Inhalt
First Lady: Schauspielerin Daisy Ridley alias Rey
Der Unergründliche: Star-Schurke Adam Driver
Sternenkunde: Wissen über die Macht
Ein guter Monat für: Wild-Liebhaber, Uhren-Sammler und nostalgische Rock-Fans
20 Fragen an . . . Stones-Gitarrist Ronnie Wood
Männerbar: Schaumwein & Schampus
Männerküche: Kalbsfilet von Harald Wohlfahrt
Reise: Zwölf Ziele für zwölf Monate
Pro & Contra: Gute Vorsätze
Motor: Der neue BMW X6
Playboy-Umfrage des Monats: Wer ist Deutschlands Mann des Jahres 2019?
Der perfekte Gentleman 2020: Passen die alten Tugenden noch zum modernen Mann? Unsere Autorin unterzieht ihn einem Charakter-Test
Jäger der verlorenen Schiffe: David Mearns gilt als einer der besten Wracksucher des Planeten. Porträt eines Mannes, der den Ozeanen Geheimnisse abringt
Geschenke für ihn: Was Männer wirklich wollen
Geschenke für sie: Wie Sie Frauen erfreuen
Sex-Trends 2020: Was ist im Kommen? Von A wie Audio-Erotik bis Z wie Zwanzigerjahre-Revival
Tagebuch einer Verführerin: Sex-Kolumnistin Sophie Andresky über Paarung mit Panda-Typen
Der Strom-Schnelle: Testfahrt im Porsche Taycan
Tobias Moers: Der Mercedes-AMG-Chef über Erfolg und Zukunftspläne der Edelschmiede
Mein Schlitten & ich: Klaus Borrmann und seine Chevrolet Corvette ZHZ
Zum Jahreswechsel feiern unsere Playmates 2019 in einer Jagdhütte in den Bergen den Saisonstart: Wer dabei den Vogel abschießt? Sehen Sie selbst! (Teil II ab Seite 110)
Aktion: „Playmate des Jahres“-Wahl: Machen Sie mit, und gewinnen Sie Preise im Gesamtwert von mehr als 50.000 Euro
Playmate: Unsere Miss Januar Natalia Andreeva relaxt an der Küste Portugals, wo unsere Fotografin Ana Dias sie vor die Kamera bat
Woody Allen: Der Regisseur über Gags fürs Ego, Angst vor dem Tod – und wie er damit umgeht, dass sich Schauspieler von ihm distanzieren
Mantel-Mode: Sechs Winter-Outfits, mit denen Sie in der kalten Jahreszeit Stil beweisen
Bad-Basics: Pflege-Assistenten, die vor dem Badezimmerspiegel nicht fehlen sollten
Wladimir Kaminer: Der deutsch-russische Schriftsteller („Russendisko“) über Fußball, Flüchtlinge, Groupies und Dostojewskis Bart
Literatur, Musik & Kino: Das Beste dieses Monats
- Editorial
- Making of
- Leserbriefe
- Berater
- Witze
- Cartoon
- Impressum
- Bezugsquellen
- Playboy Classic
Piper PA-46
Nordsee, 2019
David Mearns sitzt im Auto, als er im Radio die Nachricht hört. Es ist Ende Januar 2019. Vor vier Tagen ist das Privatflugzeug, in dem Emiliano Sala, argentinischer Stürmer und 17-Millionen-Neuzugang des englischen Fußballclubs Cardiff City, unterwegs war, über dem Ärmelkanal vom Radar verschwunden. Von Sala und dem Piloten, den einzigen zwei Personen an Bord, fehlt seitdem jede Spur. Nun, so heißt es in den Nachrichten, wird die Suche nach Überlebenden abgebrochen, womöglich auch die Suche nach dem vermutlich abgestürzten Flugzeug.
Mearns denkt kurz nach. Dann ändert er seine Route. Er fährt nicht nach Hause, sondern in sein Büro. Etwa 15 Minuten sitzt er vor seinem Computer, dann ist er sich sicher. Mearns ruft bei der argentinischen Botschaft in Großbritannien an: Er könne helfen, das Wrack zu finden, er würde es kostenlos tun, er sei zuversichtlich. Einen Tag später trifft er in Cardiff Salas Angehörige. Sie bitten ihn, die Suche nach dem Wrack anzugehen. Es könnte ihnen Gewissheit über den Verbleib Emilianos verschaffen. Und helfen, den Absturz aufzuklären.
Mearns fliegt auf die Kanalinsel Guernsey. Er spricht mit den Männern der Küstenwache, die nach dem Flugzeug gesucht haben, und mit Fischern, die Strömungen und Meeresboden vor Ort kennen. Er besorgt ein Schiff und ein Sonargerät, das Salas Familie mit einer Spendenkampagne finanziert. Er stellt Berechnungen an. Neun Tage nachdem Mearns angeboten hat, das Flugzeug zu finden, fährt er auf den Ärmelkanal hinaus, um es zu suchen. Er braucht zwei Stunden. Dann hat er die Piper PA-46 lokalisiert. Sie liegt auf dem Meeresboden. Darin die Leiche von Emiliano Sala.
Einige Monate später sitzt David Mearns, 61, unter einer Dachschräge in seinem Arbeitszimmer im südenglischen 5000-Einwohner-Städtchen Midhurst, rund 50 Autominuten von der Küste entfernt. Hinter ihm Bücherregale, Aktenordner und gerahmte Urkunden, darunter allein drei mit „Guinness World Records“-Emblem. Man hätte einen Mann mit seinem Beruf in einem Büro am Meer erwartet, aber er hat mittlerweile einen Status erreicht, in dem die Nähe zu Flughäfen wichtiger ist als die zu Häfen. „Von hier aus bin ich in unter einer Stunde in Gatwick und Heathrow“, sagt er. Und von dort aus schnell in aller Welt.
Mearns ist einer der renommiertesten Wracksucher des Planeten. Er hat rund zwei Dutzend bedeutende Schiffswracks gefunden und hielt über Jahrzehnte hinweg den Weltrekord für das tiefste jemals entdeckte. Er hat mit seinen Funden, von denen er in seinem Buch „The Shipwreck Hunter“ erzählt, dabei geholfen Kriminalfälle aufzuklären und einige der großen Rätsel der Schifffahrtsgeschichte zu lösen. Und wenn heute irgendwo auf der Erde etwas von Bedeutung im Meer verschwindet, klingelt oft bald darauf sein Handy.
Sein erstes großes Wrack: Die "Lucona" - Wichtigstes Beweismittel in einem Mordprozess
Nach dem Absturz der Air-France-Maschine AF447 über dem Südatlantik meldeten sich britische und französische Behörden bei ihm. Sie fanden sie später dort, wo er zu suchen empfohlen hatte. Nach dem Verschwinden der Malaysian-Airlines-Maschine MA370 kontaktierten ihn die Australier. Aber in diesem Fall konnte nicht mal er helfen. „Es ist schon ein verrückter Job, den ich habe“, sagt Mearns. Und ein unheimlich spannender. Mearns wuchs als Sohn eines Antiquitätenhändlers in New Jersey, USA, auf, studierte Meeresbiologie und -geologie und bediente schließlich auf einem Forschungsschiff vor der Küste Floridas zum ersten Mal ein Sonargerät. Es verwandelte die Sanddünen und Felsbrocken auf dem Meeresboden in Bilder, von denen er die Augen nicht mehr lassen konnte.
Mitte der 80er-Jahre stieg Mearns bei einer Firma ein, die Unterwasserfahrzeuge, sogenannte ROVs, betrieb, und spezialisierte sich darauf, verschollene Hubschrauber, Kleinflugzeuge oder Boote zu finden und zu bergen. Bald übernahm er größere Projekte. Die Firma wuchs, entwickelte das erste ROV, das 6000 Meter tief tauchen konnte, barg sogar eine abgestürzte 747 aus dem Indischen Ozean. Und zog schließlich einen Auftrag an Land, der Mearns’ Lebensweg entscheidend verändern sollte.
Lucona
Indischer Orzean, 1991
Es ist kurz vor Mitternacht am 29. Januar 1991, als David Mearns den umgerüsteten Frachtcontainer an Bord der „Valiant Service“ betritt und seine Schicht vor dem Sonargerät beginnt. Seit fast drei Wochen ist er mit seiner Crew auf dem Indischen Ozean unterwegs, und seit sieben Tagen zieht ihr Schiff nun über einem Areal von der Größe Londons seine Linien. Berechnungen haben ergeben, dass irgendwo in diesem Gebiet, in rund 4000 Meter Tiefe, das etwa 75 Meter lange Schiff liegen muss, nach dem sie suchen. Mearns ist nervös. Linie für Linie haben sie in den vergangenen Tagen im Stil eines Rasenmähers das Suchareal abgefahren. Erfolglos.
Mearns weiß, dass mit jeder weiteren erfolglos abgefahrenen Linie die Gefahr steigt, dass seine Mission scheitert. Er weiß auch, was das für seine Firma und ihn bedeuten könnte. Und er weiß, dass er einen österreichischen Richter an Bord hat, der jede seiner Entscheidungen genau verfolgt und zunehmend ungeduldig zu werden scheint: Mearns sucht nach dem Wrack des Frachters „Lucona“. Es ist das entscheidende Beweismittel in einem der größten Gerichtsprozesse in der Geschichte Österreichs.Während Mearns über den Indischen Ozean kreuzt, sitzt in Wien der Mann in Haft, der für den Untergang der „Lucona“ verantwortlich sein soll: Udo Proksch.
Ihm wird Ungeheuerliches vorgeworfen. Proksch soll das Schiff für den Transport einer Uranerzmühle nach Fernost gechartert und die Fracht für 15 Millionen Euro versichert haben. Statt der teuren Anlage, so der Vorwurf, habe er jedoch Industrieschrott auf den Frachter verladen – sowie eine Zeitbombe. Diese habe den Untergang des Schiffs am 23. Januar 1977 nördlich der Malediven verursacht, bei dem sechs Menschen ums Leben kamen. Das Motiv: Versicherungsbetrug. Proksch war jahrelang eine der schillerndsten Persönlichkeiten der österreichischen Gesellschaft und pflegte enge Kontakte zu Politikern. Weil einige von ihnen ihm dabei geholfen haben sollen, über Jahre hinweg der Strafverfolgung wegen des Untergangs der „Lucona“ zu entgehen, hat sich der Fall Proksch zu einer Affäre ausgewachsen, die in Österreich als Jahrhundertskandal gilt.
Nun, im Winter 1991, steht Proksch endlich vor Gericht. Er bestreitet, etwas mit dem Verschwinden der „Lucona“ zu tun zu haben, und erklärt, eine Mine oder ein Torpedo könnte zu ihrem Untergang geführt haben. Die entscheidenden Fragen in dem Prozess lauten nun: Welche Fracht hatte die „Lucona“ wirklich an Bord? Und war es tatsächlich eine Bombe, die zu ihrem Untergang geführt hat? Mearns hat den Auftrag, sie zu beantworten. Um 5.01 Uhr morgens beginnt Mearns’ „Valiant Service“ damit, die fünftletzte der insgesamt 13 präzise geplanten Linien über dem Suchareal abzufahren. Mearns sitzt vor dem Bildschirm des Sonargeräts und bewegt den Kopf vor und zurück: nah ran, wenn etwas Interessantes auftaucht, zurück, wenn das Schiff über nichts als flachen Meeresboden fährt. Er macht das seit einer Woche so, zwölf Stunden am Tag.
Plötzlich zeichnet sich auf dem Bildschirm ein gelbes Rechteck ab. Er rückt näher ran. War das ein Felsen? Kurz darauf: wieder gelbe Flecken, diesmal eine ganze Reihe. Mearns starrt auf das Bild. Ein weiterer großer gelber Fleck taucht auf – und Mearns springt von seinem Stuhl. „Wir haben das Wrack gefunden!“ Einige Tage später bestätigen die Bilder eines ROVs, dass es sich bei dem Wrack in 4192 Meter Tiefe um die „Lucona“ handelt. Sie hatte tatsächlich Industrieschrott geladen. Den wichtigsten Beweis aber liefern einige nach außen gebogene Teile der Mantelbeschichtung. Sie belegen, dass die Explosion, die das Schiff zum Sinken brachte, vom Inneren der „Lucona“ ausgegangen war.
Udo Proksch wird zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt, er stirbt 2001 in Haft nach einer Herzoperation.„Ich war während der ‚Lucona‘-Suche extrem angespannt und hatte das Gefühl, es wäre mein persönlicher Fehler, wenn wir sie nicht finden“, sagt Mearns in seinem Büro. „Aber wenn du dann mal bewiesen hast, dass du so etwas kannst – eine Suche in mehr als 4000 Meter Tiefe, das konnten Anfang der 90er vielleicht fünf Menschen –, kommen immer neue Aufträge – und damit neue Chancen, dich zu beweisen.“
Und Mearns, der Mitte der 90er nach Großbritannien umzieht, reiht in den folgenden Jahren einige aufsehenerregende Erfolge aneinander. 1996 entdeckt er mit dem 1944 vor der Ostküste Brasiliens gesunkenen deutschen Blockadebrecher „Rio Grande“ das zum damaligen Zeitpunkt tiefste jemals gefundene Wrack (5762 Meter) und erhält dafür einen Eintrag ins Guinnessbuch der Rekorde. 2001 macht er sich im Auftrag eines britischen Fernsehsenders erfolgreich auf die Suche nach dem legendären britischen Kriegsschiff „Hood“, das 1941 im Nordatlantik von der „Bismarck“ versenkt wurde.
Sieben Jahre später wird er in Australien zum gefeierten Mann, weil er das Wrack des 1941 auf rätselhafte Weise verschwundenen Kreuzers „Sydney“ findet. Das Kriegsschiff mit 645 Mann an Bord war 1941 nach einem Aufeinandertreffen mit der kleineren und an Kampfkraft deutlich unterlegenen deutschen „Kormoran“ gesunken. Deutsche Überlebende berichteten, sie hätten die „Sydney“ in einem Gefecht aus naher Distanz zum Sinken gebracht, bevor die „Kormoran“ selbst untergegangen sei. Überlebende aufseiten der „Sydney“, die das hätten bestätigen können, gab es nicht.
Sein großes Ziel: Die "Endurance" - Für ihn der heilige Gral der Wrackjäger
Weil eine Niederlage der „Sydney“ zu unplausibel erschien und ihr Wrack jahrzehntelang verschwunden blieb, entstanden zahlreiche Verschwörungstheorien, denen zufolge beispielsweise die Deutschen mit verbotenen Täuschungsmanövern gearbeitet hätten oder ein japanisches U-Boot in das Gefecht verwickelt gewesen sei. Als Mearns die „Sydney“ schließlich 66 Jahre nach ihrem Verschwinden auf dem Grund des Indischen Ozeans findet, kann anhand der Schäden am Wrack rekonstruiert werden, dass die Version der Deutschen wohl stimmt. Der Grund für die Niederlage der „Sydney“ lag offenbar darin, dass deren Kapitän die „Kormoran“ für unverdächtig gehalten und zu nah an die „Sydney“ herangelassen hatte. Als die „Kormoran“ plötzlich aus kurzer Distanz feuerte, landete sie schnell verheerende Treffer. Hinter jedem Fund, mit dem Mearns glänzt, stecken teils jahrelange Recherchen, langwierige Vorbereitungen und die Erfahrung von Jahrzehnten auf See.
„Ich könnte Ihnen innerhalb einer Woche beibringen, ein Sonargerät zu benutzen und einen Großteil meines Wissens mit Ihnen teilen. Aber ob Sie das dann auf See umsetzen können, mit dem Druck, mit der Verantwortung, mit den Unwägbarkeiten, das ist eine andere Frage.“ Suchexpeditionen auf hoher See sind teuer. So teuer, dass Mearns häufig nur einen einzigen Versuch hat. „Es gibt einen psychologischen Aspekt bei der Wracksuche, den man nicht unterschätzen darf. Im Grunde kennt das jeder: Du verlierst einen Schlüssel, findest ihn aber nicht dort, wo es dir plausibel erscheint, und beginnst an dir zu zweifeln. Dann sagt auch noch einer: Ich glaube, ich habe ihn ganz woanders gesehen, und du wirst immer verwirrter. Jetzt stellen Sie sich vor, das geschieht auf See, wo jeder Tag extrem teuer ist und du eine Mannschaft führen musst, die womöglich auch zu zweifeln beginnt.“ Was in solchen Situationen hilft? „Du musst perfekt vorbereitet sein, die bestmöglichen Informationen haben. Darum ist die Recherche extrem wichtig.“ Und manchmal, wie im Fall der „Athenia“, ist sie sogar noch hilfreicher als erwartet.
Athenia
Nordatlantik, 2006
Die Geschichte der „Athenia“ ist die Geschichte einer der tragischsten Fehlentscheidungen auf See während des Zweiten Weltkriegs. Am Nachmittag des 3. September 1939, zwei Tage nachdem Hitlers Armee in Polen einmarschiert ist, und nur wenige Stunden nachdem Großbritannien Deutschland den Krieg erklärt hat, ist das Schiff nördlich von Irland unterwegs. An Bord sind 1418 Menschen, darunter sehr viele Frauen und Kinder. Sie fliehen vor dem beginnenden Krieg in Europa. Ihr Ziel: Kanada. Um nicht zum Ziel möglicher Angriffe zu werden, sind sämtliche Fenster des Schiffes abgedunkelt, zudem fährt es einen Zickzackkurs. Zur selben Zeit patrouilliert das deutsche U-Boot „U 30“ die Gewässer vor Irland.
Als der 26 Jahre alte deutsche Kapitän Fritz-Julius Lemp die „Athenia“ entdeckt, kann er das Schiff nicht eindeutig einordnen. Wenn es ein ziviler Passagierdampfer ist, wieso ist er dann abgedunkelt und fährt einen Zickzackkurs? Handelt es sich womöglich um einen Hilfskreuzer der Royal Navy oder ein bewaffnetes Handelsschiff? Statt sich Gewissheit zu verschaffen, trifft Lemp eine katastrophale Entscheidung. Um 19.38 Uhr lässt er die ersten beiden Torpedos abfeuern.
Nach Kriegsende wurde schließlich bekannt, was wirklich geschehen war. Nach dem Wrack der „Athenia“ aber wurde nie gesucht. Wie immer beginnt Mearns seine Arbeit mit einer akribischen Recherche. Er durchforstet Archive, vergleicht Informationen über die letzte bekannte Position der „Athenia“, arbeitet sich durch Dokumente der deutschen Kriegsmarine. Dann erfährt er mit etwas Glück, dass irische Wissenschaftler vor Kurzem erst den Meeresboden in dem Gebiet, in dem die „Athenia“ gesunken ist, mit einem Sonargerät kartiert haben. Mearns lässt sich die Unterlagen kommen. Und tatsächlich: Er findet auf ihnen ein Objekt, bei dem es sich um die „Athenia“ handeln könnte. Ist es wirklich möglich, dass er sie von seinem Büro in Midhurst aus gefunden hat, ohne auch nur aufs Meer hinausgefahren zu sein?
Zwei Tage später fliegt er nach Dublin. Dort, bei den irischen Kollegen, die den Meeresboden untersucht haben, kann er noch präzisere Karten des Gebiets sehen. Ein Kamerateam der BBC ist dabei. Es filmt, wie Mearns die Karten studiert und das Objekt, das er für die „Athenia“ hält, mit den Daten abgleicht, die er über das Schiff recherchiert hat. Er weiß nicht nur jedes Detail über ihren Aufbau, er weiß auch, welche Schäden sie durch die Torpedos genommen hat, in welchem Bereich sie vermutlich gebrochen und mit welchem Teil zuerst sie gesunken ist. Nach etwa einer Stunde methodischen Analysierens erklärt er: „Es ist die ‚Athenia‘. Ich bin mir zu 90 Prozent sicher.“
Mearns ist hochzufrieden. Es ist ein Sucherfolg, wie er ihn noch nicht erlebt hat. Das Filmprojekt dürfte nun auf sicheren Beinen stehen und sogar günstiger werden als geplant. Aber dann, einige Wochen später, bläst die BBC das Vorhaben ab. Die Doku wird doch nicht produziert. Aus Kostengründen, heißt es. Mearns weiß bis heute nicht genau, warum. „Aufgegeben habe ich das Projekt aber nicht“, sagt er. „Ich will das Wrack der ,Athenia‘ filmen und erzählen, wie ihr Untergang die ,Battle of the Atlantic‘ losgetreten hat. Ein-, zweimal war ich kurz davor, dass es klappt. Wir werden sehen.“
Etwa ein halbes Dutzend Projekte hat Mearns auch mit 61 noch immer gleichzeitig laufen. Und für ein Wrack würde er auch noch einmal ein wirklich großes Abenteuer wagen: für das der „Endurance“. Der legendäre britische Polarforscher Ernest Shackleton segelte mit diesem Schiff 1914 in die Antarktis. In der Weddell-See wurde es von Packeis eingeschlossen und von diesem schließlich zerdrückt. Shackleton wurde durch die abenteuerliche Rettungsaktion, mit der er das Überleben sämtlicher 27 Besatzungsmitglieder sicherte, zum bis heute verehrten Krisenmanager – und die „Endurance“, nicht nur für Mearns, zu einer Art Heiligem Gral der Wrackjäger.
In seiner Biographie „The Shipwreck Hunter“ (Allen & Unwin) erzählt David Mearns die Geschichte seines abenteuerlichen Lebens und berichtet ausführlich von der Suche nach der Lucania, der Sydney, der Athenia und vielen weiteren Wracks
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