Estikay, 2020 haben Sie das Album „Blueberry Boyz” veröffentlicht, 2022 dann „Eschenstieg“. Nicht mal ein Jahr später erscheint nun „Codein Dreams“. Warum wollten Sie innerhalb so kurzer Zeit noch einmal Musik nachlegen?
Es ging mir nicht darum, möglichst schnell ein Album nachzuschießen. Ich habe in letzter Zeit einfach relativ viel Musik und eine Menge neuer Songs gemacht. Bei einigen von ihnen habe ich dann eine klare Linie erkannt. Deshalb hat es für mich Sinn gemacht, ein jetzt Album rauszubringen.
Woher kam die Inspiration für so viele Songs?
Ich versuche mir tatsächlich bewusst gar nicht so viele Gedanken zu machen, sondern eher auf mein Herz zu hören und immer Musik zu machen, sobald ich Zeit habe und ich ein bisschen Ruhe finde. Verkopft an die Sache ranzugehen, macht es technisch vielleicht besser, aber ich bin ein Freund davon, einen Moment, eine Emotion oder einen Vibe zu catchen. Wichtig finde ich auch, fertige Songs möglichst zeitnah rauszubringen, sonst läuft man Gefahr, das Ganze totzudenken und immer wieder zu verändern. Ich mag es, wenn Musik einen Abschnitt in meinem Leben widerspiegelt und dann auch in dem passenden Zeitraum erscheint.
Fällt es Ihnen schwer, Songs fertigzustellen und sie loszulassen?
Ich würde mich schon als sehr perfektionistisch beschreiben (lacht), obwohl das nach außen hin – glaube ich zumindest – gar nicht so rüberkommt. Ich habe das Gefühl, man denkt von mir, dass mir alles halbwegs egal ist. Das stimmt auf keinen Fall, aber mittlerweile kann ich ab einem gewissen Punkt gut loslassen.
Die Tracks auf „Codein Dreams“ hören sich im Vergleich zu älteren Songs wie zum Beispiel „Wieder mal Freitag“ reflektierter an. Sie blicken zurück und analysieren. Was hat zu dieser Entwicklung geführt?
In erster Linie spiegelt das meine persönliche Entwicklung wider. „Wieder mal Freitag“ ist schon ein paar Jahre alt und seitdem ist viel passiert. Ich bin dreifacher Vater geworden, trage viel Verantwortung – ich bin gewachsen und habe mich weiterentwickelt. Ich finde übrigens gar nicht, dass alles immer nachdenklich und deep sein muss. Musik sollte Gefühle und Vibes transportieren, man sollte sich in irgendeiner Form mit ihr identifizieren können. Ich mache mir zwar viele Gedanken, konnte mir aber etwas Leichtigkeit bewahren. Deswegen besteht meine Musik aus „einfacher Kost“, zu der man gut viben kann, aber auch aus ernsten Themen, die mich beschäftigen. Ich finde, auf dem neuen Album ist mir diese Kombination am besten gelungen.
In dem Song „Try so hard“, der auf Ihrem neunen Album zu finden ist, heißt es unter anderem: „Teilten immer alles, aber plötzlich wirst du neidisch“ oder „Jeder geht seinen Weg allein“. Thematisieren hier ein ganz bestimmtes Ereignis?
Ja. Es geht um meinen engsten Freund, meinen Wegbegleiter, den ich kenne, seitdem ich vier Jahre alt bin. Wir haben uns auseinanderentwickelt, hatten ein unterschiedliches Verständnis von Moral. Tatsächlich hat sich dieser ehemalige Freund jetzt, nachdem er den Song gehört hat, bei mir gemeldet.
Denken Sie, dass ein Song auf Ihrem neuen Album Ihr endgültiger Durchbruch sein könnte?
Boah, ich hoffe es natürlich. Das tut man wahrscheinlich immer. Aber es war jetzt nicht mein Ansporn, den einen großen Hit zu machen. Dann würde ich anders an die Sache rangehen, mich nach gewissen Trends richten und sagen: Ich mache jetzt das, was gerade sehr gut funktioniert. Aber meine Alben sollen der Spiegel meines Lebens sein.
Rapper Estikay im Playboy-Interview: „Es war jetzt nicht mein Ansporn, den einen großen Hit zu machen“
Sie wurden von Sido entdeckt und standen bis 2019 bei seinem Label „Goldzweig“ unter Vertrag. Warum kam es zur Trennung?
Ich glaube, ich habe das damals schlecht kommuniziert. Bevor es zur Trennung vom Label kam, hatte ich mich schon von meinem Management getrennt – und das hatte gar nichts mit Sido oder „Four Music“, dem Vertrieb von „Goldzweig“, zu tun. Bei „Four Music“ war es dann irgendwann so, dass intern viel passiert ist. Viele Positionen wurden getauscht, viele sind gegangen und gekommen. Am Ende hatte ich keinen richtigen Ansprechpartner mehr und es war an der Zeit, meinen eigenen Weg zu gehen. Wir sind aber im Guten auseinandergegangen, mit einigen habe ich noch immer Kontakt.
Was ist das Wichtigste, das Sie von Sido gelernt haben?
Ich habe mich vor allem live durch ihn unglaublich weiterentwickelt. Er hat mich ja auf alle möglichen Tourneen und Festivals mitgenommen. Dort habe auch gesehen, dass viele Künstler live nicht besonders gut rappen können. Bei Sido klingt alles wie auf Platte. Daran habe ich mir ein Beispiel genommen.
Sie sind dreifacher Vater und Rapper. Ist es ein Spagat, beide Lifestyles zu verbinden?
Ich versuche das gar nicht zu trennen. Ich sehe mich nicht als Kunstfigur. Denn das, was ich in meiner Musik erzähle, sind Dinge, die in meinem Leben passieren. Meine Kinder sind genauso ein Teil davon wie die Sessions, die ich mit meinen Jungs mache.
War es schon immer Ihr Wunsch, jung Vater zu werden und als große Familie zusammenzuleben?
Schon. Ich bin auch so groß geworden, habe mit meinen Tanten und Onkels zusammengelebt. Ich bin ein Familienmensch und wollte schon Kinder haben, seitdem ich 15 Jahre alt bin. Das hat zum Glück erst ein bisschen später geklappt (lacht).
Was möchten Sie Ihren Kindern unbedingt mit auf den Weg geben?
Sobald ich sagen kann, dass meine Kinder ehrliche, loyale Menschen mit guten Absichten sind, würde ich behaupten, einen guten Job gemacht zu haben.
Sind Ihre Kinder bereits an Ihrer Musik interessiert?
Es hält sich in Grenzen. Manchmal kommen sie rein, wollen gucken, was ich so treibe und vielleicht für zwei Minuten mitmachen. Ich habe ihnen vor kurzem gesagt, dass ich einen Song für sie mache und wollte ihn ihnen vorspielen. Nach einer halben Strophe meinten sie dann: Okay, cool und waren dann auch schon wieder weg (lacht).
Ihr Vater war Fußball-Profi. War der Wunsch da, auch eine Karriere als Kicker zu starten?
Bis heute eigentlich (lacht). Nein, als kleiner Junge träumt das wahrscheinlich jeder von. Mit neun Jahren habe ich ganz okay im Tor gespielt, wollte aber immer in den Sturm. Irgendwann habe ich es geschafft, meinen Trainer zu besabbeln. Er hat mich aufs Feld gelassen, dann habe ich eine Saison lang kein Tor gemacht und das Ganze hatte sich erledigt. Und irgendwann ging es los mit der Musik.
Wann genau?
Zwischen zehn und elf habe ich angefangen, Musik zu machen. Ich habe neben dem Fußball alle mögliche angefangen und wieder aufgehört. Musik war das Einzige, was ich durchgezogen habe.
Rapper Estikay im Playboy-Interview: „Musik war das Einzige, was ich durchgezogen habe“
Wie denken Sie an Ihre Kindheit zurück?
Ich hatte eine sehr, sehr schöne Kindheit. Dadurch, dass wir so viele waren, war immer viel los. Es wurde nie langweilig. Bei mir war auch relativ früh klar, dass ich nicht den klassischen Schulweg gehe, sondern mein eigenes Ding mache. Gott sei Dank hat mich meine Family immer so gut supportet, wie es ging …
Welches Ereignis hat Sie am meisten geprägt?
Wahrscheinlich der Tod meiner Mutter. Er kam sehr überraschend. Ihr Tod war der einschneidendste Punkt in meinem Leben und hat einiges verändert: Man wird sich bewusst darüber, was wirklich wichtig ist. Ich denke, man kann als Familie daran kaputtgehen, aber wir haben es gemeistert und sind noch enger zusammengewachsen.
Ich habe gelesen, dass Sie – unter anderem in New York – eine Zeit lang als Foto-Assistent gearbeitet haben.
Ich bin schon immer der visuelle Typ gewesen. Fotografie war da das naheliegendste. Da mir Theorie nicht liegt und ich eher der Learning-by-doing-Typ bin, habe ich verschiedene Fotografen angeschrieben und gefragt, ob ich ihnen assistieren kann. Ich habe das ziemlich lange gemacht und bis heute bin ich eigentlich lieber hinter der Cam und habe Freude daran, Dinge in Szene zu setzen.
Wie finden Sie den Playboy?
Legendär! Auch wenn Print weniger wird – ich finde, der Playboy steht für Qualität und Ästhetik.
Danke für das Kompliment, das spiele ich an den Chef zurück. Nun zum Abschluss: Was steht musikalisch nun bei Ihnen an?
Am 14. April kommt das neue Album raus und am 8. April geht meine Tour auch schon los. Und wie gesagt: Dadurch, dass ich relativ viel Musik am Start habe, kanns auch direkt weitergehen. Es wird also keine Durststrecke geben. Und wer weiß? Vielleicht droppe ich sogar noch ein zweites Album dieses Jahr …
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