Das größte Abenteuer aller Zeiten

Credit: Playboy Germany

Ob ewiges Eis, Dschungel, Achttausender oder Ozeane – Mike Horn hat bereits jedes Extrem der Erde gemeistert. Wir begleiteten den tollkühnsten Abenteurer unserer Zeit auf einer Etappe seiner neuen Expedition „Pole2Pole 360“: durch die Wüste Namibias – und eine leicht reizbare Elefantenherde

Mit 245 PS durch die Namib: Auf diesem Abschnitt seiner ""Pole2Pole 360""-Expedition wurde Mike Horn von unserem Reporter begleitet
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Wer nachts in der Wüste auf eine Elefantenherde trifft, sollte einige Verhaltensregeln beachten, um nicht platt getrampelt zu werden. Aus dem Geländewagen zu springen und laut „Elefanten!“ zu rufen zählt nicht dazu. Mike Horn tut es trotzdem. Er weiß, dass man Überlebensregeln nicht blind befolgt, sondern an gewisse Situationen anpassen muss. Schon oft ist er dem Tod von der Schippe gesprungen.

Wir sind mit dem südafrikanisch-schweizerischen Berufsabenteurer unterwegs in Namibia. Innerhalb von drei Tagen wollen wir die 95.000 Quadratkilometer große Namib-Wüste in Mercedes-Geländewagen durchqueren. Es ist die zweite Etappe seiner aktuellen Expedition von Pol zu Pol, die am 8. Mai im Hafen von Monaco startete: 42.000 Kilometer will Horn zurücklegen – über Namibia und Botswana soll es nach Kapstadt gehen und dann weiter mit seinem Segelschiff „Pangaea“ in die Antarktis. Dort angekommen, will Mike Horn durchs ewige Eis marschieren, auf der anderen Seite wieder die Segel hissen und mit einer kleinen Crew über Neuseeland, Australien, Neuguinea und Russlands fernöstliche Halbinsel Kamtschatka gen Nordpol schippern. 2018 soll die „Pole2Pole 360“-Expedition dort ankommen.

Warum tut sich jemand so etwas an? „Wenn dich dein Leben langweilt, dann machst du eben etwas falsch“, antwortet der 50-jährige Mike Horn. Doch er laboriert nicht etwa an einer Midlife-Crisis. Auf solche und ähnliche Weise reist er schon seit über 30 Jahren durch die Welt. Und er hat noch viel vor. Er ist drahtig wie ein junger Leistungssportler, sein Blick durchdringend, seine Sprache klar und bündig. Als wir ihn am Flughafen des namibischen Städtchens Walvis Bay treffen, setzt es zur Begrüßung einen Händedruck, der einem die eigene Sterblichkeit ins Bewusstsein ruft. „Hi, ich bin Mike!“ Und der beginnt gleich mit dem Briefing für die nicht ganz ungefährliche Autofahrt: „Solange ihr im Wagen seid, können euch nur Schwarze Mambas und Elefanten töten. Wenn ich sage: ,Bewegt euch nicht‘, dann bewegt ihr euch nicht. Auch wenn ein Elefant euch mit seinem Rüssel ,Guten Tag‘ sagt.“ Nach dieser Kabinenansprache sind wir motiviert wie Gladiatoren und schwingen uns in unsere Streitwagen. Mike gibt den Marschbefehl, wir folgen in die Wüste.

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Eine Psychologin attestierte Mike Horn einmal während seiner Rede vor der National Geographic Society, er sei suizidal veranlagt. Angesichts seiner Abenteuer könnte man auch als Laie darauf kommen: Als erster Mensch durchschwamm er 1997 den 7000 Kilometer langen Amazonas von der Quelle bis zur Mündung auf einem Hydrospeed, einem floßartigen Schwimmkörper. Er umrundete 1999 ohne jedes motorisierte Hilfsmittel die Erde am Äquator, überquerte den Atlantischen, Indischen und Pazifischen Ozean, kämpfte sich mit einer Machete durch den Dschungel Afrikas und Südamerikas, erkrankte an Malaria, überlebte Giftschlangenbisse und Orkane auf hoher See. Mehrmals. All das brachte ihm 2001 den Laureus World Sports Award in der Kategorie „Alternative Sportarten“ ein sowie eine Audienz bei Papst Johannes Paul II. Auf seiner Expedition „Arktos“, die 2002 startete, umrumdete Horn im Alleingang den nördlichen Polarkreis, 26 Monate, 20.000 Kilometer weit von Norwegen nach Grönland, Kanada, Alaska, Russland und zurück nach Norwegen. Nur das Feingefühl seiner zeitweise erfrorenen Finger fiel dem Eismarsch zum Opfer. Eine Fingerkuppe hatte er bereits als 18-jähriger Soldat im angolanischen Bürgerkrieg verloren, als er auf eine Landmine fuhr. Dass er mittlerweile auch vier Achttausender ohne Sauerstoffflasche bestiegen hat, versteht sich für den Extremsportler fast von selbst.

Doch Horn liebäugelt nicht mit dem Heldentod. Er will zeigen, wozu ein einzelner Mensch in der Lage ist. „Wir leben nur 30.000 Tage auf dieser Welt. Bereuen, etwas nicht getan zu haben, ist das Schlimmste, das ich mir vorstellen kann“, sagt er. Außerdem möchte er andere dazu animieren, wie er im Vollkontakt mit der Natur ihre Grenzen auszuloten. Und so auch ihr Bewusstsein für die Natur schärfen. Dafür hat er das Young Explorers Program ins Leben gerufen. Mit Jugendlichen zwischen 13 und 20 Jahren segelt er durch die Welt, befreit Meere und Strände von Müll und zeigt ihnen die Schönheit der Natur.

Nach mehreren Stunden auf dem namibischen Highway verlassen wir die geteerte Straße. Zeit für eine Abkürzung. Wir fahren durch den feuchten Sand der Skelettküste, die die portugiesischen Seeleute „das Tor zur Hölle“ tauften. Nahe der Küste entdecken wir Schiffswracks, Zeugen der unbarmherzigen Strömung des Benguelastroms. Wer hier strandet, ist so gut wie tot, denn Trinkwasser sucht man hier vergebens. „Versucht, nicht im Sand steckenzubleiben“, fordert Mike. „Das bringt nur unseren Zeitplan durcheinander.“ Doch es kommt, wie es kommen muss: Die rasant steigende Flut hat den Strand so durchnässt, dass wir den Grip verlieren und einsinken. Gasgeben ist zwecklos – wir müssen uns den Weg freischaufeln.Mit bloßen Händen baggern wir die Reifen der Wagen frei und lassen Luft aus ihnen, um dem Sand mehr Angriffsfläche zu bieten. Es klappt! Gerade noch rechtzeitig verlassen wir die Sandbank, bevor die Flut unsere Pläne durchkreuzen kann. „Habt ihr gut gemacht, Jungs“, lobt Mike Horn.

Die Nacht bricht früh herein, denn zurzeit ist Winter im südlichen Afrika. Die Temperaturen fallen auf zehn Grad Celsius, und wir beziehen unser Nachtlager. Am Lagerfeuer erzählt Mike, wie er einmal aus einem Gefängnis in Westafrika ausbrach, nachdem er dem Wärter mit einer List das Maschinengewehr abgenommen hatte. Oder wie er sich an die Fersen eines Dorfbewohners heftete, der ihn mit einer Machete töten wollte. Der Mann hatte beobachtet, wie Mike sein Lager aufschlug – Fremde waren damals Freiwild im Kongo. Nachts wartete Mike vor der Haustür des Mannes, bis der aus seiner Hütte trat. Mike schlug ihn nieder, band ihn an den nächsten Baum und floh.

Wie oft er hätte draufgehen können, weiß Mike nicht. Dafür ist ihm bei seinen Expeditionen schon zu viel widerfahren. Am Nordpol überfiel ein Eisbär sein Lager, setzte sich auf das Zelt, in dem Mike gerade schlief, und machte sich über seine Vorräte her. Mike ließ ihn gewähren. Das rettete sein Leben. In eine fast noch bedrohlichere Situation geriet er während des Bürgerkriegs im Kongo. Dort hielt man ihn für einen Spion, da er sich bei seiner Äquator-Tour zwischen den verschiedenen Rebellen-Territorien bewegte. Er wurde vor ein Todeskommando gestellt, das bereits die Kalaschnikows auf ihn richtete. Horn entkam nur deshalb der tödlichen Kugel, weil sich ein Polizist für ihn einsetzte und den Fall zur Staatsangelegenheit erklärte. Alles nur glückliche Zufälle?

„Ich glaube nicht wirklich daran“, sagt Mike Horn. „Meistens entscheidet die Planung über Glück oder Unglück.“ Seine Expeditionen jedenfalls plant Horn akribisch, liest alle Biografien und Tagebücher der großen Pioniere und Entdecker, die vor ihm an seinen Zielorten unterwegs waren. Ehrfürchtig spricht er über Sir Robert Scotts tragischen Tod am Südpol, über Kannibalismus in Adolphus Greelys Mannschaft, als ihr in der Arktis die Vorräte ausgingen. „Ein Mensch tut alles, um am Leben zu bleiben. Wirklich alles.“ Erfahrungen seien in der Wildnis die einzige Überlebensgarantie. „Als meine Finger erfroren, lernte ich daraus eine Menge für meine späteren Expeditionen. Ich muss Fehler machen, um zu überleben.“

Am nächsten Morgen brechen wir früh auf, denn wir haben 500 Kilometer auf unwegsamem Gelände zu bewältigen. Selbst für Offroader wie unsere Mercedes-Benz G 350 kein leichter Weg ins Landesinnere. Immer wieder müssen wir halten. Das hohe Tempo auf den Sand- und Schotterpfaden geht ganz schön auf die Reifen. Zwar haben wir genügend Ersatzreifen parat, doch wir verlieren wertvolle Zeit, denn Nachtfahrten sind ein gefährliches Unterfangen in der Namib-Wüste: Nicht selten springen Antilopen und Kudus, von den Scheinwerfern angezogen, in die fahrenden Wagen, wodurch es hier immer wieder zu tödlichen Unfällen kommt.

Nach zwölf Stunden Fahrt sind wir nur noch wenige Kilometer von unserem nächsten Checkpoint entfernt, doch die Nacht ist angebrochen, wir sind müde und verirren uns immer wieder in der Dunkelheit. Unsere Walkie-Talkies sind ausgefallen. Als wir halten, um uns über den richtigen Weg abzustimmen, tritt etwas riesiges Schwarzes aus der Nacht ins Scheinwerferlicht – eine Gruppe Elefanten. Ein Augenblick, so magisch wie gefährlich, denn ein Kalb gehört zu der Herde. Und einen Augenblick später bewegt sich auch schon ein etwa drei Meter hoher Elefantenbulle auf uns zu. Betrachtet er uns als Gefahr für das Kalb? In diesem Moment springt Mike, der ein paar Meter vor uns hält, aus seinem Mercedes und läuft auf uns zu: „Elefanten! Macht genau, was ich euch sage, sonst wird’s ernst. Fahrt langsam etwas rückwärts, zeigt ihnen Respekt!“ Er hastet zurück zu seinem Wagen und tut das genaue Gegenteil: In Schrittgeschwindigkeit nähert er sich prüfend dem Bullen, der uns demonstrativ den Weg blockiert. Mike Horn ist unser Leitbulle. Und jetzt müssen sich mal kurz die Chefs miteinander abstimmen. Zum Glück lässt der Elefant seine Ohren angelegt – ein gutes Zeichen. Wir dürfen passieren.

Als wir das sichere Lager erreichen und unsere Zelte beziehen, bleibt nur noch eine Frage zu klären: Kennt Mike Horn überhaupt Angst? „Angst ist ein wichtiger Instinkt, auf den man hören sollte“, sagt er. „Doch man darf sich von ihr nicht lähmen lassen. Ich habe gelernt, sie zu kanalisieren.“ Am nächsten Morgen nehmen wir Abschied im Dorf Opowu, wo die Cessna nach Windhoek, Namibias Hauptstadt, startet. Zurück in die Zivilisation. Während dort unsere Reise endet, geht es für Mike Horn weiter nach Botswana – auf der Jagd nach dem nächsten Abenteuer.