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Wer den Kampfbegriff „alter weißer Mann“ kritisiert, wird heute lieber denn je (vor allem in meiner Situation: 49 Jahre, weiß, Hetero, guter Job) mit dem Feindbild gleichgesetzt: dem ignoranten Sack, der nicht verstehen will, dass er zu den Privilegierten zählt. Der seine jahrzehntelange Freiheit von Diskriminierung nicht mit dem eigenen Erfolg in Verbindung bringt. Der Angst vor Veränderung hat. Kurz: Genau deshalb finde ich das Schlagwort doof. Nicht weil es nicht treffend wäre. Sondern weil damit Antworten erschlagen werden. Du siehst ein Problem, Bär? Dann bist du ein Problem-Bär! So funktionieren Debatten für mich nicht. Aber ich bin ja auch schon älter als das Internet.
Das muss man sich mal vorstellen: Ich bin sogar so alt und alles andere, dass ich zum Beispiel Gender Studies interessant, aber Biologie wichtig finde. Oder dass ich Immanuel Kant nicht vom Sockel stürzen würde, obwohl er sexistische wie rassistische Ungeheuerlichkeiten von sich gab. Sein kategorischer Imperativ bleibt zeitlos denkwürdig. Hören Sie, wie ich diesen Deutungshoheits-Ton anschlage? Ach, kommt schon, ihr Alte-weiße-Männer-Sager*innen provoziert doch selber gern.
Ärgert euch nicht. Das wollt ihr doch sonst immer: dass wir angeblich so toxischen alten Heten endlich mal über alles reden, unsere Gefühle und so weiter. Also, bitte sehr: Ein bisschen Benachteiligung tut uns nicht weh. Wir haben schon über Wehrpflicht oder jungsfeindliche Reformpädagogik nie gejammert. Von mir aus bezahlt Job-Recruitern heute das Dreifache, wenn sie anstelle von meinesgleichen junge schwarze Transsexuelle ins Büro holen. Ich verstehe das, positive Diskriminierung ist gut. Gar keine fänd ich allerdings besser. Damit kenne ich mich aus.
Auch deshalb lasse ich mir den Mund nicht verbieten.
Lesen Sie hier den Pro-Kommentar von unserem Autor Philipp Nowotny