Inhalt
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- Editorial
- Making-of
- Leserbriefe
- Berater
- Impressum
- Bezugsquellen
- (v. hinten) Witze
- (v. hinten) Cartoon
Ich war etwa zwölf Jahre alt, als ich die goldene Regel jedes Schulhofs lernte: Wer bei einer Prügelei zuerst zuschlägt, gewinnt. Nun, 14 Jahre später, gehe ich unruhig in einem Boxring auf der Frankfurter Kirmes auf und ab und frage mich: Gilt sie auch hier? Um mich herum stehen etwa 50 Zuschauer auf dem Schotterboden eines Zelts und verfolgen, wie mein Gegner durch die Seile steigt. „Mario Martini aus Rom“, so wurde er angekündigt. Krumme Nase, blaue Augen, Boxerschnitt. Wenn ich ihn k. o. schlage, bekomme ich 50 Euro.
Es ist überraschend still im Zelt. Meine Hände schwitzen in den klobigen Handschuhen, und ich spüre, dass Knie tatsächlich weich werden können. Ein Pfiff eröffnet den Kampf und verwandelt meine Angst in Adrenalin. Wenn meine Faustregel zutrifft, sieht es gut aus für mich. Denn der erste Schlag gehört mir. Ich dränge meinen Gegner in die Ecke, drehe die Hüfte ein – wie ich es vor Jahren mal im Boxtraining gelernt habe – und setze einen linken Haken an seine Schläfe. Batz! Die Zuschauer grölen, einer schreit: „Gib ihm.“ Irgendwie doch Schulhof. Zumindest für einen Moment. Dann holt Mario aus.
Mario gehört einer fast ausgestorbenen Zunft an. Er ist Kirmesboxer. Sein Arbeitsplatz heißt „Fightclub“: eine von nur noch zwei Boxbuden in Deutschland und mit Sicherheit die schillerndste. Nicht zuletzt wegen ihres Besitzers, Karl-Heinz „Charly“ Schultz.
Er sieht aus wie eine Mischung aus Schlagerbarde und Zuhälter. Ein rotblondes Toupet ziert seinen roten Kopf. Er trägt eine Brille ohne Fassung und am Handgelenk eine große Golduhr. Im Zelt hinter seiner Bude können Jahrmarktbesucher wie in alten Tagen gegen echte Boxer antreten und absahnen. Wer einen Kämpfer k. o. schlägt, bekommt Preisgeld. 500 Euro für Schultz’ stärksten Mann, 50 für den schwächsten. Ich will den Versuch wagen und tauche ein in eine Welt großer Töne und platter Nasen.
Es ist ruhig an diesem Freitagnachmittag auf der Kirmes. Schultz steht auf einem Podest zwischen abgenutzten Sandsäcken und schließt sein Mikrofon an, es knackt. Dann wickelt er ein Spucktuch darüber und beginnt mit heiserer Stimme die Werbetrommel zu rühren: „Keine Wahrsagerin, keine Medusa könnte Ihnen sagen, was sich hier und heute in Frankfurt abspielt. Sie sind hier nicht im Kino, bei uns steht ein Boxhochring im Zelt.“
Neben Schultz haben sich seine Boxer aufgereiht und schauen grimmig. Die Szenerie erinnert an einen Sklavenmarkt. Schultz geht zwischen seinen Kämpfern auf und ab. Er redet sie klein, wenn ihm, wie jetzt, die Herausforderer fehlen, oder groß, wenn die Massen vor seiner Bude stehen. Bisher hat sich noch kein Freiwilliger gemeldet.
„Haste keine Eier oder was?“, raunzt Schultz einen jungen Mann im Publikum an. Der dreht mit seiner Freundin im Arm kopfschüttelnd ab. „Was ist aus den deutschen Männern geworden“, setzt Schultz nach, „wenn die Frauen schon das Sagen haben?“ Das Paar läuft unbeirrt Richtung Zuckerwattestand. Einige Schaulustige lachen. Doch keiner will jetzt boxen. Die Kämpfe werden auf den Abend verschoben.
„Du halbes Hähnchen willst also boxen?“, begrüßt mich Schultz, nachdem er vom Podest herabgestiegen ist. Charmant. Wir nehmen im Bierzelt gegenüber seiner Bude Platz. Schultz ist Schausteller, Ex-Boxer und vor allem: Geschäftsmann. Seine Kasse klingelt seltener, seit die Hightech-Fahrgeschäfte die „verweichlichten Männer“ mit komfortablen, TÜV-geprüften Adrenalin-Erlebnissen versorgen. Ein Kampf im „Fightclub“ geht über zwei Runden à eine Minute, erklärt er. Zu viel für die meisten. Das Schwerste an seinem Job sei es, Herausforderer zu finden. „Heute will sich keiner mehr quälen.“
An Zuschauern mangelt es hingegen selten. Der Retro-Trend hilft auch dem Schaustellergewerbe. „Sie wollen uns wieder“, sagt Schultz und meint damit die Jahrmarktverwaltung. „Deshalb bekomme ich günstigere Standgebühren als andere.“ Seine Bude ist Kult. Die größte Menschentraube dieser Kirmes wird heute Abend vor dem „Fightclub“ stehen. Und Schultz weiß, es liegt auch an ihm. An seinen Sprüchen, seinen Geschmacklosigkeiten und an seiner Geschichte.
"Muhammad Ali sagte zu mir: 'Haare kürzer, Bart ab, und pass auf mit den Weibern'"
Karl-Heinz „Charly“ Schultz
Früher war er selbst Profi. „Der Mann mit Dynamit in den Fäusten“, schrieb die Presse über den heute 62-Jährigen. Er hat ein Album voller Erinnerungsstücke mitgebracht. Zeitungsberichte, Bilder, sogar Fanpost. Im Halbschwergewicht stand er auf Listenplatz zwei in Deutschland, 1979 kämpfte er im Vorprogramm von Muhammad Ali in Berlin. „Für mich der Höhepunkt meiner Laufbahn“, sagt Schultz, der den Jahrhundertboxer in der Kabine traf. „Ali sagte zu mir: ,Haare kürzer, Bart ab, und pass auf mit den Weibern.‘“ Schultz grinst vielsagend.
Als Sohn eines Schaustellerehepaars kam er 1957 in Saarbrücken zur Welt. Seine Eltern erlebten die Glanzzeiten der Kirmeskultur. Mit „Abnormitätenshows“ wie „Karabas dem Viehmenschen“ oder der „schwebenden Jungfrau“ brachten sie es zu einem kleinen Vermögen. „Mein Vater hatte irgendwann drei Bierzelte, zehn Rennpferde und fuhr abwechselnd Jaguar und Mercedes.“ Schultz aber weigerte sich zuerst, in die Fußstapfen der Eltern zu treten. „In der Schule wollte ich nicht lernen, ich wusste ja, dass ich Berufsboxer werden will“, sagt er. Und das wurde er auch. Saarlandmeister, Internationaler Luxemburgischer Meister, Südwestdeutscher Meister. „Die Veranstalter hatten Schwierigkeiten, Gegner für mich zu finden“, erzählt Schultz. „Einem habe ich das Jochbein und den Kiefer gebrochen, der hat nie wieder geboxt.“ Er macht einen Haken vor, drückt mir dabei seine klobige Faust ins Gesicht.
Beinahe qualifizierte er sich damals für einen Kampf um die Deutsche Meisterschaft. „Hätte ich diesen Kampf nicht verloren, wäre ich heute vielleicht in Las Vegas“, sagt er. Nach 14 Profi-Kämpfen aber brach Schultz sich die Mittelhand. Karriereende. Der Dynamit-Boxer musste sich etwas einfallen lassen und besann sich auf die Familientradition. Seit 1985 tourt er jetzt von einem Rummel zum anderen. Losbuden statt Las Vegas, Cannstatt statt Casino.
Mittlerweile ist es Abend geworden. Schultz steht wieder auf der Bühne. Diesmal läuft es besser. Innerhalb von zehn Minuten hat er vier Herausforderer gefunden, die er zu sich nach oben ruft. Jeder muss ein Paar Schläge in den Sandsack donnern, wird kurz nach seinen Erfahrungen gefragt, und Schultz spinnt daraus eine Geschichte. „Ahmed will sich den Dubai-Urlaub finanzieren, 500 Euro Prämie“, schreit Schultz ins Mikrofon und zeigt auf den Mittzwanziger im Wollpulli. „Wenn er alle meine Männer k. o. schlägt, setzt es 2000 Euro“, lockt er und wedelt mit Geldscheinen. Ahmed steht neben mir auf dem Podest. Schnell wird klar: Ihm geht es nicht ums Geld. Der wahre Grund für seinen Einsatz steht im Publikum. Seine Freundin schaut von unten zu ihm hinauf, und ihr Blick soll Ahmed wohl Mut machen. In Wahrheit sieht sie ganz schön besorgt aus.
Nervös fragt Ahmed: „Hattest du schon mal einen Boxkampf?“ Ich schüttle den Kopf. Ahmed auch nicht. „Glaubst du, die können was?“ Er blickt zu den jungen Männern, die mittlerweile die Sandsäcke vor uns bearbeiten. „Jap“, antworte ich knapp. Was er nicht weiß: Die Jungs vor uns sind allesamt aufstrebende Boxtalente aus Polen. Mit mir sprechen wollen sie nicht. „Aus Selbstschutz“, wie Charly Schultz mir am Nachmittag erzählt hat. Alle erhoffen sich eine Boxkarriere. Und die Verbände sehen es nicht gern, dass ihre Schützlinge gegen Geld auf Rummel-Besucher eindreschen. Wer es trotzdem tut, dem droht ein Jahr Turniersperre.
Was motiviert die Boxer dann, für Schultz zu arbeiten? Fragen zu den Gagen seiner Mitarbeiter lehnt er ab. Nur so viel: „Meine Boxer betrachten den ,Fightclub‘ als Sprungbrett.“ Viele Kämpfe, viele Städte, das sei eine gute Möglichkeit, entdeckt zu werden. Nicht zuletzt weil immer wieder ganze Boxvereine vor der Bude aufmarschierten. Tagsüber trainieren Schultz’ Preisboxer, abends verprügeln sie Typen wie mich, und danach geht’s zum Schlafen ins Hotel.
Wir werden ins Zelt gebeten. Bandagen und Mundschutz gibt es für die Herausforderer nicht. Als ich danach frage, antwortet Schultz: „Soll ich Ihnen vielleicht noch eine Binde geben?“ Ein Blick auf meine Boxhandschuhe erleichtert mich aber: 18 Unzen. Das ist riesig. Ein Kieferbruch oder ein ausgeschlagener Zahn ist damit fast ausgeschlossen. Normale Wettkampfhandschuhe wiegen 10 Unzen.
Während Schultz am Eingang fünf Euro Eintritt verlangt, mache ich mich mit den anderen Herausforderern warm. Besser gesagt: Wir bewegen uns so, wie wir denken, dass Boxer sich warm machen. Sind Sie schon mal beim heimlichen Schattenboxen vor dem Badezimmerspiegel erwischt worden? In etwa so angenehm ist es, sich als Laie vor Publikum „einzuboxen“. Ahmed muss als Erster ran. Sein Gegner: „Joe Buckner aus London“, so hat Schultz ihn getauft, doch „Joe“ sieht eher aus wie ein Hooligan aus Krakau. Ich möchte nicht in Ahmeds Haut stecken, als er die letzten Aufwärmrunden im Ring dreht.
"Wir sind nicht unbesiegbar. Hin und wieder muss ich auch eine Prämie auszahlen"
Karl-Heinz „Charly“ Schultz
Dann kurzes Abklatschen und Anpfiff – Ahmed stürmt auf seinen Gegner zu. Das Publikum belohnt seinen Eifer mit lautem Jubel. Erstaunlich viele Frauen und Paare sind unter den Zuschauern. Und erstaunlich viele sehen nicht so aus, wie man sich die Besucher eines Kirmeskampfs vorstellt. Outdoor-Jacken-Trägerinnen mit Hornbrillen werden zu kreischenden Boxfans. Vielleicht zieht Gewalt einfach? Ahmed Ahmed drischt Salven in die Deckung seines Gegners. Einige Schläge finden sogar den Weg zu dessen Kopf. Doch meistens weicht „Joe“ aus, setzt zwei, drei gezielte Schläge und zieht sich wieder zurück. Er spielt mit Ahmed.
Die erste Runde dient dem Spannungsaufbau. „Wenn jemand normal boxt, machen wir langsam“, hat Schultz mir erklärt, „wenn wir alle zertrümmern, verdienen wir kein Geld mehr.“ Ahmed scheint zu den normalen Boxern zu gehören. In der zweiten Runde sieht es schlechter aus für meinen Leidensgenossen. Er muss ganz schön einstecken. Sein linkes Auge schwillt zu, und kurz bevor die polnische Schlagmaschinerie Betriebstemperatur erreicht hat, pfeift der Ringrichter ab.
Ahmed trottet mit hängendem Kopf zurück zu seiner Freundin. Das Publikum ist zufrieden. Immerhin hat einer von beiden trotz dicker Handschuhe richtig auf die Mütze bekommen: der Beweis, dass es sich nicht um abgekartete Showkämpfe handelt, wie einige Zuschauer anfangs mutmaßten. Immer wieder wurden Ahmed und ich an diesem Abend gefragt, ob wir mit Schultz unter einer Decke stecken. „Übertreibung ist Teil meines Geschäfts“, gibt Schultz zu. Seine Boxer stecken ein, damit das Publikum unterhalten wird. Aber gehören dazu auch komplett gestellte Kämpfe? „Mein lieber Mann, wenn Sie ein bisschen Geschäftsmann sind, können Sie sich die Frage selbst beantworten.“
Wenn sich kein Fremder meldet, muss die Show schließlich weitergehen. Also werden Lockvögel eingesetzt. An diesem Abend sind zwei von acht Kämpfen offensichtlich gestellt. Doch auch die sechs echten Herausforderer haben Chancen. „Wir sind nicht unbesiegbar“, sagt Schultz. „Hin und wieder muss ich eine Prämie auszahlen, auch in Frankfurt schon.“ Wenn einer seiner Boxer k. o. geht, zieht Schultz ihm etwas von der Gage ab. „Sonst könnten meine Leute ja halbe-halbe mit den Herausforderern machen.“Nun bin ich an der Reihe. Mit unsicheren Schritten klettere ich über eine wackelige Holzleiter in den Ring und warte einsam auf meinen Kontrahenten. Die wenigen Sekunden erscheinen mir ewig. „Keine Angst, den haust du um!“, ruft jemand aus dem Publikum. Aber natürlich.
Dann der Anpfiff und mein erster Schlag. Hoffnung keimt in mir auf. Doch „Mario Martini aus Rom“ wird wütend. Er platziert eine rechte Gerade direkt auf meiner Stirn. Das Publikum raunt mitleidig. Mögen die mich etwa? Nein, die wollen nur „Mario“ fallen sehen. Nach 30 Sekunden habe ich den Jubel, die „Fick ihn“-Rufe und die Handy-Kameras ausgeblendet. Der Kampf ist ausgeglichen, und ich merke, wie ich Gefallen an dieser Form der Gewalt finde. Es fühlt sich gut an, Mario ins Gesicht zu schlagen. Wer einmal von der süßen Frucht des Austeilens genascht hat, will mehr. Also gebe ich weiter Gas – und vergesse, dass die Quittung beim Kirmesboxen erst in Runde zwei kommt.
Kurze Pause, dann der Anpfiff zu meiner zweiten Minute im Ring. Ich werde unvorsichtig und Mario besser. Jede meiner Kombinationen beendet er abrupt mit einem Schlag zum Kopf. Zweimal verpasst er mir eine Linke, bei der ich das Gefühl habe, spüren zu können, wie mein Gehirn an der gegenüberliegenden Innenseite meiner Schläfe aufschlägt. Ich wehre mich nach Kräften, werde wütend, will ihm in die Fresse schlagen und laufe in eine harte Rechte. So muss sich ein Auffahrunfall anfühlen. Meine Sicht – verzerrt.
Schultz springt zwischen uns, schaut mir in die Augen. Weiter geht’s. Wie lange noch? 20 Sekunden? Es wird wild, wir schlagen einander abwechselnd ins Gesicht. Dann der Schlusspfiff.Ich stakse unsicher durch die Ringseile. Ein Gefühl von Stolz macht sich in mir breit. Ich habe meinen Mann gestanden. Einen Mann, den ich unter normalen Umständen gar nicht zugelassen hätte. Den es heutzutage nicht mehr braucht. Einen Mann wie Schultz’ Boxbude selbst: überholt, testosteronschwanger, archaisch – es macht trotzdem Spaß, mal dieser Mann zu sein.
Als ich vom Ring herabsteige, erklärt Charly Schultz mich noch kurz zum Sieger nach Punkten. Aber selbst unter dem Einfluss meines anwachsenden Endorphin-Rauschs kaufe ich ihm das nicht ab. Mit leuchtenden Augen kommt er auf mich zu: „Und wie war’s?“ – „Super Erfahrung!“ – „Wie wär’s mit ’ner zweiten Runde?“ – „Nee, lassen Sie mal.“ Auf dem Schulhof gab es noch eine wichtige Regel: Kenne deine Grenzen.
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