Natürlich ist mir mein Verhalten manchmal peinlich. Was dachte zum Beispiel meine fünfjährige Tochter, als sie mich neulich vor dem Fernseher sitzen sah? Es lief Bayern gegen Liverpool. Das Rückspiel. Und sie beobachtete einen 41 Jahre alten Mann, der mit einem Bildschirm sprach, der ihn anschrie und kurzzeitig – der Tiefpunkt in Sachen Würde – vor ihm kniete.
Hatte Papa Angst? Schmerzen? Wieder von dem Zeug, das so komisch riecht, getrunken? Nein. Papa hatte Spaß. Es sah nicht so aus. Es fühlte sich größtenteils auch nicht so an. Aber im Rückblick: Ja, doch, ich genoss es. Denn ich erlebte etwas Außerordentliches.
"Wer es mit Leidenschaft tut, erlebt ein mitreißendes Drama"
Fan zu sein ist kein Schicksal. Es ist eine Entscheidung. Man trifft sie eher unbewusst. Aber man trifft sie. Es ist die Entscheidung, intensiver zu leben. Wer kalten Herzens Bayern gegen Real schaut, sieht ein gutes Fußballspiel. Wer es mit Leidenschaft tut, erlebt ein mitreißendes Drama.
Das ist der Deal, den jeder Fan schließt: Ich lasse mich wirklich auf etwas ein – dafür löst es wirklich etwas in mir aus. Sei es ein Springsteen-Konzert, eine Hockney-Ausstellung oder meinetwegen der Anblick von Wladimir Putin.
"Über die Liebe entscheidest du nicht, über's Fan-Sein schon"
Psychologen sprechen vom „Reizhunger“, den das Fan-Sein stillt. Es sorge für „sensorische Stimulation“, das fühle sich gut an und sei sogar gesund. Und wer es mit dem Fan-Sein übertreibt, ist selbst schuld. Denn wie beim Verlieben suchst du dir als Fan zwar nicht aus, wem deine Zuneigung zufällt.
Anders als beim Verlieben aber verfällst du dem Objekt deiner Zuneigung nicht. Über die Liebe entscheidest du nicht, übers Fan-Sein schon. Ich kenne zum Beispiel niemanden, der dem FC Bayern wirklich verfallen ist. Lassen Sie sich von meiner Tochter nichts anderes erzählen.
Unser Playboy-Redakteur und Gelegenheitsgucker Philipp Nowotny sieht das anders: Lesen Sie hier, was er von Fans und Fanatikern hält.