Bozza ist Musiker aus Leidenschaft – er ist Rapper, Songwriter und hat auch noch eine unglaublich schöne Gesangsstimme. In seinem neuen Album, so verrät er uns, steckt jede Menge Arbeit und Herzblut. Kein Wunder, dass er darüber einiges zu erzählen hat.
Bozza, Ihr letztes Album „Glücklich Unzufrieden“, das Sie 2022 rausgebracht haben, hatte einen eher düsteren Vibe. „Halbvoll“, Ihr neues Album, das Ende Juli erscheint, klingt ganz anders. Wie würden Sie es beschreiben?
Der Vibe ist auf jeden Fall komplett anders! Ich sage mal so: Ich habe eine gespaltene Hörerschaft. Fans, die deepe Songs wie „Elbe“ mögen, und Fans, die die Straßennummern von früher feiern. In den letzten Jahren habe ich den harten Rap ein wenig vernachlässigt. Ich hatte das Gefühl, dass ich das wiedergutmachen muss.
Wird „Halbvoll“ Ihrer Meinung nach einschlagen?
Ich bin mir bewusst, dass „Halbvoll“ vielleicht nicht den Nerv des Mainstreams treffen wird. Trotzdem liebe ich es, meinen Fans etwas zurückzugeben. „Halbvoll“ ist ein reines Rap Album.
Ihre Lyrics wirken unmittelbar und ungekünstelt. Was für ein Schreibtyp sind Sie?
Meine Ideen kommen mir generell sehr zügig, und ich arbeite sehr, sehr schnell. Manchmal schreibe ich fünf oder sechs Songs an einem Abend. Es hängt aber auch von meiner Laune ab. Manchmal merke ich direkt, dass gar nichts geht. Dann lasse ich die Finger vom Schreiben.
Was bringt Sie in Schreiblaune?
Bisschen buntes Licht und ne Flasche Tequila (lacht).
Lohnt es sich in Zeiten von Streaming überhaupt, viel Herzblut in ein Album zu stecken?
Ich bin einfach noch ein sehr großer Fan von diesem ganzen Albumding. Ich mag es, mir Mühe zu geben und immer etwas anderes zu erschaffen. Deshalb wird es von meinen Alben zum Beispiel auch niemals einen zweiten Teil geben: Jedes Album steht für einen abgeschlossenen Zeitraum, für eine Phase in meinem Leben.
In „Only Fans“, einem Song auf Ihrem neuen Album, finden sich Zeilen wie: „Ich bin wirklich nicht homophob, aber warum ist jede Bitch jetzt gay?“ Oder: „Warum fliegt ihr alle nach Dubai? Warum ist deine Rolex fake?“ Was hat Sie dazu bewegt, solche Zeilen zu schreiben?
Der Song ist zu einer Zeit entstanden, an dem einfach alles so gleich war. Das hat mich ein wenig gestört! Und klar, der Text polarisiert natürlich auch (lacht).
Wovon braucht die Gesellschaft mehr, wovon weniger?
Es braucht weniger Leute, die alles nachplappern, und mehr Leute, die eigenständig denken.
Rap-Star Bozza im Playboy-Interview: „Es braucht weniger Leute, die alles nachplappern, und mehr Leute, die eigenständig denken“
Warum heißt das Album eigentlich „Halbvoll“?
„Halbvoll“ steht für ein positives Mindset. Dafür, dass das Glas immer halbvoll und nicht halb leer ist.
Hatten Sie das positive Mindset schon immer?
Jein. Mein ganzes Leben ist wie eine Achterbahnfahrt. Ich habe Phasen, in denen ich einen Monat lang nicht gut anzusprechen bin. Dann geht es mir wieder besser. Ich bin ein gefühlvoller Mensch, der sich von seiner Außenwelt sehr beeinflussen lässt.
In den Songs auf Ihrem letzten Album haben Sie immer wieder Suizidgedankengedanken zum Thema gemacht. In „Ich seh dich“ heißt es: „Müde vom Leben, aber nächtelang wach“. Waren das Zeilen, die Sie wirklich gefühlt haben?
Ja, zu 100 Prozent.
Wie haben Sie geschafft, diese negative Phase zu überwinden?
Hip-Hop ist etwas, das mich immer aus der Versenkung holt. Etwas, das mich aufblühen lässt. Die Musik ist für mich das beste Ventil, mit dem ich Sachen verarbeiten kann. Das letzte Album hat mir echt geholfen, muss ich sagen. Ich habe auch krasses Feedback bekommen.
Rap-Star Bozza im Playboy-Interview: „Hip-Hop ist etwas, das mich immer aus der Versenkung holt“
Was würden Sie betroffenen Menschen – abgesehen von einer Therapie – raten?
Reden. Man darf sich nicht verstecken oder sich für irgendetwas schämen. Man sollte Sachen, die einem auf dem Herzen liegen, frei heraus ansprechen. Muss man einfach nur gehört oder gesehen werden.
In dem Song „4x4“ auf Ihrem neuen Album ist mir vor allem eine Line aufgefallen. Sie lautet: „Halleluja, ich bin nicht gestorben.“ Auf was spielen Sie hier an?
Vor langer Zeit hat mein Arzt zu mir gesagt: Wenn du so weitermachst, wirst du die 30 nicht mehr schaffen. Ich hatte damals einen sehr exzessiven Lebensstil: viele Drogen, viel Alkohol. Jetzt habe ich es doch geschafft …
Welche Rolle spielen Drogen und Alkohol jetzt für Sie? In Ihrer Musik scheint hier zumindest ein Wandel stattgefunden zu haben …
„Glücklich unzufrieden“ ist in einer Zeit entstanden, wo es mir nicht gut ging. Während der Arbeit am neuen Album ging es mir viel besser. Der Grund, warum ich heute trinke, ist ein anderer: Weil ich mich wohlfühle und mit Freunden das Leben genießen will. Und nicht, weil ich nicht weiterweiß und in meinen Depressionen versinke.
Haben Sie Ihren Lebensstil radikal verändert?
Nicht radikal, aber ich kann mein Leben besser händeln. Früher hatte ich auch einfach nichts zu tun. Ich gehörte nicht zu den Menschen, die einen Plan hatten. Jetzt habe ich eine Arbeit. Ich habe einen geplanten Tag, gehe ins Studio, trage viel Verantwortung, nehme Termine wahr. Mit der Verantwortung ist der Leichtsinn gegangen. Auch die Struktur tut mir gut. Ich habe lustigerweise schön öfter beobachtet, dass Rapper – oder Musiker allgemein –, wenn sie Geld gemacht haben, sich plötzlich gesund ernähren, Sport machen und darauf achten, länger zu leben (lacht).
Sie erwähnen immer wieder, dass Ihr Vater Fan Ihrer Musik ist. Wie geht er mit den teilweise ganz schön krassen Inhalten um?
Für mich ist die Hauptsache, dass Daddy stolz ist. Er hat bei sich zuhause tatsächlich auch so eine Art Altar aufgebaut für mich. Was den Inhalt angeht, mache ich mir keinen Kopf, denn er versteht nicht so viel … (lacht)
Ihre Eltern sind als Kriegsflüchtlinge von Bosnien nach Deutschland gekommen. Wie wurde Ihre Familie aufgenommen?
Ich kann mich ehrlicherweise nicht mehr daran erinnern, habe keine konkrete Situation im Kopf. Dafür sind schon viel zu viele andere krasse Momente in meinen Kopf gewandert.
Gibt es ein „zu persönlich“ für Sie?
Also zu emotional gibt es nicht. Aber wenn jemand erzählt, wie lange er auf der Toilette saß oder so, finde ich das schon zu persönlich. Das muss keiner wissen (lacht).
Rap-Star Bozza im Playboy-Interview: „Zu emotional gibt es nicht“
Sie haben nach der achten Klasse die Schule abgebrochen. Was kam dann?
Ich habe es danach mit der Berufsschule versucht, um meinen Abschluss nachzuholen. Das war meinem Vater wichtig, mir damals aber nicht. Es hat alles nicht geklappt und nicht gefruchtet. Ich habe dann eher so ein Lotterleben geführt: Ich habe in den Tag gelebt, draußen rumgehangen, nichts gemacht. Im Endeffekt war es jetzt doch in Ordnung so. Ich denke, Schule und Ausbildung sind zwar erstmal der richtige Weg, aber wenn man erkennt, dass man Talent hat, sollte man das auch fördern.
Was wäre aus Ihnen geworden, wenn Sie nicht Rapper geworden wären?
(lacht) Das weiß ich nicht. Ich hatte weder einen Plan noch irgendeine andere Vision. Ich rappe schon, seit ich ein kleiner Junge war. Es gab keine andere Option für mich.
Heute sind Sie bei „Def Jam Germany“ gesignt. Sie waren der erste Musiker, der hier von Sido unter Vertrag genommen wurde. Wie kam das zustande?
Wir hatten uns auf einem Konzert kennengelernt und uns relativ schnell gut verstanden. Dann hat er mir von seiner Def-Jam-Idee erzählt, und dann war es eigentlich auch schon beschlossene Sache. Es lief alles wirklich easy.
Was ist das Wichtigste, was Sie von Sido gelernt haben?
Wenn ich einmal einen Text runtergeschrieben habe, mache ich mir nicht mehr so viele Gedanken darüber und haue das einfach raus. Durch seinen Einfluss arbeite ich konzentrierter. Ansonsten bin ich aber sehr sicher in dem, was ich mache.
Welche Songs von Ihnen sollten Menschen hören, denen Ihre Musik bislang noch nichts sagt?
Alle (lacht). Um mich als Person zu verstehen, würde ich „Alles von Anfang“, „Elbe“ und „Wie lang geht’s gut“ empfehlen. Die geben einen guten Einblick in mein Achterbahn-Leben.
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