Roter Sand peitscht den Soldaten ins Gesicht. Sie rennen dem aufsetzenden Nato-Transporthubschrauber NH90 entgegen, schleppen Krankentragen und Infusionsständer zur Heckklappe und holen den ersten Verletzten heraus. Sie tragen ihn über den flimmernden Asphalt, legen ihn vor einem Sanitätswagen ab. Er stöhnt vor Schmerzen, ein Arzt beugt sich über ihn.
Minuten später hat sich das Rollfeld des Flughafens Gao in ein Notlazarett verwandelt. Ein halbes Dutzend Verletzter liegt auf dem staubigen Boden: Männer mit Schusswunden und von Splittern übersäten Körpern. Männer, die nun hektisch mit Blutkonserven und Bandagen versorgt werden. Männer, die Glück gehabt haben.
Es sind malische Soldaten. Ihr Außenposten, rund vier Autostunden entfernt, ist von Dschihadisten angegriffen worden. Sieben ihrer Kameraden sind gestorben. Sie haben überlebt. Während die Ersten in Sanitätswagen gehoben und in eine Klinik gefahren werden, steigt der Hubschrauber wieder auf. Irgendwo dort draußen in der Wüste warten weitere Verwundete auf ihre Rettung.
Die gefährlichste Mission weltweit
Mali hat nicht lange gewartet, um mich in seine Abgründe blicken zu lassen. Ich bin noch keinen Tag in Gao, einer 90.000-Einwohner-Stadt am Südrand der Sahara, als ich Zeuge dieser Szenen werde. Überraschend kommen sie dennoch nicht. Ich bin hierher gereist, um deutsche Soldaten bei ihrem Einsatz in der UN-Mission MINUSMA zu begleiten. Sie gilt als die gefährlichste weltweit. Keine fordert zurzeit mehr Opfer.
Seit die Vereinten Nationen 2013 erste Friedenstruppen nach Mali geschickt haben, um das Land zu stabilisieren, kamen mehr als 120 UN-Soldaten bei Überfällen oder Sprengstoffanschlägen ums Leben. Derzeit sind rund 13.000 Blauhelme in Mali stationiert. Darunter fast 900 Deutsche, die meisten davon in Gao im Nordwesten des Landes.
Nur in Afghanistan ist die Bundeswehr stärker vertreten. Dennoch nahm man in Deutschland vom Mali-Einsatz lange Zeit kaum Notiz. Bis im Juli dieses Jahres zwei deutsche Piloten beim Absturz ihres Kampfhubschraubers starben. Seitdem lautet die Frage: Was, bitte schön, will die Bundeswehr in dem Wüstenstaat? Und was macht den Einsatz so gefährlich?
Auf Patrouille
Vom Rollfeld des Flughafens werden die letzten Verwundeten abtransportiert. Ich klettere auf den Rücksitz eines gepanzerten Bundeswehr-Dingos. Der Wagen setzt sich in Richtung Camp Castor in Bewegung, dem deutschen Feldlager in Gao. Das Thermometer zeigt 42 Grad Außentemperatur.
Neben mir sitzt Oberstleutnant Marc P., 50 Jahre alt. Seine kurzen grauen Haare kleben an der Stirn. Wir schwitzen. Soeben hat Marc P. bei dem Rettungseinsatz geholfen, Verletzte zu tragen, nun spricht er darüber, wie wichtig es sei, gerade angesichts von Überfällen wie dem heutigen hier im Land starke Präsenz zu zeigen.
Ständig seien deshalb Späheinheiten der Bundeswehr in den Dörfern und der Savanne unterwegs. Um die Lage zu sondieren, um mit der Bevölkerung zu sprechen und um zu zeigen: Wir sind da, wir sorgen für Sicherheit. „Wäre es möglich, mit auf Patrouille zu gehen?“, frage ich.
Der Oberstleutnant sieht mich etwas skeptisch an und erkundigt sich nach meiner Fitness. Offenbar kann ich gut bluffen. Denn er sagt: „Okay, Sie können ab morgen ein paar Tage lang mit der schnellen Eingreiftruppe raus.“
Die Landschaft ist lebensfeindlich - und heiß umkämpft
Mali ist fast viermal so groß wie Deutschland, hat 18 Millionen Einwohner und besteht zu zwei Dritteln aus Wüste. Gerade der Norden des Landes ist extrem heiß, lebensfeindlich trocken – und dennoch hart umkämpft. Deshalb sind die UN-Truppen hier. Anfang 2012 eroberten Rebellen der Tuareg-Nomaden, einer Minderheit im malischen Vielvölkerstaat, den Norden des Landes, um dort einen eigenen Staat zu errichten.
Unterstützung holten sie sich dabei von islamistischen Gruppierungen. Allerdings ging diese Allianz bald zu Bruch. Nach den gemeinsamen Anfangserfolgen wandten sich die Islamisten gegen die Tuareg und übernahmen die Kontrolle in Malis Norden. Als sie immer weiter in Richtung der Hauptstadt Bamako vorrückten, rief die dortige Regierung die alte Kolonialmacht Frankreich zu Hilfe.
Anfang 2013 eroberten die Franzosen weite Teile des Nordens zurück. Seitdem versuchen sie dort, mit den UN-Truppen für Sicherheit und Stabilität zu sorgen. Eine aufreibende und riskante Mission. Zwar haben die Tuareg mittlerweile ein Friedensabkommen mit der Regierung geschlossen. Doch islamistische Gruppen terrorisieren den Norden weiterhin mit Überfällen und Anschlägen.
Sie wollen einen streng muslimischen Staat errichten und profitieren von der Instabilität in dem riesigen Landstrich: Sie ist die Grundlage für ihr florierendes Geschäft mit Drogen, Waffen und Entführungen.
Ein Kampf gegen Kämpfer, die man nicht kennt
Um die Lage vollends unübersichtlich zu machen, sind neben den Tuareg und den Islamisten noch mehrere kleinere Milizen aktiv, die in der Grauzone zwischen Regierung und Terrorfront eigene Ziele verfolgen und immer wieder die Seite wechseln. Wer Verbündeter und wer Feind ist in diesem Land, das ist für die Blauhelmsoldaten oft schwer auszumachen. Der ganze Wüstenstaat: ein trügerisches Terrain.
Ein Mammutauftrag, so scheint es, hier die Einhaltung des Friedensabkommens zu sichern, den Terror einzudämmen und zu verhindern, dass die Region zum Rückzugsgebiet für Extremisten wird – gegen Kämpfer, die man nicht kennt. In einer Umgebung, die man nicht kennt. Aber so lauten nun mal die Aufgaben der Bundeswehr in Mali.
Was für den Soldatenalltag bedeutet: Erkundungsfahrten, Aufklärungsflüge mit Drohnen, Verwundetentransporte mit Hubschraubern. Ständig werden Späher in kleinen Einheiten von zwei bis drei Fahrzeugen ausgesendet, die Freunde und Feinde sondieren. Und diese kleinen Spähtrupps gilt es zu beschützen. Dabei würden allein die klimatischen Bedingungen ausreichen, den Alltag zur Belastungsprobe zu machen.
Eine Nacht in der Hochsicherheits-Container-Stadt
Als sich unser Dingo dem „Camp Castor“ nähert, das neben dem Flughafen Gao im Sand steht wie ein gigantisches Fort, umfahren wir erst mannshohe Wände aus Sandsäcken im Slalom, dann erreichen wir eine Art Schleuse: Hinter uns schließt sich ein Schlagbaum, Soldaten kontrollieren unsere Papiere, prüfen mit Spiegeln, ob Sprengsätze am Fahrzeugboden kleben. Dann öffnet sich das Tor, und wir sind drin.
Auf dem mehrere Hektar großen Camp-Areal sind rund 1200 Soldaten aus verschiedenen Nationen untergebracht, darunter etwa 850 deutsche. Neben Unterkünften, Besprechungsräumen, Werkstätten, Kantine und Krankenstation gibt es einen Minisupermarkt, eine alkoholfreie Bar, zwei Volleyball-Felder und ein klimatisiertes Sportzelt.
Camp Castor ist eine Art Hochsicherheits-Container-Stadt mitten in der Wüste. Eine Stadt ohne Fenster allerdings. Zu groß ist die Gefahr, von draußen mit Mörsern oder Raketen beschossen zu werden. Beides kam schon vor. Deshalb sind die Außenwände aller Gebäude mit Stahlplatten gesichert und die Dächer mit Sandsäcken bedeckt.
Bedrohungslage: Sprengfallen und Minen
Nach einer kurzen Nacht in einem stickigen Container und einer exakt 120 Sekunden langen Dusche – mehr ist den Soldaten pro Tag nicht gestattet – stehe ich am nächsten Morgen um 7 Uhr mit etwa 50 Soldaten im Kreis und höre Hauptmann Marcel Z. bei der Befehlsausgabe zu. Die aus Gebirgsjägern bestehende „schnelle Eingreiftruppe“, oder „Quick Reaction Force“, ist immer wieder in einem Konvoi von etwa einem Dutzend bewaffneter Fahrzeuge in der Region um Gao unterwegs.
Falls eine der kleinen Späheinheiten attackiert wird, eilt sie zu Hilfe. Die Camps, die sie bei ihren Ausfahrten aufschlägt, dienen den Spähern als Rückzugsort für die Nacht. Heute wird die Truppe in die Gegend um die etwa 80 Kilometer entfernte Kleinstadt Ansongo fahren und dort ein Lager errichten.
Der 28-jährige Hauptmann Marcel Z. klärt über die Bedrohungslage an der Strecke auf: Es sei wieder mit IEDs (Improvised Explosive Devices), also improvisierten Sprengfallen oder Minen, zu rechnen. Und es gelte, die üblichen Sicherheitsmaßnahmen zu treffen: enger Konvoi, keine unnötigen Stopps, intensives Beobachten verdächtiger Personen – vor allem solcher mit Mobiltelefonen in der Hand. Die meisten Sprengfallen werden per Handy ausgelöst.
Auf der Fahrt: kaum Gespräche
Wenig später setzt sich unser Tross in Bewegung. Ich sitze mit drei Soldaten in einem stark gepanzerten „Eagle“-Geländewagen. Der junge Gefreite neben mir scannt konzentriert die vorbeirauschende Savanne. Sollten wir beschossen werden, wird er das auf dem Fahrzeugdach montierte Maschinengewehr bedienen.
Es wird wenig geredet, während die Fahrt auf einer roten Piste vorbeiführt an Hütten aus Lehmziegeln, bunt gekleideten Frauen, die Wasser aus Brunnen holen, und dürren Ziegen, die auf wackligen Beinen stehen. Im Wohlstands-Index der Vereinten Nationen belegt Mali Rang 175 von 188. Die Hälfte der Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze.
Durch den Ausbruch des bewaffneten Konflikts hat sich die Lage im Norden Malis zusätzlich verschlechtert. Ein Großteil der Bevölkerung ist heute auf die Lebensmittelrationen internationaler Hilfsorganisationen angewiesen. Auch die Absicherung dieser humanitären Hilfe gehört zu den Aufgaben der Blauhelme im Land.
Nicht abschalten, nicht eine Sekunde
Auf einer schwer bewachten, mit Checkpoints gesicherten Brücke – sie gilt als High-Priority-Ziel für Terroranschläge – überqueren wir den Niger. Die grünen Felder am Ufer sind die einzigen fruchtbaren Streifen in der Wüste. Die Fahrt verläuft ruhig, doch die Stimmung ist angespannt.
Vor wenigen Wochen erst wurde in Gao eine Bundeswehrpatrouille aus dem Nichts beschossen. Kurz darauf kamen zwei Blauhelmsoldaten in ihrem Fahrzeug bei der Explosion eines IEDs ums Leben. Wenig später vier weitere bei einem Mörserangriff auf ein UN-Camp. Mit diesem Wissen im Kopf schaltet man nicht ab. Nicht eine Sekunde.
"Hier hat es schon x-mal geknallt"
Als wir Ansongo erreichen, kommt Unruhe auf. In der Kleinstadt ist Markttag. Kinder laufen zwischen den Fahrzeugen umher, Mädchen winken, Männer verhüllen ihre Gesichter unter dunklen Tüchern. In unserem „Eagle“ knarzt das Funkgerät. „Vorne rechts der Typ mit dem Turban!“
Gemeint ist ein verdächtiger junger Malier, der vermummt am Straßenrand sitzt und gestenreich in ein Handy spricht. Vor ihm steht ein Dutzend großer Benzinkanister. Und die unausgesprochene Frage in unserem „Eagle“ lautet: Ist das nur eine improvisierte Tankstelle – oder eine improvisierte Flüssigbombe?
Als wir uns nähern, verlässt er plötzlich seinen Hocker, verschwindet in einem Hauseingang. Ich starre ihm nach, blicke auf die Kanister, im nächsten Moment sind wir daran vorbei. Unser Fahrer sieht mich über den Rückspiegel an. „Hier wird alles für IEDs verwendet“, sagt er. „Woraus die hier Bomben bauen, kann man sich kaum vorstellen. Wir sind hier auf einer wichtigen Versorgungsroute, da hat es schon x-mal geknallt.“
Es ist eine Gratwanderung für die Bundeswehrsoldaten: Sie werden bei ihren Fahrten oft freundlich empfangen, Kinder laufen ihnen jubelnd hinterher. Gleichzeitig müssen sie in allem und jedem eine potenzielle Gefahr sehen. Wer zu unvorsichtig ist, riskiert sein Leben. Wer zu misstrauisch oder gar feindselig auftritt, riskiert, das Vertrauen der Bevölkerung zu verlieren.
Auch in Afghanistan wurden die Bundeswehrsoldaten anfangs bejubelt. Doch das änderte sich. In Mali möchte man vermeiden, dass die Stimmung kippt.
„Big brother is watching us“
Am Nachmittag erreichen wir unser Ziel: ein freies Stück Savanne außerhalb von Ansongo. Mit ausgestreckten Armen dirigiert Hauptmann Marcel Z. die Wagen an ihre Positionen. Die schwer bewaffneten „Dingos“ und „Eagles“ bilden einen Ring, in dessen Mitte sich die Sanitätsfahrzeuge und Transporter stellen.
Kurz darauf beginnen die Soldaten, mit Hacken und Spaten ihre Stellungen in den steinigen Boden zu graben. Schwitzend füllen sie leere Säcke mit Sand und die Stille der Savanne mit Flüchen. Hauptmann Marcel Z. sieht ihnen mit ernster Miene zu. „Gutes Schanzen erspart Blut“, sagt er. Dann legt er kurz seinen Zeigefinger auf die Lippen und zeigt mit dem Daumen der anderen Hand nach oben: „Big brother is watching us.“
Ich höre ein leises monotones Motorsummen und suche den Himmel ab. Aber ich entdecke nichts. „Das ist eine Heron, eine unserer Drohnen, sie sichert unsere Operation aus der Luft ab. Wenn’s mal knallt, kann sie uns mit ihren Bildern bei der passenden Antwort unterstützen.“
Die Drohne wird vom Camp Castor aus gesteuert. In einem zusätzlich abgesicherten Bereich haben dort Drohnen- und Hubschrauberpiloten ihre Basis – so auch der 47-jährige Stabshauptmann und der 33-jährige Major, die im Juli dieses Jahres ums Leben kamen, als ihr „Tiger“-Kampfhubschrauber rund 75 Kilometer nördlich von Gao abstürzte.
Vermutlich führten technische Probleme zu dem tödlichen Zwischenfall. Ob die extremen Naturbedingungen – Hitze, Staub und Sand – eine Rolle gespielt haben? Fest steht an meinem zweiten Tag in Mali nur: Die Natur hier ist brutal. Sie kann eine ganze Einheit innerhalb von Sekunden in die Knie zwingen – und wird das heute noch beweisen.
Der Sandsturm
Es ist früher Abend, als ein junger Hauptfeldwebel zu Hauptmann Marcel Z. eilt, ihm sein Fernglas reicht und sagt: „Wir sollten schnell alles festmachen!“ Ich blicke irritiert in die angedeutete Richtung – und erstarre. Wo vor Minuten noch Ziegen und Dromedare nach Grünzeug suchten, rast eine Wand aus Sand, Gestrüpp und Steinen auf uns zu wie ein Tsunami. „Ach du Scheiße, ein Habub! Sofort die Technik sichern! Alles, was nicht fest ist, unter die Fahrzeuge!“, ruft Hauptmann Marcel Z.
Augenblicke später sehe ich Soldaten nach allem greifen, was sie unmittelbar sichern können. Sie werfen Waffen, Geschirr und Technik in die Fahrzeuge, schlagen die Türen zu. Ich bringe meine Kamera in Sicherheit, dann werfe ich mich hinter einem Wagen auf ein Feldbett, drücke es mit meinem Körpergewicht in den Boden.
Und keine 30 Sekunden nachdem ich die Sturmwand erblickt habe, ist sie schon da. Zerfetzte Planen fliegen übers Gelände, Steine – groß wie Hagelkörner – prasseln gegen die Wagen, der Sand schürft die Haut auf wie Schleifpapier.
Zwei fast endlos erscheinende Stunden dauert die Tortur. Dann lässt der Wind endlich nach, und ein Gewitter setzt ein. Schwere Tropfen fallen. Ich schüttle mir den Sand aus den Haaren und schnaufe durch. Doch der Hauptmann schickt uns sogleich in die Wagen. Zu viele Blitze schlagen um uns herum ein. Bald darauf sitzen wir in dem stickigen „Eagle“ wie in einer überfüllten Sauna und schwitzen uns die Seele aus dem Leib, während draußen die Welt unterzugehen scheint.
Eine Kuh oder ein Angreifer?
Es ist nach Mitternacht, als der Sturm sich legt. Ich steige aus, um mich ein wenig abzukühlen, und höre Stimmen vom Leitfahrzeug des Hauptmanns. Der Schütze, der die kameragesteuerte Waffe auf dem Dach bedient, hat auf seinem Bildschirm eine Gestalt entdeckt, die sich nahe dem Camp durch die Savanne bewegt.
Der Hauptmann und er sitzen bei geöffneten Türen im „Eagle“, starren auf den Monitor und versuchen zu verstehen, was sie sehen: eine Kuh, die im Sturm die Herde verloren hat? Einen Angreifer, der sich anschleicht? Was zur Hölle ist da draußen?
Und kurz denke ich, dass dieser Moment die Probleme der ganzen Mission auf den Punkt bringt: dass man es zu tun hat mit Kämpfern, die man nicht sieht. In einer Umgebung, die man nicht kennt. Auf einer Mission, deren Fortgang nicht mal für Stunden sicher vorhersagbar ist.
Dann gibt Marcel Z. Entwarnung. Er ist überzeugt davon, dass es sich um ein Tier handelt. Und ich bin erleichtert, dass mir nach dem Sand- und Gewittersturm ein Feuergefecht erspart bleibt.
Konkrete Warnungen
Bis am nächsten Morgen die Sonne über der Savanne aufsteigt, hüllt noch immer feiner Sandstaub die Landschaft in orangefarbenen Nebel. Marcel Z. steht vor seinen Männern und brieft sie für die Weiterfahrt. „Wir haben konkrete Warnung zu IEDs nördlich von Ansongo. Geht auf engen Sichtkontakt bei dieser Sandsuppe! Die Funkverbindung wird womöglich schlecht sein.“
Heißt: Solange man einander sieht, kann man sich notfalls mit Handzeichen warnen. Zudem sei wegen der Sandstürme auch keine Luftunterstützung zu erwarten, sagt Marcel Z. Das bedeutet: Die „Tiger“-Kampfhubschrauber müssen heute im Hangar bleiben – komme am Boden, was da wolle.
Verschärfte Bedingungen also? Das fürchte ich als Laie zunächst. Doch die Männer meiner schnellen Eingreiftruppe sind nicht die einzigen, die von den Nachwehen des Sandsturms gehandicapt werden. Das Leben auf den Straßen um Ansongo scheint allgemein zum Erliegen gekommen zu sein. Dorfbewohner sind nicht mehr zu sehen, keine Männer mit verhüllten Gesichtern, mit Handys oder Benzinkanistern.
Ich gewinne etwas Ruhe und erlebe bis zur Rückkehr ins Camp keinen einzigen heftigen Angstmoment mehr. Selbst meine innere Anspannung lässt während der Fahrt irgendwann nach. Ob ihm das auch so gehe, frage ich den jungen Gefreiten neben mir im „Eagle“. Der aber schüttelt nur verneinend den Kopf: starrer Scannerblick rechts, links, rechts, Augen geradeaus.
Vielleicht hat er mich auch gar nicht gehört. Oder er denkt: verdammter Amateur! Ich darf schließlich in ein paar Tagen wieder nach Deutschland fliegen. Er wird bleiben, noch für Monate, und die Gefahr in der Wüste von Mali suchen.
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