein Deutscher so lange im All wie Gerst: fast ein Jahr. Wie wird es weitergehen mit dem Rekord-Raumfahrer? "Er ist weiter Mitglied des Esa Astronauten Corps – insofern ist auch die Möglichkeit eines weiteren Flugs gegeben", sagt Europas Raumfahrtchef Jan Wörner. Auch Missionsleiter Volker Schmid vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) meint: "Ich gehe davon aus, dass er noch mal fliegt." Es wäre Gersts dritte Reise ins All – soviel kosmische Erfahrung sammelte in Deutschland nur Ulf Merbold zwischen 1983 und 1994.
Doch noch einmal zur ISS, die Gerst zuletzt als Kommandant leitete? In Expertenkreisen denkt man auch an eine andere ehrgeizige Mission für den Mann aus Künzelsau (Baden-Württemberg): Die USA wollen 2023 erstmals seit Jahrzehnten wieder den Mond umrunden – mit einem bemannten Orion-Raumschiff, das derzeit in Zusammenarbeit mit Europa entsteht. Was liegt da näher, als einen Europäer mitzunehmen? "Das ist gut denkbar, aber eine solche Mission hat auch politische Aspekte", heißt es dazu diplomatisch in deutschen Raumfahrtkreisen.
"Die Wissenschaftler sind sehr zufrieden"
"Zunächst wird uns die Auswertung der auslaufenden Mission ein gutes Jahr beschäftigen", sagt Missionsleiter Schmid. Einige Fragen bleiben auf dem Außenposten der Menschheit. Noch immer ist ungeklärt, wie ein winziges Loch in die Wand einer angedockten russischen Raumkapsel geraten konnte. Und nach dem Fehlstart einer Sojus-Rakete mussten Gerst und seine Mit-Rückkehrer Serena Auñón-Chancellor (USA) und Sergej Prokopjew (Russland) lange auf Verstärkung warten. Mehrere geplante Experimente fielen aus. Trotzdem zieht Schmid eine positive Bilanz: "Die Wissenschaftler sind sehr zufrieden."
Was auf der Strecke blieb: Zwei geplante Außeneinsätze von Gerst fielen aus. Zudem konnten technische Probleme beim Roboter "Cimon" als auch beim Tierbeobachtungsprojekt "Icarus" nicht gelöst werden. "Wenn eine Panne passiert, muss man Kompromisse machen", sagt Schmid. "Wir haben aber gute Resultate eingefahren. Das andere können wir nachholen."
Gerst wird bald in Hamburg erwartet, wo er die Ehrensenatorenwürde der Universität erhält. Er promovierte dort 2010 am Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit. Und er soll schon bald wieder nach Russland reisen. Der Geophysiker wird zum sogenannten Debriefing der Mission in Moskau erwartet, zudem plant die deutsche Botschaft einen Empfang für den Mann mit dem kahlgeschorenen Kopf.
Parallel arbeitet Europas Raumfahrtbehörde Esa an einem Einsatz für Deutschlands nächsten Astronauten Matthias Maurer. Der Saarländer könnte 2020/21 zur ISS fliegen – oder vielleicht auch an einer chinesischen Raumfahrtmission teilnehmen. Maurer wäre der zwölfte Deutsche im All.
"Raumfahrt ist heute selbstverständliche Infrastruktur für viele Bereiche. Daraus aber den Schluss zu ziehen, dass Raumfahrt einfach und Routine ist, ist falsch", betont Esa-Chef Wörner. "Missionen zu Kometen, Planeten oder zur ISS faszinieren Menschen aller Altersgruppen. Daraus wird Inspiration und Motivation – die wir für die Zukunft in unserer Gesellschaft dringend brauchen."
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